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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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196

gegen ein Kolorit der Manier." Hat er sich warnen lasscu?
Oder klingt das nicht vielmehr wie eine von binnnelnder
Schönrednerei befreite Charakteristik Hildebrandt's selbst?
Hätte dieser unter seinem Nachlaß gleich Turner ein Bild
bezeichnen könncn, das mit Ehren einen Platz neben Claude
Lorrain behauptete? Doch es ist wohl zu viel, überhaupt
vorauszusetzen, daß Herrn Eckardt von Turner niehr als
der Name bekannt geworden.— „Wie er überhaupt inder
Skizze immer am mächtigsten ist," — daher eben die Vor-
züglichkeit seiner Aquarellen, dic nichts weiter zu sein brau-
chen, und die Nnzulänglichkeit seiner Gemälde, die mehr
sein wüßten! — „bleibt er auch mit manch späteremOel-
bilde hinter der auf der Reise rasch geschaffenen Aquarelle
zurück und vermag hier die zarten Nuancen des Himmels
und des Wassers nicht ähnlich wiederzugeben." Sehr
wahr; aber von solchem Künstler mackt man doch nicht
solch Aufheben, als hätte er die Kunst aus dem Nichts ge-
schafsen und auf seinen Schultcrn zu schwindelnden Höhen
der Vollendung emporgetragen! — „Sie (die Riesenan-
sicht Madeira's) erhebt sich freilich nicht über die Vedute
und hat ihren Werth nur in der Technik." Kleinigkeit!
Und auf wie viele seiner Bilder paßt das Urtheil nicht? —
Dergleichen bedenkliche Koncessionen, die Hufschläge gleich-
sam, mit denen der Hippogryph des Lobredners gelegentlich
den Boden der Wirklichkeit berührt, müssen alsbald wieder
ausgeglichen werden, So heißt es denn: „Er war der
Maler des Lichtes. Schon die alten Arier — sahen die
Gottheit im Lichte." ^— Darauf eine gelehrt scheinende
Notiz aus der Sprachvergleichung; denn so etwas macht
Wirkung! — „Daher zog es den Meister Hildebrandt
zum Lichte." — „Essekthascherei nannten sie oft, was
— Sie sehen -— aus heiligsten Quellen kam. Sie mein-
ten, er kokettire mit dem Lichte, und er betete zu ihm..."
(siv!) Sonst hält man allerdings im Allgemeinen dafür,
daß der Standpunkt der Feueranbeter kein hoher und
zweifellos ein überwundener ist. Jedenfalls hat Hildebraiidt
die Wahrheit des Goethe'schen Sinnspruches an sich er-
fahren: „Anbete du das Feuer hundert Jahr, dann fall'
hinein, dich frißt's mit Haut und Haar!" — Bald lesen
wir: „Seine Technik schreitet bis zumletztcn Werke fort."
Jst doch nur in sehr bedingter Weise wahr! „Während
er früher tiefdunkle Stellen, namentlich Vordergründe
brauchte," — d. h. natürliche und erlaubte Mittel anwen-
dete! -— „um mit seinem Lichte zu wirken, bedarf er später
hierzu immer geringerer (!!) Mittel und weiß noch im
Schatten das Licht spielen zu lassen." Das thaten nun
freilich die sogenannten Meister des Helldunkels auch schon;
nurhatten sie auch Schatten, während Hildebrandt seinem
Lickte alle Gegenstände desAnstoßes aus dem Wege räumte
und damit anch die Schatten los wurde. -— „Er hat das
Universum nicht ohne Weihe, aber auch nicht straflos ge-
sehen." „Jmmer mehr drängte es ihn, fait sieberhaft, die
Natur in ihrer Ganzheit zu erfassen. Mit diesem Zuge
desKünstlers korrespondirt nur der Zug der ganzen leben-
den Menschheit, die Erde mit eisernen Schienen und mit
dem beflügelten Drahte zu umspannen, den Begriff der
Ferne zu vernichten." (Das tsrtium oompnrLtioni8 nach-
zuweisen, wäre wohl einer zierlichen gelehrten Anmerkung
wertb gewesen!) -— „Aehnlich schwebt ihm der Kosmos
als Stoff vor, das Ganze der Erscheinungen, nicht die
einzelnen." „Nicht weil er den Baum etwa nicht zeichnen
könnte ^— er bewies es in seinen Studienblättern (was?) —
oder weil er das Einzelne mißachtet — er that es nie."

Und da Herr Eckardt bekanntlich nie Redensarten macht, so
ist das Alles richtig und schlagend! — „Aber was ist ihm
dieses Einzelding, wenn er ein Stück Weltall, wie Kaul-
bach ein Stück Weltepoche, in seinen Rahmen zwingen,
uns in die Stimmung, dem Universum gegenüber zu
stehen, versetzen will?" Man wird sich diese zur rechten
Zeit beigefallene Parallelisirung mit Kaulbach gefallen
lassen, daraus den Schluß ziehend, daß das vorgebliche
Ziel Hildebrandt's ebenso unmöglich, weil unmalerisch
gewesen, wie das Kaulbach's, und daß gewisse Leute mit
demselben wohlgekräuselten Floskelkram alle möglichen und
unmöglichenWundcrdingein seineLandschaftenhineinreden
können, wie in Kaulbach's gemalte Kulturgeschichte der
Menschheit. — „Er sagte ausdrücklich: Die Natur im
Einzelnen nachahmen kann auch die Photographie. Was
kann da die Landschaft noch? Sie muß auf das All blicken.
So lehrte er. Freilich ein Ziel, das auch zum Scheitern
führen kann." Weiß Gott, wir haben's erlebt! Und wo-
hin kann eine solche fixe Jdee denn sonst noch führen?
Wohin anders hat die verwandte Richtung einen Kaul-
bach geführt? Die Landschaft hat die Natur nachzu-
empfinden nnd nachzubilden, um sich über die Photo-
graphie zu stellen, die sie — noch dazu ohne Farbe —
blos nachahmt. Aber Stimmung nndKomposition waren
Hildebrandt's schwächste Seiten. — „An das All erinnert
am ehesten das unendliche Meer, die weite Ebene, die
Welt des Lichts. Der Wald verengt (!), und der einzelne
Baum hemmt den in die Ferne fliegenden Blick." Als
wenn die Nähe nicht auch zum All gehörte und es ahnsn
ließe, und als wenn die weiteste sichtbare Ferne nicht noch
immer nur ein beschränkter Bruchtheil des Alls wäre!
„Während andere Maler den Baum leicht und schlank
halten, dadurch aber ihre Luft schwerer machen (?!), läßt
der spätere (?) Hildebrandt eher den Baum, wenn er
ihn nicht vermeiden kann (sio! Den Bamn zu vermeiden,
als das Jdeal eines Landschafters! Herr Eckardt ist näm-
lich auch Urhebcr eines eigenen Systems der Aesthetik;
man denke!), schwerer erscheinen, um der goldigen Luft das
Leichte in verstärktem Maße zu geben." Armer Kopf, halte
noch ein Wenig aus! Wenn die Leute erst auf dem Kopfe
gehen, dann wird das vielleicht ihre Logik sein. Die „an-
deren Maler" machen, wie ich bemerkt zu haben glaube, Luft
und Bäume, wie sie sie in der Natur sehen, jene durchsichtig,
ungreifbar, klar, diese in fester, solider, wenn auch graziöser
Form und als widerstandsfähige Masse. Hildebrandt
thürmt seine Luft aus Farbenbergen auf und macht sie da-
durch massiv. Da bleibt dann kaum ein Ausweg, als die
irdischen Gebilde auf die soliden Formen von Hauklötzen
oder Prellpfählen zurückzuführen. Oder vielmehr, mn aus
diesen trübseligen Versuchen, den Widersinn in Sinn zu
verkehren, herauszukommen: Die „anderen Maler" fassen
wie Männer die Welt der Erscheinungen iu's Auge, um
durch ihre Form in ihre Seele zu dringen. Hildebrandt
starrt wie ein Kind in das glänzende Licht und weiß von
den Dingen weiter nichts, als was das geblendete Auge
durch die Nachbilder der Sonne hindurch an phantom-
artig erscheinenden und wieder verschwindenden Form-An-
deutungen weit mehr als Formen erkennen kann. —- „Jn-
dem er aufdas Ganze sah, stellte er auch das Einzelne nur so
dar, wie es nach optischen Gesetzen (welchen, wenn's er-
laubt ist? Vielleicht beruhen auch diese gar auf „theosophi-
scher" Grundlage?!) im Ganzen erscheint: nachdem er es
zuerst ganz genau gemalt hatte, machte er es später in dem
 
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