Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

DOI Artikel:
"Die französische Gesellschaft für Kupferstich"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4914#0003

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2

im Louvre, verspricht nur eiuen neuen Beleg dafür.
Henriguel bleibt der bedeutendste lebende Meister nicht
bloß in Frankreich, wenn er auch in der Weltausstellung
von 1867 keinen großen Preis erhalten, weil er es, im
Gegensatze zu den Pariser Malerfürsten verschmähte, sich
selbst damit zu betheilen; so wie er ja auch vor Jahren
den Salonpreis für den Hemicycle nach Delarocche ab-
lehnte. Wer so wie er in Kunst und Selbstlosigkeit llors
äo eoneonrs stcht, ist allerdings auf seinem Platze, wo
es gilt Richter und Protektor seiner Fachgenofsen zu sein.
Vicepräsident ist der in Kiel geborene, in Frankreich als
Jngres' Schüler berühmt gewordene Maler Heinrich
Lehmann, Mitglied des Jnstituts. Weiter sind Comitä-
mitglieder die beiden bekannten Kunstschriftsteller Charles
B lanc, ehcmaliger Oireotenr äes Lennx-L.rts und Bi-
comteHenri Delaborde, JnstitutSmitglieduudVorstaud
der kais. Kupferstichsammlnng in PariS; endlich noch der
Bildhauer Guillaume, Jnstitutsmitglicd nnd Direktor
der Lools äes Lonnx-nrts. Die Leitnng der Geschäfte
besorgt als Direktor der Gesellschaft der verdienstvolle
Herausgcber der ,.Oarette äes Lonnx-^rts" Emil G a-
lichon.

Die „Looieto trnny.nise äe Arnmire" hat ausschließ-
lich den Zweck, die Kupferstechkuust zn fördern und die
Kenntniß von Meisterwerken bildeuder Kunst durch Stiche
nach denselben zu verbreiten. Die Mitglieder der Gesell-
schaft theilcn sich in zwei Klassen. Dic Gründer leistcn
100 Francs Jahresbeitrag und erhalten die Abdrücke vor
der Schrift, die ihnen allein vorbehalten bleiben. Die
Zahl dieser Gründer ist unwiderrnflich anf 200 festgesetzt
und nachdem sich die Gesellschaft kaum constituirt, haben
die Amueldnngen diese Anzahl bereits ausgefüllt. Die
übrigen Mitglieder zahlen jährlich 50 Fraucs uud erhalten
Abdrücke mit der Schrift, doch haben dieselben das Vor-
recht, falls ein Gründer ausschcidet, an dessen Stelle zu
treten, und wird über dießfalls erhobene Ansprüche eine
Anciennetätsliste geführt. Aber auch die Abzüge für diese
Mitglieder werden im Druck unterschieden von den ge-
wöhnlichen Exemplaren, welche erst nach Befriedigung
sämmtlicher Gesellschafter für den Kunsthandel angefertigt
werden. Somit bildeu also die Abdrücke der gewöhnlichen
Mitglieder noch immer einen früheren, zweiten Zustand.
Eine Snbskriptiou zu Zwecken des Kunsthandels wird nicht
zugelafsen und der Verkauf subskribirter Abdrücke durch
ein Mitglied würde diesem das Recht auf die fernere Theil-
nahme an der Gesellschaft entziehen.

Mit der Leitung des Vereins ist ein auf fünf Jahre
gewählter Ausschuß betraut, an dessen Berathungen der
geschästliche Direktor theilnimmt. Die Gesellschaft wird
mindestens zwei Blätter im Laufe eines Jahres verösfent-
lichen. Die Folge derselben ist zwar an keine Regel ge-
bunden nnd die Wahl der Publikation soll sich den Um-
ständen anbequemen, doch werden die Kupfcrstiche schließ-

lich je nach der Schule, dem das Original angehört,
Serien bilden und mit entsprechenden Ordnungszahlen
bezeichnet sein. Zur größeren Bequemlichkeit der Besitzer
werden alle Platten auf Bogen gleichen Formates ab-
gezogen.

Um sogleich mit der Veröffentlichung beginneu zu
können, hat die Gesellschaft vorerst einige eben der Voll-
endung nahe Platten von den Künstlern erworben. Jn
Folge dessen ist denn bereits das erste Blatt ausgegeben
worden. Es ist die „Geliebte des Tizian" im Lonvre, ge-
stochen von einem Zogling der Lhoner Kunstschule, Herrn
Dan gnin. Wenn auch kein Werk ersten Ranges, ist es doch
eiue schulgerechte gewissenhaftc Arbeit, die für einen An-
fang aus dcm Stehgreif immerhin genügen mag. Ungleich
mehr Verspricht schon die andere noch für dieseS Jahr an-
gekündigte Licferung, ein Stich des trefflichen Flameng
nach Jngrcs' Stratonice-

Für die Folgezeit aber werden dnrch die Gescllschaft
nach dem bisherigen Programme folgcnde Neproduktionen
veranlaßt uud zwar nach Naffacl: dcr Traum des Ritters
in der brttischen Nationalgaleric, die Madonna mit dem
Fisch im Mnseum zu Madrid, das Porträt der Maddalena
Doni in der Galerie Pitti, und der Raffael zugeschriebene
plastische WachSkopf im Mnsenm von Lille, zn wclchem
sich, nebenbei bemerkt, eine für die Beglanbignng höchst
werthvolle Originalzeichnuug in der Albertina in Wien
befindet; nach Perngiuo: die Vermählnng der heil.
Maria im Museum von Caön; nach Tizian: das Por-
trait des Ariosto in der britischen Nationalgalerie nnd die
himmlischc nnd wcltliche Liebe aus der Galerie Borghese;
nach Ghirlandajo: die Heimsuchuug im Louvre; nach
B otticelli: Madonna mit dem Kinde ans der Samm-
lung des Hrn. Gabriel de Vendoeuvre; nach Paul Vero-
nese: das Portrait des Andreas Doria in der britischen
Nationagalerie; nach Sebastian del Piombo: Ausfin-
dung Mosis im Museum von Dijon; nach Luini: Be-
stattung der heil. Katharina in der Brera; nach Mem-
ling: Madonna mit Heiligen aus der Sammlung des
Hrn. Gatteanx; endlich nm auch dem Nationalbewußtsein
Rechnung zu tragen, nach Philippede Champaigne: das
Bildniß Turenne's im Museum zu Chartres; nach Le-
sueur: die Vision des heil. Benedikt im Louvre, nach
Jngres: ein Selbstportrait in der Sammlung des Hrn.
Reiset, und das Bildniß Bartolini's bei Herrn van Praöt.

Mit Absicht haben wir diese stattliche Reihe von Pro-
jekten hier aufgezählt, weil damit am besten die Richtung
gekennzeichnet wird, welche der französischen Kupfcrstich-
gesellschaft gegeben wurde. Wie wir sehen, verfolgt sie
ausschließlich die Zwecke der Kunst. Deßhalb geht sie mit
ihren Aufträgen vorzüglich in das fnnfzehnte, sechzehnte
Jahrhundert zurück nnd führt so die reproducirende Kunst
auf jenen Boden, auf dem allein sie wieder erstarken kann.
Persönliche wie stoffliche Nücksichten sind vollständig aus-
 
Annotationen