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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

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Heft 1 (Januar 1935)
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Stobbe, Käte: Sprecherziehung/ Kunsterziehung
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Leumer, Josef: Haltet ein mit dem Stimmenmord!
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0018

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clementarsten Äußerungen, kur; wir wissen viel iiber dic
Dichter, ihr werk und seinc Entstehuny ;u sagen. Aber
all das wiffen ilber die Din§c befähigt die Rinder nicht,
ein einfaches, lyrischcs Gedicht so ;u sprcchen, daß dlc Zu>
hörcnden die Empfindung habcn: Hicr hat ein Dichtcr
sein Jnncrstes cxegeben. Denn jcdc Dichtung ist cin Lunst'
werk und kann nicht mit dcm Vcrstandc begriffcn, sondcrn
muß erfllhlt wcrden. wollcn wir die Dichtungen als
Unterrichtsgegenstand beibchaltcn, so mllssen wir genau so
verfahrcn wic im Musik. und Zcichcnuntcrricht. Den Sinn
fllr das gcsprochcne wort vcrmittcln wir nur durch
pflecse dcs gesprochcnen wortcs.

pflcgc des gesprochcnen wortes ist Sprechcr;iehung.
Letztes Ziel allcr Sprechec;iehung ist das Hincinfllyrcn
in den seelischen Gehalt der Sprache. Da diesem Hincin-
fllhren vom Sprachorcsan oft Hinderniffe in den weg gc.
legt wcrden, mllsscn wir ;unächst das Sprachorgan schu.
Icn, wic wir im Gesangunterricht dic Singstimmc, wie
wir im Zeichcnuntcrricht Augc und Hand schulen. Dic
Schulung des Sprachorgans ist dic Sprcchtechnik. Sic um-
faßt ;wei Gebietc: Die Atem« und die Stimmbildung.
wird sic spielmäßig betriebcn, ist cs durchaus möglich,
sie vom ersten Schultag an ;um Unterrichtsgegenstand ;u
machen. (Siehe „Sprecher;iehung in dcr Grundschule.")
Dic Sprcchtechnik ist das Handwerkzcug, das jedem Rinde
mitgegcbcn werden muß und von jedem Rinde erlernbar
ist. Sie ist unerläßlichc Vorarbeit für die dann ernsetzendc
mehr psychologische Arbcit, die sich bcim ,Zinfllhren ;um l
Seelischen in der Sprachc crgibt. Diese Arbeit voll;ieht !

sich im Leseunterricht, bcim Gedichtvortrag, beim Frei-
fprechcn, beim dramatischen Spiel und im Sprechchor. Ge.
radc dic letztgenannten müffen in der neuen Äeutschen
Schule einen vicl breiteren Raum einnehmen. Spielschac
und Sprechchor gehören genau so ;um Bestand einer Schulc
wie dcr Gcsangschor. wollen wir im Volk wieder den
Sinn fllr das Thingspiel, fllr das Laienspiel wecken, so
mllffen wir in der Schule bereits damit anfangen. Das
geschieht aber nicht dadurch, daß wir die Thingplätzc in
die crdkundlichc Rartc ein;eichncn oder den Bau der Lhing.
plätzc im Lichtbild bctrachten und Aufsätze über stattgc-
habte Auffllhrungen vorlesen, sondern einfach dadurch,
daß die Schule das Laienspiel pflegt. „Das tun wir ja
längst auf unsern Elternabenden," heißt es stol;. Gewiß,
an un;ähligcn Schulen wird schon sehr ernst auf diesem
Gcbiet gearbeitet. Bei der Mehr;ahl der Schulcn ist aber
die Ubliche Elternabendsauffllhrung immer noch däs lästigc
Anhängscl, ausgeführt ;u gewiffen Rcpräsentationszwck.
ken, ;u der sich die Schule den Eltcrn gegenüber verpflich-
tet glaubt. Der cr;iehliche wert dieiser Auffllhrung ist
sehr gering und steht in keinem Verhältnis ;u der Un-
ruhe, die sie in dic Schulen tragen. Der widerstand gegcn
solche Aufführungen bei ernst arbeitenden ist darum durch.
aus ;u verstehen. Das wird sich sofort ändern, wenn
Sprechchor und Spielschar dem Gesangschor ebenbürtig ;ur
Seite treten, wenn das Laienspiel das Ergebnis ihrcr
monatelangcn Gcnieinschaftsarbeit wird. Darum hincin
mit der Sprecherziehung in den Unterricht!

Am Anfang war das wort!

Zofes Leumer

jaltet ein mtt öem Lttmmenmoröl

Scit Iahren kämpfen einsichtige Stimmbildner gegen
pnscr Stimmclend. Es ist bekannte Tatsache, daß 90 pro-
zent aller Stimmen verdorben sind. Die Allgemeinheit hat
sich mit diesem traurigen Zustand längst abgefunden. wir
dürfen uns auch aus diescm Grunde nicht wundcrn, daß
die aktivc Musikpflege sich rmmer mehr auf dic Berufs-
kllnstlcr zurückzieht. Alle Versuche, unser Volk wieder
mehr ;um Singen ;u bringcn, mllssen scheitern, solange das
Volk keine Freude an der Schönheit der menschlichen
Stimme hat. Verschließen wir doch unsere Augen nicht,
sagen wir aufrichtig, wie es in wirklichkeit bestellt ist!
Mr'llionen deutscher Rinder haben gute Stimmen. Hun-
derttausendc Ienießen besonderrn Gesangsunterricht. Und
was ist davön nach 10—15 Aahren übrig geblieben- Aus
eincm Heer srngfroher Lnaben ist ein nicht kleineres Heer
krächzendcr junger Männcr geworden. Etwa )os haben
ihre schönen Stimmen crhalten. und von höchstens 10
spricht cinmal die Öffentlichkeit.

Der einzelne nimmt seinen Srimmschaden eigentlich erst
dann wahr, rpeyn er srch entschließt, rn einen Lhorverband
cinzutretcn, oder wenn er sonst sich gezwungen sreht, in der
Öffentlichkeit zu srngen. Dann ist es meistens zu spät.
Dcm bestcn Stimmbildner wird es in den meisten Fällen
ni'cht mehr gelingcn, das gut zu machcn, was in der Jugcnd
versäumt wurdc.

Da lcider in lctzter Zeit das Stimmenmorden wieder
mehr in Sckwung gekommen rst, sehe ich mich veranlaßt,
meinen altcn Hilferuf erneut vernehmen ;u laffen: Höret
auf mit dcm Stimmenmord! Rettet unsere Stimmen!

Da die mcnschlichc Stimmc das edclste Musikinstrument,
die Gtrmme cines unscrcr wcrtvollsten Rulturguter ist,.
Schädigung der Stiinmr daher den Vcrlust djeses wert-

MMWW

vcrgangkM

cingegriffen werden. partei und Staat srnd eins. Die Fllh-
rer der bedrohten Iugend srnd im Reich: Das Reichs-
ministerium für Erziehung und Unterricht vnd dic
Reichsjugendführung. Leide haben ein großes Gntercffc
daran, daß unsere Rulturgüter erhalten und vermehrt
werden. Sie sind demnach auch verantwortlich dafllr, dafi
dem Raubbau an der Rinderstimme sofort Einhalt gebotcn
wird. Es ist vorerst nrchts notwendig als eine ernste Auf-
forderung an die Schulen und an die Iugendorganisation,
das schädlichc Schreien bcim Singen ;u
u n t e r l a s sen.

Im Namen von Millionen Rindern, die später auch
noch srngen wollen,

im Namcn von ;ehntausend Lhorleitern, die berufcn
sind, dem deutschen Volke Stunden der Erhebung und
Freude durch den Gesang ;u bereiten,
im Namen der deutschen Volkskultur und nicht ;uletzt
im Vramen der deutschen Musik Lberhaupt -
bittc ich dic vcrantwortlichen Stellen, das Schreisingen ;u
verbreten. .

Alle ernst zu nehmenden Rireise sind sich darin einig,
daß das Schreien beim Singen schädlich ist. Daß es doch
so schlecht bestellt ist, kommt daher, daß die Mehrzahl der
Lehrer und HI..Führer infolge Unkenntnis und Gcdan-
kenlosigkeit sich ihrer Schuld gar nicht -ewußt sind. Dic
Rultusminister der vergangenen Zeit waren schlecht bc.
raten, die gesangliche Ausbildung der Lehrer an den Leh.
rerbildungsanstalten war vollkommen einseitig, teiliveise
sogar falsch, die Vorbereitung der Musrklehrer an den
meisten Ronservatorien für einen stimmepslegendeii Gc-
sangsuntcrricht ungcnügend.

Ich selbst denke mit wenrg Vergnugen an unseren Gr.

'cdcutet, crgibt sich die dringende sangsunterricht rn der Lehrerbildungsanj
qHBen ;u ihrcr Erhaltung. Der .ZMmar, dgs „Tressen"MMneq. p«, .ki'

m.;u
'nrcht

möalich, die Stimmver-
 
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