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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

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Heft 1 (Januar 1935)
DOI Artikel:
Greve, Rudolf: Unser Haus und Garten: eine Zeichenstunde in Untersekunda
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0013

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Mr Haus unö Glirteu

Eine Zeichenjtun-e in Antersekunüa

Es klingclt. Dic Stundc bcginnt. Untcrsckunda hat
Zeichncn. Vierzig Iungcn, (es sind auch ein paar Mädel
-abci) in jcncm bcrühmten Altcr, da dic °soscn mit dcn
lany hcrauswachscndcn Bcincn nicht mehr Schritt haltcn
und dic Iackcnarmcl cs längst aufgaben, die knochigcn
Handgclcnkc schamhast ;u vcrhüllcn. Sic bcgrüßen mich
mit dem schönen Hitlcryruß beim Bctretcn dcr Rlaffc.

Sctzt euch! Die Schemcl poltern ein wcnig; nicht ;u
viel, das mag „cr" nicht habcn. Das Getuschcl vcrstummt.
„Er" licbt das nicht.

Es wird ruhitz. was cs wohl tzibt? Die Rlaffe ist vollcr
Spannung; das ist ste immcr dann, wcnn ein Thema bc-
cndetz wenn es etwas Neucs gibt.

„Iungcns, Mädels! Ac!) bin heute morgen durch meinen
Garten gcgangcn. Das ist nichts Besonderes, das tue ich
jcdcn Morgcn, wenn das wettcr es nur irgcnd erlaubt.
Und doch war's hcutc morgcn anders. Denn heute wurde
mir cin bißchcn wch ums Her;, als ich durch dic Blumen-
bcetc schritt. Es hattc nämlich diese Nacht schon ein wenig
cicfrorcn; und was gestern noch so schön blühte, in der
Sonne aufleuchtetc und mir seinen farbi§en Gruß bot,
war übcr Ukacht schwar; und unansehnlich geworden. Dann
überkommt lcicht den Mcnschen eine etwas schmerzliche
Stimmung; ist es doch wic cine leise Mahnung ans Ster-
ben und Vergchen, was aus ciner solchen Stunde klingt. Da-
;u sah ich fcine Gespinste zwischen den Stauden, alles wie
mit einem graucn Hauch überzogen, Spinnwcbfäden: Alt-
wcibersommcr nennt drr Volksmund diese Zeit. warum
wohl? wie kommt dieser Ausdruck züstander

Dann bin ich weiter gegangen, von Blumc ;u Älume,
cinigc hattcn den Frost gut überstanden; die Rosen zrig-
tcn nocb vielc Rnospcn. <vb die wohl noch alle ;ur Blütc
rcifcn? Und dann kam ich ums Haus herum, Ahr kennts
ja allc. Da wurdc mcin Her; wieder froh, da nickten die
dickcn Sonnenblumcn mir ihren Morgengruß ;u uNd.
sagten: Sci doch froh, sieh doch um dich, da ist schon wie-
dcr dic strahlende Sonne, die uns und dich wärmt und
uns trotz des Oktobcrs noch einen leuchtenden Sonnen-
tag schcnkt. Und da willst Du den Ropf hängen laffen?
Mensch, sei doch dankbar und sreue dich!

Ahr seht Rinder, so halte ich mit meinen Blumen Zwie-
sprache und ste stnd mir unentbehrlich und ich könnte mir
mcin Lebcn ohne Garten, ohnc Dlumen und Bäume über-
haupt nicht vorstellen. Und Ahr und ich wollcn dankbar
dafür sein, daß wir aus dcm Lande und in der Rleinstadt
lcben, wo wir diescn Dingen nahe stnd und in ständiger
Gcmeinschaft mit ihncn sein dürfen. Vielc, viele Men-
schen müffen das entbehren, die gezwungen stnd, ihr
Lcben in der Großstadt verbringcn ;u müffen. Und was
von unsern Hausgärten gilt, das gilt auch von dem großen
Gottesgarten der vlatur. wir können jetzt die große, nir
gestillte Schnsucht des Großstadtmenschen verstehen, der
ewig ruhelos in seiner freien Zeit hinauseilt, hinaus muß
in Gottes weiten Garten, um aus der innigen Verbindung
mit ihr neüe Rräft;u schüpfen für einc woche Alltagsarbeit.

Iungens, Mädels, ich habe genug geredet; viel länger
als ich wollte. Jetzt kommt ihr dran. Heute sollt ihr mir
crzählen, von eurent'Haus, von eurem Garten; laßt mich
rilimal wissen, wie es dort aussieht.

Unfer Dhema heißt: „Mein Haus und Garten."-

wec nun etwa glaubt„->die Schlller würden jeyt soforr
mit der Arbeit beginnen, den muß ich enttäuschen. Denn
jetzt bcicht ein Sturn» von Fragen und Einwendungen
los, den es crst einmal ;u beschwichtigen gilt. Hier- setzt
eine Arbeit ^es Hehrers ei», .von der der Außenstehrnde
stch kaum eine Vorstellung macht, die auch von drn Rollr-
gen unrerschätzt, deren Ledeutung für das Gelingen dep
Arbeit aber nicht Kering anzuschlagen ist. Hirr kann der



Lchrcr, noch mchr dcr Erzieher bcweiscn, daß er ;u
„führcn" imstandc ist. Dcnn wir wollen eincs beachten:
Auf dicscr Stufc habcn wir es mit jungcn Leuten ;u tun,
dic naturgcgcbcn in diescm Alter Suchcr und Zweifler
sind. Ach erinnerc an Eduard Spranger, dcr von der
„wogcndcn Annenwclt des Selbst" spricht. Und gerade wir
Runstcrziehcr wiffen davon ;u berichten, daß junge Men-
schcn dicscs Altcrs recht oft dic Lust am „Zeichnen" vcr-
lieren, sofern es nicht einem feinfühligen Lehrer, der ihm
in allererster Linie „Führer" sein muß, gelingt, ihm über
diesc Rlippe hinwcgzuhclfen. Es ist ja nicht nur die scharfe
Selbstkritik, die ihn am Schaffen hindert; das was er
sonst ;u gcrn tat, weil ihm das so leicht schien, nämlich
das Zeichnen und Formen, jetzt will das' auf einmal nicht
mehr, es „kommt nichts mehr dabei heraus".

Ich will hier glcich einfügen, daß die Mädchen weniger
schwierig sind. Mit der ihnen in diesem Falle rigenen
Hingabe an die Arbeit beginnen sie die Lösung. Sie stehen
diesen Dingen, Dlumen und Bäumen innerlich noch näher
als ihre männlichen Rlasscngenoffen.

Bei den gan; „Mutlosen", jeder Zeichenlehrer kennt ste,
hilft am besten ein gedämpftes Zwirgesprach zwischen Schll»

ler und Lehrer, das etwa so verläuft: _

Vla, Hans, wills gar nicht gehn»

Nein, ich kann das nichtl . ^ >

Lber du hast dsch ss einen schönen Garten,
auch krnne. Jch habe dich doch öfter» dari« arb«

Ia, da» wshl, «ber wie soll ich
all srinen Bäumen aus die» Blatt
Nun, ea ist ja nicht gerad« «öttg,
drauf muß. Ich möchte anuehmrn, l
«in winkel im Garten dir ' ' " ^
sogar dir gehört flle deine ,

Jaa, mein " " '

überlaffen. '

Na, den Teil de» Gartens wirst du
stellen können, was r
Also schön, fang damit a« und wenn
hast, zeichnest du von da aus weittr. (wgs auch ,
und ich brauche nicht erst ;u berichten, daß dieser
nicht nur ,>seine" Ecke zeichnete.) < : >

Das ist nur e i n Beispiel von seelischer Hisf
kcit, «bcr rs gibt ihrer eine ganze Reihe. Aber drr l
weiß, daß der weg ;um Helfen über das Verstrhen fl
Er weiß auch, daß gerade in diesem Alter dir
nach Verstandenwerden so groß ist, weil der Gugendlichr
sich felbst gegenüber oft so ratlos ist!

(wer das wciß, der kann dic Forderung, unsrrer Iugend,
daß sie nur durch Augend erzogen werden könne, doch nur
bedingt bejahen, wcil nämlich der nur die Gugend ver-
steht, dcr nicht mehr in ihr befangen ist, der das Leben,
seine „Formcn, seinc Bedingtheiten, seinc Zusammenhänge"
schon umfaffender kennt, als sie von der Erlebnisweite
der Augend aus gesehen werden können.)

wenn auch nicht bei allen soviel gan; lpersönliche „Be-
arbeitung", wie in dem Falle des „Mutlosen" da;u gehört,
es vergeht doch noch eine weile, bis der Lehrer für alle
die nötige „Einstimmung" gefunden hat, die für das Ge-
lingcn der Arbeit nötig ist. -;

Der ganze Bildunterricht bleibt nämlich erfolglos, wenn
nicht dahinter die erzieherische Tat drs Lehrers steht, auf
die ich iwmer wieder mit größtem Vkachdruck hinweise,
weil für den, der nachher das fertige Ergebnis vorliegen
sieht, dte Entstehung desselbcn als leicht getan und „spie-
lend geschafj«n" erscheinen mag. Aber die Mitarbeit des
Lehrers, seinen Antril, den persönlichen Rraftaufwand,
seinen Einsay, den übersieht, den unterschätzt man. Aber
gerade dieses „Rönnen" des Lehrers, das methodische Ver«
 
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