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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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Die Ausstellungen in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.4914#0187

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186

Knaus, Vautier, Paul Meyerheim u. s. w. kommen
hierdurch vollständig um ihre Wirkung. Wenn der in den
letzten Tagen ventilirte Vorschlag, das große „Sympo-
sion"von Anselm Feuerbach aus dem Mittelsaal in den
Transept hinauszuhängen, zur Ausführung kommeu sollte,
so wäre damit Platz gewonnen, um dissen Fehlgrifs wieder
gut zu macheu.

Auch mit der Zusammensetzung der Jury ist mau im
Publikum wie in Künstlerkreisen nicht einverstanden. Ge-
gen die Persönlichkeiten als solche wird wohl Niemand
etwas einwenden?) Aber der Grundsatz, nur Münchener
in die Jury zu wählen, ist denu doch bei einer internatio-
nalen Ausstellung etwas sehr sonderbar. Bei ihrem ersten
Zusammentreten hat die Jury den löblichen Beschluß ge-
faßt, die Mitglieder derselben weder an der Konknrrenz
sür die vorzuschlagenden Auszeichnungen und Preise nock
bei den Erwerbungen von Kunstwerken aus dem Erträg-
nisse der verkauften Loose sich betheiligen zu lassen. Wir
wollen hoffen, daß darauf in einer der nächsten Sitzungen
der Beschluß folgt, die Jury durch Cooptation einer An-
zahl hervorragender nicht-bayerischer Künstler zu ver-
stärken.

Den dringendsten Einwand aber erheben wir gegen
den Katalog. Schon das war ein Verstoß gegen die
Rücksichten, die man dem Publikum schuldet, daß der
Katalog erst eiue volle Woche nach Eröffnung der Ans-
stellung zum Vorsckein kam. Wenn man ihn dock
nur in „provisorischer" Form herausgeben wollte, wie es
geschehen ist, so hätte man dies gleich am ersten Tage
thun können. Statt dessen ließ man die wißbegierigen
Besucher der Ausstellung gerade in der ersten Woche nach
der Eröffnung, die gewiß nicht die wenigst besnchte ge-
wesen ist, führerlos unter der Masse der zur Schau ge-
brachten Herrlichkeiten umherirren und bietet ihnen auck
jetzt nicht nur einen unvollständigen, sondern — was noch
schlimmer ist — einen fehlerhaften und für die eingehende
Betrachtung der Objekte ganz unbrauchbaren Katalog.
Nicht einmal die Namen der deutschen Meister sind mit
einigerKorrektheit gedruckt, indenen derAusländerwimmelt
es von den lächerlichsten Entstellungen, und auch die Ge-
genstände der Bilder sind oft bei ganz alltäglichen Stoffen,
z. B. Scenen aus Klassikern, verkehrt angegeben. Wie
steht es da um die vielgerühmte Leutsche Gründlichkeit?
Wenn das Komits, wie zu gewärtigen ist, eine neue revi-
dirte Auslage des Katalogs veranstaltet, so bitten wir
auch um ein Namenregister. Das eingehende Studium
der Ausstellung wird durch Kataloge ohne Register, na-

Mitglieder der Jury sind: Pros Ed. Schleich als Vor-
stand, Prof. Knoll als Schriftführer, Oberbaurath Ziebland,
Prof. Frhr. v. Ramberg, Prof. Widnmann, die Maler Viktor
Müller, Linbenschmit, Fr. Voltz, Wilh. Dietz, Ebert, Rein-
hardt, Seb. Zimmermann und Kupferstecher Preisel.

mentlich wenn sie an und für sich so miserabel sind wie
dieser, einfach zur Unmöglichkeit gemacht.

Der Gesammtcharakter der Ausstellung entspricht voll-
kommen dem allgemeinen Zustande der Gährung nnserer
Zeit. Nicht nur die Romantik, sondern auch die realisti-
schen und naturalistischen Tendenzen der letzten zwei De-
cennien sind in der Auflösung begriffen. Eine herrschende
Richtung läßt sich nicht erkennen. Jndessen ist soviel klar,
daß die bedentenderen Maler der jüngeren Generation im
Anschluß an die großen Koloristcn der Vergangenheit
immer entschiedener nach der Verwirklichung specisisch
malerischer Jdeen ringen. Dies gilt insbesondere von
der deutschen Kunst und benimmt ihr mehr und mehr das
frühere in sich abgeschlossene nationale Gepräge. Talente
von bahnbrechender Gewalt oder Schöpfungen, welche
uns bereits anerkannte Meister auf einer bisher noch nicht
erreichten Höhe der Entwickelung zeigten, haben wir nicht
wahrgenommen. Dagegen setzte sich in mancher hervor-
ragenden Erscheinung der Wurmfraß der Originalitäts-
sncht und einer falschen Sinnlichkeit fest, und gerade die
feinsten und strebsamsten Naturen sehen wir vielfach der
Manier und dem sruchtlosen Experimentiren verfallen.
Unläugbar gesünder, wenn auch nicht minder eklektisch und
zerfahren, sind Plastik und Architektur, und in der Ab-
theilung der vervielfältigenden Kunst macht sich die er-
freuliche Thatsache geltend, daß man dem übermächtigen
Andrange der industriellen Reproduktion, insbesondere der
Photographie, durch Hebung und Förderung der edlen
Künste des Grabstichels und des Holzschnittes wieder mit
Bewußtsein und nicht ohne Erfolg entgegen zu arbeiten
beginnt. Auf diesen Gebieten dringt ebenfalls der male-
rische Zug der Zeit mehr und mehr durch. — Arbeiten,
welche in strenger Zeichnung und Charakteristik ihr Ver-
dienst suchen, gehören anch hier zu den Ausnahmen. —

Die am 21. Juli eröffnete Ausstellung von Werken
älterer Meister umfaßt der Zahl nach kaum den zehnten
Theil des Jnhalts der internationalen, macht dieser aber
durck die Qnalität des Ausgestellten eine gefährlicheKon-
kurrenz. Die werthvollsten Beiträge haben Hr. Suer-
mondt in Aachen, die Fran Prinzessin Karl von
Hessen und Frh. v. Holzsch uh er in Nürnbergzugesteuert.
Letzterer stellte u. A. Dürer's Portrait des Hieronymus
Holzschuher, Frau Prinzessin Karl die vielbesprochene
DarmstädterMadonna von H. Holbein, undHr.Suer-
mondt eine Auswahl der Schätze seiner Galerie aus, von
denen wir hier nur das männliche Portrait und die kleine
Madonna inder Kirche von Jan van Eyck, zwei männ-
liche Bildnisse von Holbein, die Studie zn dem Engel-
sturz von Rubens, die köstlichen kleinen Landschaften,
von den beiden van der Meer, Jakob Ruysdael, A.
van der Neer, die beiden Stifterportraits von de Key-
zer, einPortraitvonVelazguezund zwei Rembrandt's
I namhaft machen wollen. Auch andere hiesige und sonstige
 
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