Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4914#0159

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
158

Sammlnng alter und neuer Bilder zusamnien zu bringen.
Freilich ist auch vielerlei Unbedeutendes darunter. Es
geschieht leicht, daß nian, wcnn man entfernt von den
großen Centren der Kunst und des Wissens lebt, auch
bisweilen Kleines für groß ansieht. Aber immerhin ist
schon ein guter Grund gelegt und es fehlt nur an einem
geeigneten Lokale, das bisher Erworbene passend aufzu-
stellen und dem noch zu Berhoffendeu eine genügende
Stätte zu bereiten. Jndeß das ist eine vielverbreitete
Klage; man braucht nicht nach Solothurn zu kommen, um
sie zu hören. Haben wir doch selbst in der Hauptstadt
Norddeutschlands bisher noch keinen Raum gefuuden, um
die größte Schöpfung der Neuzeit, die Kartons von Corne-
lius, würdig aufzustellen.

An alten Bildern aus dem 16. und früheren Jahr-
hunderten ist Solothurn trotz seiner vielen Kirchen und
feines vorwiegend katholischen Charakters, abgesehen von
der neuaufgefundenen Psrle und einer älteren Madonna,
ganz arm. Seine Blüthe fällt in eine spätere Periode, als
die Stadt die Residenz der französischen Ambassadoren war,
die in Solothurn einen glänzenden Hof hielten. Diese
Zeit hat hier mancherlei Spuren hinterlaffen, in gutem
und schlimmem Sinne. Die Verbindnng mit Frankreich
brachte auch einzelne Erzeugnisse der französischen Kunst
aus ihrer Glanzepoche nach Solothurn. Mancherlei davon
ist wohl später wieder fortgekommen. Aber noch befinden
sich einige beachtenswerthe Bilder, namentlich Portraits
von Rigaud, im Besitze hiesiger Familien, die uns von
kundiger Seite als vorzüglich gerühmt werden.

Es sei gestattet, an dieser Stelle eines in der Schweiz
sehr geschätzten Künstlers zu gedenken, der noch in unsern
Tagen in derSchweiz lebte; wir meinenMartin Disteli
von Olten. Er ist populär geworden durch seine vielen
Darstellungen aus der Schweizergeschichte und den von
ihm herausgegebenen sogenannten Disteli-Kalender. Auf
geistvolle Weise handhabte er hier die scharfe Waffe der
Karikatur und griff lebhaft damit eiu in die politischen
und religiösen Kämpfe, welche die Schweiz in Lamaliger
Zeit bis in ihre Grundfesten erschütterten. Malen konnte
Disteli nicht; genau genommen kann man auch kaum sagen,
daß er zeichnen konnte, d. h. korrekt zeichnen; es fehlte ihm
eben an aller strengeren künstlerischen Durchbildung. Sei-
nen Kompositionen mangelt Ruhe und Klarheit der An-
ordnung, dem Ausdruck das Maß; es fehlt ihm mit einem
Worte Das, was erst den Künstler macht, der Stil. Auch
bei erusten Gegenständen streift er durch die Ueberfülle
der Figuren, die Uebertreibung in den Motiven bisweilen
hart an die Karikatur; er übertyrannt den Tyrannen. Auch
giebt er HLufig komische Episoden, wo sie nicht hingehören,
bringt in historischen Darstellungen ganz moderne Figuren
an, so daß der Gesammteindruck, durch diese Auswüchse
eines ungezügelten Dilettanlismus, selten ein völlig reiner,

nngetrübter ilt.

Bleibt somit Disteli, mit strengem Maßstab gemessen,
immer nur Dilettant, so ist er doch ein ursprüngliches
Talent von außerordentlicher Kraft. Es liegen uns Zeich-
nungen von ihm vor, iusbesondere Schlachtensceneu, die
von ungemeiner Lebendigkeit, großem Reichthum au an-
ziehenden Einzelheiten und packender Gewalt des Aus-
drucks sind. Umsomehr beklagt man, daß diese seltene
Begabung nicht geschult wnrde unter streuger Leitung und
sein reiches Können nicht zur rechten Ausbilduug kam. —
Disteli war hier als Zeichenlehrer angestellt; er starb im
Jahre 1844.

Gegenwärtig wirkt als Lehrer an der hiesigen Kanton-
schule Gaudenz Taverna aus Graubündten.

Gewöhnlich pflegen bekanntlich unsere jungen Küustler
ihre erste Ausbilduug auf einer deutschen Akademie zu
erhalten und erst später nach Jtalien zu gehen. Und das
ist auch das Rechte. Taverna schlug den umgekehrten Weg
ein; er pilgerte sogleich zu Anfang seiner Laufbahn nach
dem Lande der Sehnsucht aller jungen und alten Künstler
(sofern sie nämlich echte Künstler sind) und begann seine
Stndien anf der Akademie San Luca in Rom. Darauf
arbeitete er längere Zeit hindurch in dem Atelier und
unter der Leitung des damals sehr geschätzten italienischen
HistorienmalersAgricola. Taverna's römischeTagefielen
noch in die gute klassische Zeit, als der alte Koch noch
lebte, mit dem er häufig verkehrte; iusofern ist er von uns
Jüngeren zu beueiden, die den Alten nur aus seinen Wer-
ken kennen.

Nach mehrjährigem Aufenthalt in Nom ging Taverna
in Begleitung eines ihm befreundeten englischen Malers,
Word, der später in seinem Baterlande berühmt geworden
ist, auch bei der Ausmalung der Parlamentshäuser mit
thätig war, nach München. Auch dort traf er zu einer
Zeit ein, wo noch die klassische Luft wehte und Werke „für
Jahrhunderte" geschaffen wurden. Cornelius nahm sich
des jungen Künstlers freundlich an und öffnete ihm auch
die Pforten seines Hauses. Taverna sah dem großen
Meister öfters zu, wenu er am Weltgericht malte. Das
kann uns Menschen der Gegenwart auch nicht mehr be-
gegnen, wenn wir heutigen Tages nach München kommen!

Taverna ist ein unermüdlich vorwärtsstrebender fein-
fühlender Künstler; es liegen einige anerkennenswerthe
Leistnngen seiner Hand vor. Leider ist sein schvnes Talent
nicht zu voller Entwicklung gekommen. Ohne Berkehr
mit andern Kunstgenossen, ohue Auschauung großer Vor-
bilder, im Drange der oft mühseligen Arbeiten des Be-
rufes und vielfach in Anspruch gcnommen von Beschäf-
tigungen nicht eigentlich künstlerischer Natur ist er später
wenig mehr zum Malen gekommen. Es geht ihm eben,
wie es so vielen Andern ergangeu ist, — Künstlers Erden-
wallen.

Einer trefflichen Eigenschaft Taverna's mnß ich
jcdoch hier uoch gedeuken. Wir, d. h. wir Freunde dcr
 
Annotationen