Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

DOI Heft:
Heft 10 (Oktober 1935)
DOI Artikel:
Stolpe, Albert: Wie lassen sich die Erkenntnisse von Gustaf Britsch auf die Plastik - insbesondere die Kinderplastik - anwenden?
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0233

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

4

Abb. i- E>bcrc Xeike.

1 r

5

<- 7 6

Untere Reihc

Abb. r

rend der andcre „Löwe" dagegen als eine wundcrvolle,
<welige GaNzheit erscheint, Hicr stchen dre Forniteist rn


MWMüW-DsW^^NHM'eFWMWW

»ichüngslMGebeneinander; die Mahne
eine schlecht styrnde Lnppc Naüfgrfttzt;

UKMKMMKWW^^^WUMMWWKDOK

22»

Kze«'».



schncidungen (sichc auch- der Hamburgcr „Bismarck", dcr
Lremcr „Roland", dcr Braunschweiger „Löwe". Wieweit
nimmt dic Photographie darauf Rücksicht;) Späte plasti«
kcn kann und soll man von vielen punkten aus sehen,
ohne daß unstimmige Übcrschneidungen auftreten. —

Nun darf aus dcr Tatsachc, daß frühe plastiken fron-
tal gesehen sein wollen, nicht gefolgert werden, daß es sich
bci diesen plastiken um Darstcllungen bestimmter Ansich-
tcn handlc. Eine bestimmte Ansicht ;u geben, liegt übcr-
haupt nicht im Bereich der bildnerischen Möglichkeiten
dieser frühcn Stufen. Es werden keine Ansichten darge-
stellt, sondern Gcstaltvorstellungen wcrden in primärer
Richtungsgestaltung anschaulich.sinnvoll zugeordnct, so daß
die gestaltliche Gliederung prägnant, klar und geordnet er-
schcint. Es ist also die Erscheinung der Frontalität er-
klärbar aus den Gestaltungsmoglichkeiten der frühen Stu-
fen und nicht aus dem Gegenständlichen.

Abbildung i zeigt plastiken, die alle von älteren Volks-
schülern hergestcllt wurden (I. Rnabenakademieschule in
Liel, Rektor Iver Sörensen). Die einzelnen werke stehen
jedoch auf verschieden hohen Stufen des Gestaltungsver-
mügens.

Am „frühcsten" liegen die plastiken r, 4, 6 und 9. „pferd
und Reiter" der plastik 4 künnen in Beziehung gesetzt wer-
dcn ;u „Pferd und Reiter" der in der Theorie (Abb. ;r)'
abgebildeten griechisch-geometrischen Tonfigur. Man kann
sagen, daß hierbei die Teile nur als Ein;elformstücke „ad-
diert sind"; indes ist das, was diese Figuren ;u stimmigen
Gan;heiten macht, bereits als Bildwert wirksam. Die
Philosophie hat als das Hauptgesetz der Gan;heit gefun-
dcn: Das Gan;e ist mehr als die Summe seiner Deile.
Die Gültigkeit dieses Satzes wird besonders deutlich im
Gebiet des Lildnerischen. Sie kann schon än unseren
schlichten Rinderplastiken erlebt werden. wir stcllten fest,
daß die Deile der plastiken nur als Ein;elformstücke „ad-
chiert" sind. Trotzdem ist das Gan;e keine bloße Summc.
Es ist ein geheimnisvolles „Mehr" darin, das freilich nür
mit einem dafür empfänglichen Auge erlcbbar ist. Das
Gan;e hat gleichsam Adel, Seele oder Leben. Es ist das,
was Britsch jn dem Begriff A: U mitenthälten wissen
will.

An diesem „Mehr" hängt der wert der Bilder. Üm
das ;u veranschaulichen, ;eigt Abbildüng r eine Rinder-
plastik, der dieses /,Mehr" fehlt. Sie scheint — äußerlich
gesehrn—- wöhl tzoejter als die besprochenen, ihre Leile
sind nicht bloß „addiert". 2lber der Formzusammenhang
ist brüchig und darUin Ähne Rvuälitätl — Sid ist als
,,Löwe" gemeint, ihe sei därum drr in Äbbildung
. zeigte „Löwe" (plastik;) gegenübcrgestellt. Dann wird deut

hält gän; und gar keinen glaubhaften Zusammenhang,
denn ihrcr Umgrcn;ung fehlt die Eivdcutigkcit. Der
Schweif baumelt langweilig herunter; nirgends ;wingende
Notwcndigkcit und klare Entschiedenheit. Rraftlos steht
dieser „Löwc" da. Viellcicht ist er angeregt durch eine
kitschige Pkippsfigur. Angeregt ist der andcre „Löwx"
sicher auch, aber er ist schöpferisch neugebaut, und das ist
entscheidend.

Die plastik 1 auf Abbildung 1 mag in Be;iehung ge-
seyt werden ;u dem in der Dheorie (Abb. ;;) abgebilde-
ten Aquamanile (yatürlich ist diese Erwachsenenarbeit von
weit größerer Dualität als die Rinderleistung). Sie ;eigt
erheblichc Unterscheidungen, ;. B. von Hinterbeinen ;u
Vorderbeincn, sowie eine größere Durchgliederung des
Gan;en.

Schließlich mögcn die plastiken ; und 5 (auf Abb. 1)
veranschaulichen, daß Rindcr auch einen größeren Gestalt-
;usammenhang halten können. Der „Löwe" (;) mag wieder
in Be;iehung geseyt werden ;u dem anderen in der Theo-
rie (Abb. 14) abgebildeten Aquamanile (obgleich hier eine
weit größere Entschiedenheit und Elegan; ;u uns spricht).

Diese Zusammenstellung von Rinderplastiken kann also
;eigen, wie die Entwicklung von Ein;el;usammenhängen
;u größeren Romplepen fortschreitet. Gleich;eitig sieht
man, daß beim Fortschreiten dec Gestaltungsmöglichkeiten
die Rlarheit der Gebilde immer dieselbe bleibt. Die neu
erreichte Stufe erscheint so nicht nur als eine Möglichkeit
;u größeren Zufammenhängen, sondern auch als ein neues
Mittel ;ur Rsarheit.

Daß Gustaf Britsch Bild und plastik gan; von innen
crfaßt hat, ;eigt sich deutlich aus seiner Gegenübcrstellung
von Rinder;eichnungen und Rinderplastiken.
 
Annotationen