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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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Clauß, C.: Der Verkauf der v. Quandt'schen Gemälde-Sammlung in Dresden
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4914#0054

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auch seine jetzt vorläufig am Nationalmuseum errichteten
Gladiatoren aufgestellt werden; Goethe's Karl XIII. steht
schon längst da.

Uebrigens herrscht hier ein ganz reges Leben in der
Kunstwelt. Das Nationalmuseum ist jetzt so gut wie
Nollständig eröfsnet, das neue Ateliergebäude fertig und
eine permanente Ausstellung des Kunstvereins endlich
anstatt der vierzehntägigen Ausstellungen arrangirt.

Die neueSynagoge von Prof. Sch olander verspricht
trotz ihrer beengten Lage ein Schmuck der Hauptstadt zu
werden. Der neulich von Rom heimgekehrte Bildhauer
Kiellberg hat eine naive frische Gruppe: „Ein junger
Faun lehrt seinen kleinen Bruder die Hörner ge-
brauchen" beinahe vollendet. Unter den Malern erfreut
sichdasRiesenbilddesProf. Malmström des allgemeinen
Jnteresses. Es stellt „Die Schlacht bei Bravalla" dar,
und der Künstler hat die Gelegenheit wahrgenommen,
seine weitumfassenden Stndien über altnordisches Leben
nnd Kostüm in dem Werke niederzulegen, wie denn auch
seine frische nnd lebendige Phantasie dabei einen weiten
Spielraum gefnnden hat. Auch Prof. Winge ist jetzt mit
einem großen Gemälde „Thor, welcher die Jätten (Riesen)
zerschmettert" beschäftigt, einemBilde, das demMeister des
„Locke und Sigyn" glänzenden Erfolg verspricht.

Die diesjährige akademische Ausstellung war etwas
spärlich besucht, weil sie eben in den heißesten Sommer-
rnonaten stattfand; sie enthielt jedoch eine beträchtliche
Sammlung guter Bilder von schwedischen, norwegischen
und dänischen Malern, unter denen wir die Arbeiten von
Fagerlin (Düsseldorf), Malm st r ö m (Stockholm), Gude
(Karlsruhe), Sörensen (Kopenhagen) hervorheben.
Unter den jnngeren Malern zeichnete sich der Ncrweger
Munthe durch eine prachtvolle Winterlandschaft aus.
Kürzlich wnrden vier neue Mitglieder dcr Akademie creirt:
der Bildhauer Kiellberg und die Maler Nordgren
(Düsseldorf) Saloman(Göteborg)undKoskull (Stock-
holm). 8. D.

München, Mitte December.

/X Untcr unseren Coloristen nimmtVictorMüller ^
von Frankfurt cine hervorragende Stellnng ein. Von
der Natur mit ungewöhnlich feinem Farbensinn aus-
gcstattet, hat er während eines längercn Aufenthaltes
in Paris eingehende Studien in dieser Richtung gemacht.
Seine tiefe Abneigung gegen Alles, was an die An-
schauungen der Akademiker erinnert, führte ihn der mo-
dernsten Richtung zu, welche zugleich die entschiedenste
ist nnd deren Tendenz Courbet, der einst von seinen
eigenen Landsleuten verspottete und nun an der Spitze
einer Schnle und in Ansehen stehende Courbet, in den
Worten zusammenfaßte: absolute Verneinung des Jdeals.
Uebrigens habe ich allen Grnnd zu der Annahme, daß
V. Mnllcr sich entschieden weigern würde, Courbet's so

bezeichnetes Programm zu unterzeichnen. Jch halte mich
dazu schon durch sein nenestes Bild berechtigt, das
Hamlet mit Horatio nnd dem Todtengräber auf dem
Kirchhofe darstellt. Ein Künstlcr, der den unter der
Wucht seiner Reflexionen, wie nnter der des Schicksals
zusammenbrcchenden Dänenprinzen zum Gegenstande eines
größeren Bildes macht, geht nicht auf Einem Pfade mit
dem Franzosen, der in der unmittelbarsten Darstellung
eines Steinklopfers auf der Landstraße das höchste Ziel
seines Strebens fand. — Hamlet ist unserm Künstler,
der seinen Hamlet besser studirt hat als mancher Schau-
spieler, welcher die Titelrolle dieser Tragödie gibt, nicht
blos ein Denker und Zanderer, sondern vorzugsweise
Prinz. Ein Prinz, der in Wittenberg wohl studirte,
nebenbei aber keinem Vergnügen den Rücken kehrte, das
ihm lockend entgegentrat. Ein Prinz, der ohne Sorge
und Bedenken den Tag nahm, wie er sich ihm bot. Ein
Prinz, der Muth genug besitzt, sowohl im Kampfe mit
dem feindlichen Schifse auf dasselbe hinüberzuspringen,
als dem Geiste seines abgeschiedenen Vaters in die Oede
hinauS zu folgen. Ein Prinz aber auch, der sich mit
aller Macht seiner Seele gegen den Gedanken stränbt,
daß er das von seinen nächsten Verwandten an seinem
eigenen Batcr verübte gräuliche Verbrechen zn rächen
habe, und der durch diesen ihm unabweisbar nahegelegten
Gedankcn nicht blos innerlichst ergriffen und geängstigt,
sondern auch in des Wortes eigentlichster Bedeutung
belästigt wird- EinPrinz, in welchemdie Nichtschätzung
dcr Menschen weit genng vorgcschritten ist, daß ihm,der
alte Polonins wenig mehr als eine Ratte gilt, die er
mit seinem Schwert an den Bodcn spießt und dem die
arme Ophelia kaum einen Seufzer entlockt, nachdem er
ihr hübsches Köpfchen verrückt. Diesen Prinzen nun
führt uns Victor Müller auf dem hochgelegenen Kirchhof
vor. Es ist heller Tag; die Sonne, von leichten Wolken
verdeckt, überströmt Alles mit jenem bleichen, alle Schatten
aufhebenden Lichte, das einen so geheimnißvollcn Zauber
übt. Hamlet, nach des Dichters Worten etwas zum
Fettwerden geneigt, hat sich nachlässig neben das Grab
gesetzt, das Opheliens Leiche anfnehmen soll. Seine
ziemlich fleischige Hand spielt mehr, als sie ihn hält, mit
dem Schädel, den der Spatcn des altcn Burschen neben
ihm herausgeworfen. Seine Kleidung zeigt den vor-
nehmen Mann, der weiß er vergibt sich nichts, wenn
auch das Beinkleid nicht ganz gut sitzt und der Kragen
des Hemdes etwas verschoben ist. Mitten aus seinen Be-
trachtungen über die Vergänglichkeit der Welt, mit denen
er zum Theil auch sein persönliches Mißbehagen darin
wegphilosophiren möchte, stört ihn der von hinten her
nahende Leichenzng auf. Horatio, der trene Freund und
wackere Mann, dem nichts Gutes ahnen mag, will ihn
auf gnte Weise vor der peinlichen Begegnung bewahren,
aber es ist zu spät. Der Prinz hat bereits den Gesang
 
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