Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

DOI Heft:
Heft 7 (Juli 1935)
DOI Artikel:
Bernack, F.: Der Bedeutungsgehalt der Farben
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0159

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Bewußtscin und Unbcwußtsein, -wischen Diesscits unb
Icnscits. Es halt sich an dcr wendc des Ubernatürlichcn
,ur Natur.

Llau.

Blau, mittelhochdeutsch „blao", plattdeutsch „blag",
angclsachsisch „blaw", enylisch „blue", ist wurzclverwandt
,„it dcm althochdeutschcn „blajan", mittclhochdcutsch „blac-
jen", angclsächsisch „blawan", das sovicl bcdeutet wie bla '
scn, bläbcn, wehcn.

Also ein »Zauch, ein Nichts ist die Formulicrung der
Empfindung dicscr Farbe. Unfaßbar, ungreisbar wie der
Atcm des Mundes, ein fühlbarcs Aörperloses, wic das
wchcn des windcs. Es ist die Scelc, dic in dem Rörper
wohnt, die dcr Mcnsch aushaucht, wenn er stirbt. Es ist
dic Farbc cincr andern welt als dcr irdischen, sie ist ein
Gehcimnis, mystischcs Dunkcl. Sic umschließt das Gött-
lichc und ist dcr Schleicr vor dcm Höchsten, dcr Grenzwall
dcs Acnscits. Blau ist uncrforschlichc Höhe und Diesc ;u
alcich, ist endlosc weite, ewigc Ferne, höchstcs und letz»
tcs Zicl. Es blcibt unbckannt und uncrkannt und ist doch
voller Lcbcn; abcr cin Lcben, das mit dem irdischen Da-
sein nichts ;u tun hat, das abgclöst ist von allem Stoff-
lichen. Dlau ist dic Farbc des Immateriellen;
esversinnlicht den Hauch des Geistigen.

S ch w a r;.

Schwar;, mittel- und althochdeutsch „swar;", gotisch
„swarts", plattdeutsch und altniederländisch „swart", angel-
sächsisch „swcart", englisch „swart", schwedisch „swart",
dänisch „sort", ist vielleicht urvcrwandt dcm lateinischen
„sordidus" — schmutzig. Einleuchtcnder erscheint jedoch bei
nähcrcr prüfung die Verwur;clung mit „swcr" —s ch w e r,
drückend, quälend; mittclhochdcutsch „swaere", alt-
hochdcutsch „swari", plattdcutsch „swer", „fwor", dänisch
„swär", urvcrwandt mit dcm lateinischen „serius" — ernst.

Tatsächlich wirkt Schwar; als Farbe ernst, schwer, drük.
kend, lastcnd. Nacht und Dunkel habcn immer etwas Be-
drückendes an sich, die Schwär;e eines Raumes lastet be-
, engend auf den Sinnen. Die undurchdringliche Finsternis
in Schächten und Abgründen klemmt die Brust ;usammen
und schnürt die Rehle ;u. Als eine Riesenlast wäl;en sich
schwar;e Gewitterwolken über die sich duckende Natur.
Nacht tötet den Tag. Finsternis bindet die Tatkraft der
Hände, feffelt die Lewegung und hemmt den Fuß. über-
all ist mit dem Eindruck von Schwar; der Eindruck
lastender Schwere, desDruckes, der Be-
drückung verbunden. Die Verschwisterung der beiden
Sphären des Farbtones und der Schwerkraft tritt in der
Verwandtschast der Wortwur;eln ;u tage. Das Gefühls-
moment, das mit der sinnlichen wahrnehmung der Farbe
verbunden ist, wird eines mit dem andern ;u einem sprach-
lichen Ausdrucke verschmol;en.

weiß. L-

weiß! weiß, mittel- und althochdeutsch „wi;", „hwi;",
gotisch „hveits", plattdeütsch,, witt", angelsächsisch „hwit",
englisch „withe", dänisch „hvid", schwedisch „hvit" ver-
leugnen nicht die Wurzelvcrwandtschaft mit weit, ge«
räumig. weit, mittes- und althochdeutsch „wit", platt-
deutsch „wid", englisch "wide", schwedisch und dänisch „vid".

Es leukt den Blick auf drn rvriten, hellen, licht-
erfüllten Raum, in die weite Ferne des Himmels. Es macht
die Lrust frei und das Nhnen leicht und läfit vor dem
geistigen Auge die schimmernde weite und weiße blen-
dender Schneegipfel und Gletschep erstehen. Es führt uns
in die unabsehbaren weiten der Rrgion des ervigen Eises
uüd leuchtet von den besonnten wolken am fernen Hori-
zoute. Es flutet glänzend in der Wacht vom Monde herab.
Die Wurzelverwandtschäft det beiden Wörter weiß Ünd

Aus dem Gcsagtcn folgt, daß die Reihe der Urfarbcn
Rot, Gelb, Grün, Blau, Schwar; und weiß in ihren B c-
nennungen zuglcich eine Bcwertung ihrer Aus-
drucksfähigkeit erfahren habcn. Die Sprachver-
wurzclungen bcweiscn das. was für die Farbennamen
curopäischer Idiomc zutrifft, wird vermutlich auch bei
dcn außcreuropäischen zutreffcn. Ich muß es mir jedoch
vcrsagcn, diescs umfangrcichc Sondergebiet zu behandeln
und nachzuprüfcn.

Grangc, Braun, Violett.

Andcrs ist es mit den später hinzugekommenen Farben
Grange, Braun und Violett. Die Vlamen dieser
Farbcn lehncn sich direkt an Naturobjekte an, denen sie
;u eigcn sind, Orangc an die Frucht, Violett an dic Blumc,
Braun an brennen, gcbrannt. Es handelt sich hierbei um
Vergleichc, genau wie bci dcn Differen;ierungen einer
Farbc in vlüanccn: wcinrot, Mohnrot, Ziegelrot, Fuchs-
rot, Blutrot, Feucrrot usw. primitive Mcnschcn ordnen
jcdoch Graiigc und Lraun unter Rot und Gelb,
Violett unter Blau; sie benennen die Zwischen-
töne nach den Hauptfarben. In vergangenen Zeiten
war es daher nicht nötig, diesen Zwischentönen einc bc-
sonderc sprachliche Fassung ;u geben. Sie werden mit
den Hauptfarben in eins behandelt und
sprachlich ;usammengcfaßt. Die llZlüancen lösen die gleichen
Empfindungen aus wie die Hauptfarben.

wenn der farbige Eindruck der Aus-
druck einer dieser Farbe innewohnenden
Rrast ist, so ist die Farbe gleich;eitig
Symbol eines Erlebnisses. Das gcht aus den
sprachlichen wur;eln der Farbnamen deutlich hcrvor.

II. Bedeutungsgehalte.

Manchen Farben stehen wir sympathisch gegenüber,
andern wieder nicht. Das hängt ab davon, ob die Farbe
als ein;elne oder in Zusammenstellung mit andern Farben
auftritt; unsere Bildung, unser Temperament und unsere
Stimmung sind als Faktoren dabei mitbestimmend. Daraus
folgt wieder, daß die Gefühlswerte einer Farbe veränder-
lich sind, wenn sie sich nur auf das Individuum ein-
;ustellen hat. In jeder Farbe sind jedoch auch werte von
konstanter Größe,die sich uns durch Hunderte, ja,
Tausende von Iahren hindurch eingeprägt haben. Diese
werte sind festgehalten worden in kultischen Handlungen,
in heraldischen Beziehungen, im politischen Leben, in den
verschiedenen Formen der Gffentlichkeit, in der Runst, in
der Rleidung, in der wohnung. Die symbolische Bedeu-
tung der Farben hat bei allen Völkern weitgehende Ver-
breitung gefunden. E s gibt wohl kein Volk,das
sich nicht durch Farben zum Leben äußerte.
Die Farbe ist ein R u l t u r e l e m e n t erstrn Ranges
und ihre Symbolik zeigt eine gewiffe Gemeinsamkeit auf,
die eben auf dem Bedeutungsgehalt der Farbe
beruht. Die Farbe hat ihre Bedeutung in einer bestimm-
ten Eradition festgelegt. Man kann also von tra d i tio -
ne l l e r Farbensymbolik reden, der die jndivi-
duelle gegenübersteht. Letztere steht hier nicht zür Dis-
kussion. Es gibt nur sehr wenig Literätur zü diesem
Thema, die in Zusammenhang erfaßt werden könnte.
Eigentlich sind es nur Goethe, Randinsky und Speng-
ler/ die sich zusamnienhängend darüber geäüßert haben.
Der andere Gtoff mußte mühevoll auö den verstreutesten
Ouellen yeschöpft werden. -

Es ist jetzt die Aufgabe zu lssen, den Sinn, den Lr de u-
tuNgsgehalt der Farben «n der Hand dee
tyaditionellen GvmboliH festzustellen, um tzü
 
Annotationen