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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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https://doi.org/10.11588/diglit.4914#0181

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Ein Bild, das man sich zn ewigem Genusse in sein Wohn-
zimmer HLngen möchte, ist es nicht, aber trotzdem in seiner
' Art sehr anziehend.

Bei A.A. Childs L Co. war zu sehen: „Ein Wasser-
fall" von Alexander Wust, demselben deutsch-amerikani-
schen Küustler, welcher vor ein oder zwei Jahren auf
europäischen Ausstellungen zwei Medaillen durch seine
Wasserfallbilder errang; ein recht schönes Bild von Geo.
L. Brown: „Ansicht in Venedig, Mondschein"; „der
Wald von Foutainebleau" von dem ebenfalls deutsch-
amerikanischen Maler Paul Weber, cin wunderschönes
Bild, voll poetischer Stimmung, nur etwas grau und kalt,
und eine prächtige Ansicht des „Mount Adams, in den
weißen Bergen", von dem vortrefslichen Landschafter
Thomas Hill.

Die 45. Jahresausstellung des „Boston Athenaenm",
welche aus Bildern besteht, die theils der Gesellschaft ge-
hören, theils von Privatleuten geliehen, theils von Künst-
lern eingesandt worden sind, bringt unter vielem Alten
manches Neuc und anch einiges Gnte. Jch beschränke mich
auf die Erwähnung eines einzigen Bildes, einer Einzel-
figur des amerikanischen Malers Hamilton G. Wilde,
uud ich zögere nicht, von diesem Bilde zu sagen, daß es
das bestgemalte Figurenstück sei, welches ich je von einem
wirklich amerikanischen Maler gesehen habe. Es stellt die
zauberkundige Königin in der Geschichte des Köuigs der
schwarzen Jnseln (aus 1001 Nachtj dar, wie sie im Begriff
steht, die Besitzungen dieses Königs zu vernichten. Jn der
Hand hält sie den schwarzen Zauberstab, vor ihr steht ein
Kohlenbecken, auf welches sie eben Specereien geworfen
hat, am Boden liegen Rolleu mit mystischen Zeichen, im
Hintergrunde heben sich einzelne Palmen vom Abend-
himmel ab. Die Zauberin selbst aber ist ein herrliches,
schwarzhaariges, starkgebautes Weib, jeder Zoll eine Kö-
nigin, kräftig und in bestimmten Umrissen gezeichnet uud
äußerst sorgfältig gemalt, bis in alle Details der verschie-
denen Stosfe ihrer Kleidung, ohne dadurch jedoch die
Wirkung des Ganzen zu beeinträchtigen. Nur eines wäre
vielleicht anders zu wünschen — daß sich nämlich in dem
schönen Gesicht, statt der fast statuarischen Ruhe, etwas
von dem finsteren Geiste zeigen möchte, welcher der dar-
gestellten Situation entspricht.

Anfang des Monats März kam in Newhork der Nach-
laß Leutze's zur Versteigerung, bestehend aus Portraits,
Skizzen, alten Wafsen, Büchern und Stichen. Bei dieser
Gelegenheit haben sich die amerikanischen Künstler selbst
geehrt, indem sie zum Besten der Wittwe circa 20 Bilder
zur Auktion beisteuerten. Es finden sich nnter den Namen
der Geber die bekanntesten unserer Künstler, James M.
Hart, Wm.Hart, Coleman, Whittredge, Mc.Entee,
Darleh, Cropsey, Grah, Guh u.s.w. Unterdendurch-
schnittlich guten Preisen brachte das Bild des letztgenann-
ten Künstlers den besten, nämlich 750 Dollars. — Das

große Leutze'sche Bild, „die Erstürmmig eines Teocalli",
welches sich früher in der hiesigen Athenaemn-Galerie
befand, wurdc vor Kurzem in Newyork auf Auktion aus-
gcboten, konnte aber nicht verkauft werden, da es auf
8000 Dollars limitirt war. — Einem Bericht aus
Washington entnehme ich dic Notiz, daß, nach officiellen
Dokumenten, Leutze für sein Gemälde „Emigration" im
Treppengange des Congreßgebäudes 20,000 Dollars er-
halten hat.

Fräulsin Vinnie Ream, welche es, trotz dem energi-
schen Protest Sachverständiger, möglich gemacht hat, vom
Congreß einen Auftrag für eine Statue Lincoln's zu be-
konimen, ist die erste Zahlung von 5000 Doll. bewilligt
worden, indem sie das Gypsmodell vollendet hat. Verge-
bens protestirte der knnstsinnige Senator Sumner gegen
solche Verschwcndung der ösfentlichen Gelder an ein Werk,
welches das Capitol nur schänden werde. Das Fräulein
erhielt ihr Geld und wird noch weitere 5000 Dollars er-
halten, sobald sie ihre Statue ausgehauen hat.

An diese Angelegenheit schließt sich passend die fol-
gende Notiz an. als ein Beweis, wie tief hier noch in
vielen Kreisen das Knnstverständniß im Argen liegt. Ein
„Kunsthändler" in Chicago knndigt in einem pomphaften
Circnlar photographische Copien eines Gemäldes: „Mama
ist im Himmel" an. Gegenstand: drei oder vier unglück-
liche Würmer liegen in der unteren Hälfte des Bildes auf
einem Sopha und auf dem Boden herum; im oberen
Theile erscheint eine sliegende Gestalt — die Mama im
Himmcl. Das Cirkular besagt, das Oelgemälde sei nach
einer Photographie gemacht und da schon öfters Erstaunen
geäußert worden sei über den Trimnph, welchen die Pho-
tographie in der Wiedergabe einer so complicirten und be-
wegten Gruppe gefeiert habe, so werde die Erklärung des
eingeschlagenen Verfahrens hiermit gegeben. Es folgt uun
ein Brief des Photographen, welcher anszugsweise, aber
wörtlich, also lautet: „Sie wünschen zu wissen, wie ein
solches Bild photographirt werden konnte. Bon jedem der
einzelnen Kinder habe ich viele Negative genommcn. Bei
dem einen wurde das Hauptüugenmerk auf die Stellung
des Kopfes uud den Ausdruck des Gesichtes gerichtet; bei
einem anderen richtete sich die Aufnierksamkeit anf die eine
Hand; bei einem weiteren auf die andere; in noch weiteren
auf wiederum andere Theile u. s. w. Nachdem alle Theile
zur Zufriedenheit aufgenommen waren, wurden sie sammt
und sonders auf die gleiche Größe gebracht, diejenigen
Theile aber, wclche zu dem Bilde paßten, wur-
den ausgeschnitten und geordnet und dann das
Ganze auf die Leinwand übertragen."

Von diesen Zeichen künstlerischer Barbarei wendet
man sich mitVergnügen ab, mn sich an ihren Gegensätzen
zu erfreuen. Und diese finden wir in der Freigebigkeit,
mit welcher wohlhabendeAmerikaner nicht selten bereit sind,
 
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