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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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Aus der Correspondenz Vincent van Goghs, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0492

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mit Millet, dem unvergesslichen Meister, an der
Spitze, ist sie das Herz der modernen Kunst selbst
geworden und wird es bleiben.

Leute wie Daumier muss man hoch schätzen,

denn sie sind die Bahnbrecher.......Je mehr

Menschen Arbeiter und Bauernfiguren machen, um
so lieber würde ich es sehen. Und ich selbst, ich
wiisste nicht, wozu ich mehr Lust hätte.

Dies ist ein langer Brief, und ich weiss noch
nicht, ob ich deutlich genug ausgesprochen habe,
was ich meine. Ich schreibe vielleicht noch ein
Wort an Serret. Wenn ich das thue, schicke ich Dir
den Brief zum Durchlesen ein, denn ich möchte es
gern klar zum Ausdruck bringen, wie wichtig mir
die Frage des Figürlichen ist.

......Was mich besonders bei diesem Rück-
blick auf die alten holländischen Bilder frappiert hat,
ist, dass sie grösstenteils schnell gemalt sind. Dass
diese grossen Meister wie Hals, Rembrandt, Ruys-
dael und viele andere, so viel wie möglich „du
premier coup" ansetzen und nicht mehr viel darauf
zurückkommen.

Ich habe in erster Reihe Hände von Rembrandt
und Hals bewundert, Hände voller Leben, aber die
nicht fertig waren, so wie einzelne Hände bei den

„Tuchmachern," bei der „Judenbraut" und bei Frans
Hals. Und auch Köpfe, Augen, Nasen, Münder,
die mit den ersten Pinzelstrichen aufgesetzt sind,
ohne dass eine bessernde Hand angelegt wäre.
Bracquemond hat sie gut radiert, so dass man
die Art des Malens in seiner Radierung sehen
kann.

Theo, wie notwendig ist es doch, in jetziger
Zeit einmal nach den alten holländischen Bildern
zu sehen! Und nach den französischen, wie Corot,
Millet u. s. w. Die übrigen kann man zur Not
ganz gut entbehren, sie bringen manch einen mehr
vom Wege ab als er selbst glaubt. Hintereinander
malen, so viel wie möglich hintereinander! Was
ist das doch für ein Genuss, solch einen Frans Hals
zu sehen! Wie grundverschieden sind doch diese
Bilder von denen, in welchen alles auf dieselbe
Weise glatt gestrichen ist.

Zufällig sah ich jetzt einen Meissonier, — den
von Fodor — an demselben Tage, an dem ich alte
holländische Meister, ■— Brouver, Ostade und vor
allem Terborch sah. Nun, Meissonier machte es
wie sie: ein sehr durchdachter, sehr berechneter
Versuch, aber in einem Zug gemacht und wo mög-
lich schon auf den ersten Anhieb gut.

VINCENT VAN GOGH, IM STADTPARK ZU ARLES
 
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