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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

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Heft 7 (Juli 1935)
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Bernack, F.: Der Bedeutungsgehalt der Farben
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0163

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Gcistc jhrcr Tragik. Die zunächst bizarrc Tatsachc dcr
hcllenischen Vicrfarbenmalerci ist nun erklärt. Da der un-
endlichc Raum fllr das antike LebensgefUhl rin vollkom-
mcnes Nichts ist, so wurden Blau und GrUn mit ihrcr
entwirklichendcn und Formcn schaffcndcn Lraft die Allcin-
hcrrschaft des Vordcrgrundcs, dcr vcrcinzelten Rörpcr und
damit dcn eigentlichcn Sinn apollinischcr Runstwerkc in
Frage gestcllt habcn. Drm Auge cincs Athcners wäre cin
Gemälde in dcn Farbcn watteaus wesenlos und von eincr
schwcr in wortc ;u faffendcn inncren Lcere und Unwescn-
hcit erschicncn. Durch dicsc irrcalen Farben wird dic sinn-
lich empfundene, das Licht reflcktierendc Fläche nicht als
Grenze eincs Dingcs, sondcrn als die des umgebenden
Raumes gewcrtct. Deshalb fehlen sic dort und herrschcn
sie hier."

Dem Volke gilt Blau als Farbc der Treue und
Freundschaft. Dcr blaublUhcnde Ehrenpreis wird
darum auch Männcrtreu gcnannt. Allc Freude am Fer-
nen, wcitcn, findet in Licdern Ausdruck, die des
Blaucn gedenkcn: „V du klarblauer Hiinmcl", oder: „Früh-
ling läßt sein blaues Band wieder flattern durch dic
Lüfte", odcr: Die blaucn Blumcn Schottlands „Auf
dcinen 'Köh'n, du mein licbcs Vaterland". wir erinncrn
uns dcr stillen, weltfremden „blaucn Stunde" am
Abend, die in einem Gemälde von Max Rlinger hinreißen-
dcn Ausdruck gefunden hat. Der „blaue Montag" — eigent-
lich der letzte Faschingsmontag — ist dem Nichts, dem
Nichtstun geweiht. wenn jemand das „Blaue vom Him-
mel hcruntercrzählt", so soll damit gesagt werden, daß er
scincn unwahrscheinlichen Redestoff weitläufig aus-
breitct, und wen» jemand „ins Blau hinein" redet, so
hcißt das, daß er allerhand Nichtigkeiten bcrichtet.
Eine „Fahrt ins Blaue" ist eine Fahrt mit unbe-
stimmtem Ziele. Der „Blaubart" gilt im Märchcn
als cin von furchtbaren Geheimnissen umgebencr
Ritter. Blau ist die „w u n d e r b l u m e", die „blaue
Blume der Romantik", blau ist das „Vergißmeinnicht".

Blaue Edelsteine, Saphir und Lapis lazuli, wurden in
schutzspendcnden Talismanen und Amuletten — in den
ägyptischen Rönigsgräbern blaue Emaillearbeiten — bc-
sonders gcschätzt. Die Grientalen legen sich Retten von
blauen Glasperlcn um dcn Hals, um den Einfluß böser
Geister ;u bannen". Blaue Augen sind bei dunkelhäutigen
Völkern gefurchtet.

In der Theosophie bedeutet schönes Dunkel-
blau Religiosität, in den verschiedensten Schat-
tierungen von Frömmelei bis Heiligkeit. „Hell-
blau, an Robalt und Ultramarin erinnernd, ist die Farbe
der Ergebung in cin hohes Ideal. ; L/ -.

Immer sind mit Blau Gedanken verbunden, die ihm
eine überirdische Macht, eine wirkung aus unbekannten
und unerreichbaren Höhen und Fernen verleiht. Sein
wesen ist das >c .. ' - .

einer geistigen, mystischen Farbe, die
Farbe des wunders und des Geheim-
nisvollen. Esist die Farbe einer im-
materiellen Sphäre, des Fatums, des
Ü b e t i r d i s chen u N d ; ugle i ch die der s e ei
lischen und geistigen Empfindsamkeit
und Verfeinerung. Es ist -- kur; gesagt —
di« Farbe dergeistigen Rultur.



M

. . ^ ^

Über Grüst äußert sich Goethe nur kur;:,,Mser
Auge findet im GrUn eine reale Befriedigung; wenn beide
Mutterfarben (Gelb und Blau) sich in der Mischung ge-

-; der andcrn dem

ka^wtU

4SS


Randinsky schrcibt ausführlicher: „Absolutes GrUn
ist die ruhigste Farbc, die rs gibt; sie bewegt sich nach
nirgends hin und hat keinen Beiklang der
Freudc, Lcidcnschaft; sieverlangtnichts,
ruft nirgends hin. Diese ständige Abwesenhcit der
Bcwcgung ist einc Eigcnschaft, die auf ermüdete Menschcn
und Scelen wohltuend wirkt, aber nach einiger Zeit lcicht
langweilig wcrden kann. Die passivität ist dic
charaktervollste Eigcnschaft des absoluten Grün, wobci
diesc Eigenschaft von einer Art Fcttheit, Selbst-
zufriedenheit, parfümicrt wird. Deswegen ist das
absolute GrUn im Farbcnreich das, was im Menschenrcich
die sogenanntc Bourgoisie ist; es ist ein unbewcg-
lichrs, mit sich zufriedencs, nach allen Richtun-
gcn bcschränktes Element. Dies GrUn ist wie eine dickc,
sehr gesunde, unbcweglich liegende Ruh, die nur ;um wie-
dcrkäuen fähig, mit blöden, stumpfen Augen die welt bc-
trachtct. wenn das absolute Grün aus dem Gleichgewicht
gebracht wird, so steigt cs ;u Gclb, wobei es lcbendig
wird, jugendlich und freudig. Es ist wiedcr
durch Bcimischung von Gelb eine aktive Rraft eingetretcn.
Ins Ticfe sinkend, bei (lbergewicht von Blau, bekommt
das GrUn einen gan; anderen Rlang; es wird ernstund
sozusagen nachdenklich. Musikalisch möchtc ich das
absolute GrUn wohl am besten durch ruhigc, gc-
dchnte, mitteltiefe Töne der Geigc bc-
zeichnen."

Spengler: „Die bedeutendste Verwendung eincs
düsteren Grüns als die Farbe des Schicksals findet sich bci
GrUnewald, desscn lTlächte von einer unbeschreiblichen
Mächtigkeit des Raumes nur von Rembrandt wieder cr-
reicht werden. Hier gewinnt man den Eindruck, als ob
dics bläuliche GrLn, dieselbe Farbe, in welche das Innerc
der großen Dome so oft gctaucht ist, als die spezisisch
„katholische" Farbe bezeichnen dürfc. Man beachtc,
daß die wirksamkeit dieser Farbe Jnnenräume im Gcgcn-
satz von Gelb und Rot voraussetzt."

Für den Theosophen bedeutet Grün je nach dcr
NUancierung rcligiöses Gefühl mit Furcht
vcrmischt, Mitgefühl, Anpassungsfähig-
keit, Selbstsucht. Sie zeigt ihm praktischcn
Sinn an. -Helles Smaragdgrün istGffenheit, Frei-
herzigkeit, Apfelgrün ist Überschuß von Le-
benskraft.

Gskar wilde behauptet, daß einc starke Vorliebe für
Grün besonders kultivierte Menschen anzeigt.
Das Grünproblem ist immer eine Hauptaufgabe der
Malerei gewesen. Grün übt eine ausgleichende, be-
ruhigende wirkung aus, die sür die Gleichgewichts-
lage im Bilde unerläßlich ist.

Für viele Menschen ist ein grüner Smaragd odcr
Malachit das Schönste, was es an Edelsteinen gibt, und
aus dem berühmten Nephrit, in Lhina Iade genannt,
werden noch jetzt heilkrästige Amuletts und Büchsen ge-
schnitzt. Grüne Fensterläden än alten Häusern haben etwas
Anheimelndes, alte begrünte Gärten und parks er-
möglichen eine Märchenstimmung, grüne winkel
laden zum Träumen ein. Doch soll „Grün allen denen
Unglück bringtn, die im Rrebs, im Löwen oder im Skor-
pion geboren sind. Grün ist die Farbe der Elfen, die es
übelnehmen, wenn jemand unberechtigt ihre Farbe trägt."

In Schottland gilt Grün als Farbe des Unheils, in Ir-
land als Glücksfarbe. I« England ist man gegen Grün ein-
genommen. Wenn man jemandem „nicht grün" ist, so ist
man ihm nicht wohlgesonnen; ein „grüner Iunge", ein
„Grünschnahel" sind Menschen ohne ausgcreifte Meinung.
Man spricht von „grüner Hochzeit" und von der „grünen
Seite". Grün als Farbe der Höffnung jst mäilichfrisches
Grün. Grüne Signalscheiben und Lampen '

man jn Ruhe einen gefährlichen weg passiere» kann.
Das GrÜn der Zoll- und Grenzbeamten stellt sich wie seine
-.-"I r äH e r z w i s ch e n,z w e i sich bexührende,B e z i.r k e.
Im Volkslicde Melt Grün eine sehr bedeutende Rolle
schon allein in den vielen V
 
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