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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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Wenige Blätter vertreten die röniisch-deutsche Frühlings-
zeit unserer nwdernen Kunst; es folgen in größerer Zahl
Zeichnungeu von Schinkel, Persius, Klöber uud au-
deren Künstlern der Berliner Schule, erst unter deu
Düsseldorfern tritt Kaspar Scheuren, der greise Ro-
mantiker, mit einer Sammlung von über 50 Aquarellen
und Federzeichnungen auf. Dkit den berühmten Oelbildern
des Meisters verglichen, sind dies freilich nur schwache
Nachklänge aus dem Düsseldorfer Kunstleben Ler dreißiger
Jahre. Doch sind sie trotz ihrer unbeholfenen Technik ein
lebendiger Ausdruck der Stimmung jener Tage, welchem
man inmitten unserer heutigen mehr und mehr auf die
realistische Wiedergabe der Erscheinung gerichteten Kunst-
thätigkeit gern einmal begegnet. Uebrigens stammen die
meisten dieser Blätter, Landschaften und Architekturen vom
Rhein, namentlich Stolzenfels-Ansichten, aus späterer Zeit.
Nur in Köln kann man allenfalls ein eben so vollständi-
ges Bild von Scheuren als Aquarellisten bekommen, wenn
man anders diese farbigen Zeichnungen als Aquarellen
gelteu lassen will. — Zum Schluß noch ein paar Worte
über die glänzendsten Bestandtheile der Sammlung, die
Werke der eigentlichen Aquarellvirtuosen. Karl Graeb
ist mit fast hundert Blättern vertreten. Es sind die aus
Reproduktionen allgemein bekanntenStolzenfels-Ansichten,
die überaus prächtigen Jnterieurs verschiedener Schlösser
und — in technischer Beziehung meines Erachtens die be-
deutendsten Leistungen — die Ansichten „Aus Sanssouci
und Umgegcnd". Dazu kommt sein Antheil an den herr-
lichen Wandgemälden des neuen Museums (Athen nnd
Olympia für den griechischen Saal), die sämmtlich in
kleineren Wiederholungen von der Hand andrer Künstler
(W. Schirmer, Biermann, Max Schmidt, Pape)
angefertigt, im Besitze der Königin fich besinden. Auch
Eduard Hildebrandt, denAntipodenGraeb's,kannman
hier in 50 meist gut ausgesührten, zum Theil sogar vor-
züglichen Aquarellen von so vortheilhafter Seite kennen
lernen, daß man darüber den peinlichen Eiudruck fast ver-
gessen könnte, welchen die andauernden Kundgebungen
und Anreizungen eines förmlichen Hildebrandt-Schwin-
dels zu Berlin selbst auf einen Verehrer des verstorbenen
Meisters machen müssen. Denn in der That ist der sonst
gebräuchliche Ausdruck „Kultus" in diesem Falle durchaus
nicht bezeichnend, wo es Besitzern und Unternehmern nicht
darauf ankommt, Bewunderer, sondern Käufer zu erwecken
und auf diese Weise eine, man kann nur sagen: krankheits-
ähnliche Passion der letzten Zeit zu ihrem Vortheile aus-
zubeuten. Doch hoffen wir, daß auch dies Uebel seine Zeit
habe und an die Stelle blinder, phrasenhafter Begeisterung
dann die alleiu dienliche ruhige, vorurtheilsfreie Aner-
kennung des Künstlers trete! —

Seit Kurzcm ist auch die jüngste, höchst bedeutende
Leistung der hiesigen königlichen Glasmalerei - Anstalt in
einem eigens dazu errichteten Bretterhause ausgestellt,

der figürliche Theil des zweiten großen Südfensters für
den hohen Chor des Aachener Münsters. Die Komposition
(„die Jungfrau Maria als Fürbitterin") rührt von Prof.
Alexander Teschner her, welcher schon zwei andere Bil-
der, das eine nach Cornelius' Entwurfe, für denselben
Zweck gezeichnet hat. Das Gemälde nimmt etwa den
dritten Theil des Fensters ein und zeigt oben die Jung-
frau in einer Glorie, darunter, in zwei Gruppen geordnet,
geistliche und weltliche Vertreter der Stände und Berufs- »
arten, nnter ihnen Zeitgenossen der Einweihung des Chors
(1414), wie den Pabst Martin V., Kaiser Sigismund,
Friedrich I. von Nürnberg mit ihren Gemahlinnen, sowie
jetzt lebende oder kürzlich verstorbeue Persönlichkeiten,
welche zu der jetzigen Ausschmückung in irgend welcher
Beziehuug stehen, so vor allen den Donator Friedrich
Wilhelm IV., den Bürgermeister von Aachen, den General
von Falkenstein u. s. w. Eine trauernde Witwe mit zwei
Knaben unterhalb der Mäoonna verbindet beide Gruppen.
Ueber der Madonna schließt eine architektonische Gliede-
rung die Bildfläche nischenartig ab, und den oberen Theil,
zwei Drittel des ganzen Fensters, füllen Mosaikmuster.

Um eine so bedeutende Leistung der modernen Glas-
malerei angesichts der älteren Werke 'dieser Knnstweise
richtig zu beurtheilen, um namentlich dem Antheile des
Künstlers gerecht zu werden, darf man zwei Momente
nicht außer Acht lassen, welche, wie es scheint, auch auf
einander nicht ohne wechselseitigen Einfluß geblieben sind:
die veränderte Fassung der Aufgabe und die weit reicheren
Mittel der modernen Technik. Die frühere Zeit, welche
die Glasmalerei auf ihrer Höhe sah und Kirchen und
Klöster, bald auch Schlösser und Rathhäuser mit ihrem
unvergleichlichen Schmucke ausstattete, diese Zeit behan-
delte das farbige Fenster nicht anders, als den bunten
Teppich, mit welchem sie die Oesfnungen ihrer Wände
schloß. Die architektonische Umrahmung bestimmte die
Dekoration, das Ornament herrschte vor, und mit jenem
feinen Sinn für das mannichfaltige Spiel der Formen
und Farben, für das Ebenmaß in der scheinbar willkür-
lichsten Abwechselung, erreichte man bei weit bescheideneren
Mitteln eine Wirkung, die bis heute unübertroffen dasteht.

^ Vor allem aber trat die figürliche Darstellung nur er-
gänzend hinzu, oder, wo sie selbständiger behandelt ward,
da begünstigte doch die eigenthümlich stilisirende Form-
gebung der gothischen Kunst, namentlich die liebenswürdige
Zeichnuug des 14. Jahrhunderts, eine architektouische Ge-
sammtwirkung, welche Figur und Ornament als gleichbe-
rechtigte Theile der Dekoration erscheinen ließ. Das ist
nun freilich anders geworden. Heute oder vielmehr im
vorliegenden Falle will man ein Bild mit aller Gluth der
Farben, deren unsere Glasmalerei fähig ist, und wenig-
stens mit soviel Naturwahrheit und Nealismus in den
Formen darstellen, als die Bestimmung für den kirchlichen
Zweck es erlaubt. Die Bedeutung der beigeordneten Muster
 
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