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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 15.1935

DOI Heft:
Heft 10 (Oktober 1935)
DOI Artikel:
Weißhuhn, Paul: Erde und Holz in der Volksschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.28171#0235

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jj°u,-v-muhn.q-,>° Eröe unö Hoh ln öer Nolksschule

KMMÄWMEMMW

Abb. >. Llicgcndc vogc, / Ton, Dnaben S I.

s us dcr Acit, da ich mit meincn Brüdern und
Schwcftcrn die Sommcrtagc im Erbscnfeldc
vcrbrachtc, um die Tauben ;u vcrjagen, ent-
ftnnc ich mich cincr Gewohnhcit, die mich heute
noch überkommt, wcnn ich Gartenerde in den Fingern
habc. Als Dorskinder haben wir, wie wir's vom lieben
Gott gehört hatten, Dierc und Menschen aus fester Erde
gcformt. Einmal hattc mcinc Schwester cine irdene Daube
auf einem Dachzicgel so aufgebaut, daß diese einen Gc-
burtstagsbrief im Schnabcl halten und mit großcr Vor-
ftcht einer staunenden Frcundin geschenkt werden konnte.

Wcnn Rinder keinen Lchm findcn, finden sic Schncc,
Sand, Brotkrume zum Drücken, Ballen und Rnetcn. 2>e-
denfalls lcbt die Neigung des Formens urtümlich im
Volke. So wird es begreiflich, daß Stadtkinder, denen
durch asphaltierte Straßen die Berührung des natürlichen
Bodens erschwert wird, in dieser Hinsicht viel entbehren
müsscn. Wir können in der Tat beobachten, wie die Rlei-
nen, am Rinnftein Dämme bauend, dic geringsten Erd-
häufchen zusammcntragen in göttlich schöpferischer Er-
regtheit. Von hicr aus, wo einer Muttcr etwa Sorgen
wegen der Unsauberkeit ihres Rindes entstehen können,
muß man als Erzieher geradezu die Forderung des Lne-
tcns und Formens crheben. wir dürfen das um so mehr,
als uns sauberer Ton aus der Ziegelei erreichbar und
cine einwandfreie Aufbewahrung in der Zinkblechkiste
möglich ist.

was man einer Volksschulklaffe an Rnetarbeit in Ton
zuyruten kann, wird jeder Lehrer bald erkennen: Es ver-
bietet sich alles, was mit Modellieren, wölben und Run-
den von Formen etwas zu tun hat. Man könntc behaup-
tcn, daß das Gegenteil, das Eindrücken und Einriyen von
Formen in weichen, kachelartigen Donkuchen der gegebene
Anfang in der Volksschule sein kann. Dieser auch für
große Rlassen mögliche Anfang der Tonarbeit laßt jedoch
einen großcn Lärm entftehen während des Breitklopfens
und Schlagens der Donklunipen auf den Holz-, Linol- oder
Schieferunterlagen'(Schieferplatten als Abfall bei Dach-

rcparaturcn). Einc stillcrc Arbcit als ebensogut möglicher
Einsay ist das Rollcn von Rugeln, walzen und würsten
mit dcr flachcn Hand. 'llus diesen Bauelementen setzt ja
ohnehin jedes Rind jahrelang scinc Figuren zusammen.
Ls verstcht sich, daß die inhaltlose Aufgabe des Rollens
von Rugcln zum Aufbau eines Marktstandes mit feil-
gehaltencn Äpfeln, langcn Gurkcn, .dicken Lirnen und
pflaumen ;u vcrwandeln ist. Lci dcr Darstellung eincr
;u pflastcrnden Straßc sind dic Rugeln ;u würseligen
pflastcrstcinen ;u drückcn. vlach einer andcren Übung, der
Darstcllung von Vögcln, dcncn richtige Federn in den
Schwan; gcstcckt werdcn können, Brieftauben mit Briefen
im Schnabcl, wird sich dcr wunsch, Menschen knctcn ;u
dürfen, picht längcr unterdrücken laffcn. Soldaten mjt
Schwertern und Gcwehrcn aus Holz, Tierbändiger mit
Spießen, Photographen mit Stativ, Männcr des Arbeits-
dienstes mit Schippcn und Loren und eine Tischgcsellschaft
sind neben allerlei Tierdarstellungen und Drcffuraktcn mög-
liche Aufgaben für Untcr- und Dbcrklassen. Es wird sich
zeigen, daß ältcrc Schülcr — so ;. B. einc Rlaffe i;—14-
jährigcr Mädchen — unbcwußt versuchcn, den Figuren
einen ablesbaren Ausdruck aufzuprägen. Dic „Frauen
auf Besuch", eine Aufgabc, bci der ich auf einc reiche Rlei-
dung achten licß, wurden sämtlich seelenvoll und im Auf-
treten von seltsamer Selbständigkcit.

wenn kleinerc Rindcr kneten, so sind sie sehr dar-
auf aus, neben ciner pcrson gleich die Umgebung mit
darzustellcn. Sie greifen ;u allerlei Stoffen und Hilfs-
material (Tier, von Zaun umgeben, Tischgesellschaft mit
Hund, Streiter mit Sanitätshund, Marktstand mit preis-
schildern usw.). Die älteren vermögen ein Einzelwesen
vertiefender ;u gestalten und beschränken sich darauf.

Selbstverständlich darf der Lehrer nicht glauben, daß
es mit bloßem Themenstellen getan wäre. Iedes Thema
will ini Material wegen des Tonklumpengewichtes vor-
überlegt werden, wie für das Zeichnen etwa das Format,
hoch oder quer, bedacht wcrden muß. Die Gefahr der Ge-
wichtsfehler ist abex bei den Rleinen gering (daß ;. B. das
pferd zusammenbricht wegen zu dünncr Beine). Bei ihnen
ist das Rlümpchen das Gemeinte, unabhängig von der
Ausdehnung, entsprechend ihrem Zustande der Richtungs-
unterscheidung und eintretender Differenzierung. Erst spä-
ter beginnen die Rlumpen „Proportionen" zu erhalten,
weshatb sich in den Gberklassen schon „Reiter mit pferd"
verbieten kann. - '

So einfach nach den Abbildungen ein Unterricht im
Rneten erscheint, so schwierig ist es, wenn man als Leh-
rcr dcn wunsch hat, -aß allr Rinder etwas leisten. Es
 
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