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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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Kunstindustrielles aus München , [1]
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stechen dürch die grelle und doch verwaschene FarLe nnd
den süßlichen Charakter der figürlichen Kompositionen
unvortheilhast von den Swertschkoffschen ab. Jn orna-
mentalen Mustern leistet noch das Erträglichste die An-
stalt der Gebrüder Dar6e in München.

Zu einer wahrhaften Großindustrie wurde hier die
Photographie, namentlich durch den erfinderischen Albert
nnd durch die rührige Berlagsthätigkeit Bruckmann's ent-
wickelt. Sie drängte sich in alle möglichen Gebiete des
Kunst- und Buchhandels ein nnd beengt die Lebenssphäre
der vervielfältigenden Künste mehr und mehr. So ist die
in München erfundene nnd zu so achtungswerther Höhe
gediehene Lithographie hier jetzt gänzlich in Schatten ge-
stellt, und auch im Holzschnitt wird außer den bekannten
trefflichen Arbeiten der Firma Brann und Schneider im
Großen wenig Erhebliches geleistet. Die nen erfundene
Albertothpie ist auf der Ausstellung u. A. dnrch ein großes
Blatt nach Benno und Emil Adam: „Jagdgesellschaft
zu Pardubitz" (Oelgemälde im Besitze der Frau Fürstin
Kinsky) repräsentirt. Der Abdruck hat einen angenehmen
getuschten Tvn, die Wirkung ist jedoch keine ganz harmo-
nische; die Lichter sind vielfach zu grell, die Schatten oft
ganz undurchsichtig, am bcsten der sehr duftig und fein
äbgetönte Himmel und die Landschaft. Von den übrigen
photographischen Anslagen sei hier nur noch der ausge-
zeichneten Leistungen Böttger's nach Münchener Ban-
werken und Skulpturen der GlyptothekErwähnung gethan.

Die Knnsttischlerei nnd die mit ihr zusammenhängen-
den Zweige der Bildschnitzerei nnd Ornamentbildnerei
lagen hier lange Zeit ganz danieder. Neuerdings ist aus
den Malerateliers die Vorliebe für kostbare Renaissance-
Möbel auch in das größerc Publikum gedrungen und hat
zu mancherlei Nachahmungsversuchen angereizt, von denen
uns einige Ergebnisse vorliegen. Die gelungensten sind
vonAnton Pössenbacher, mitVergoldungenvonRad-
spieler. Auch Drechsel nnd Joh. Waldmüller lie-
ferten einige hübsche geschnitzte Verziernngs- und Möbel-
Stücke dieser Art. — Ansprnchsloser und jedenfalls billiger,
wenn auch in mancher Beziehnng roh nnd nnr für sehr
kleine Verhältnisse berechnet sind die Möbel nach Zeich-
nnngen des Architekten Mecklenburg, aus hellem Holz
mit Bemalung und einfach ausgesägten Ornamenten.

Ueber die Lederwaaren von Schöllhorn, die Glas-
arbeiten von Maurns und andere vereinzelte tüchtige
Leistungen des Kunstgewerbes eile ich mit Mchtiger Er-
wähnung hinweg, um etwas länger bei den für Kunst-
schulen sehr beachtenswerthen Zeichenvorlagen von Jacob
Filser zu verweilen. Es sind dies Naturabgüsse in
Gyps nach allen möglichen Pflanzenarten und Blättern,
welche in der Ornamentik Berwendung finden, von voll-
endet scharfer Ausführung, übersichtlich geordnet und
außerdern noch einmal photographisch reproducirt. So
bequem die Vorlagen in letzterer Form auch sein mögen,

besonders für die Versendung, so entschieden geben wir
doch den Abgüssen selbst den Vorzug vor den Photogra-
phien. Denn eben das Studium der Naturforrn in ihrem
vollen plastischen Wuchs mit allen feinen Wendungen und
Unregelmäßigkeiten ihrer Gestaltung soll durch diese Ab-
güsse möglich gemacht werden, und gerade hiervon ver-
sprechen wir uns für den Zeichenunterricht auf Kunstge-
werbe- und Architekturschnlen den besten Erfolg. So hat
z. B. Direktor Hermann Dyck dasselbe Verfahren in der
hiesigen Kunstgewerbeschule und in seiner früheren Stel-
lung an der Zeichenschule des Vereins für Ansbildung
der Gewerke schon seit längerer Zeit angewendet und da-
durch einen frischeren Zug in die jüngere Generation der
Musterzeichner und Ornamentbildhauer hineingebracht.

Dies führt mich auf die Ausstellung der Knnstgewerbe-
schule, welche im früheren Treppenhause der vereinigten
Sammlungen am Hofgarten veranstaltet ist und die ver-
schiedenen Unterrichtszweige der Schule (Zeichnen, Deko-
rationsmalen, Modelliren u. s. w.) umfaßt. Hier ist unter
H. Dyck's Leitung durch eine Anzahl tüchtiger, meistens
jnngererLehrer,wieFr.Miller, Em.Lange, A.Spieß
u. A., wenigstens der Anfang dazn gemacht, durch das
Studinm der klassischen Muster des Alterthums und der
Renaissance und durch Anschluß an gcwisse im Volke wur-
zelnde Gewerbsarten eine gesundere Richtung des orna-
mentalen Stils anznbahnen. Eugen Neureuther's
originelles Talent für zierliche, phantasievolle Dekoration
von Jnnenräumen findet hier seine fruchtbare Verwen-
dung. AnderebewährteKräfte, wie Seeberger,Echter,
Otto, stehen ihm zur Seite. Unter den Leistungen der
Schnle, welche die Ansstellung darbietet, heben wir her-
vor: die ebenso stilvvllen wie reizenden Muster für ober-
bayerische Holzindustric, geschnitzte Ornamente mit far-
biger (blauer, rother u. a.) Grundirung, meistens nach
uralten teptilen Motivcn; ferner sehr schöne in Gyps
modellirte und in Bronze getriebene Ornamente, im grie-
chischen und im Renaissance-Stil, von scharfer und frischer
Behandlungsweise; sodann verschiedene kleinere Geräthe
mit Email und ciselirten Figuren; ein Kästchen mit Holz-
intarsia und slachen Reliefs; endlich eine größere Wand-
dekoration, hübsck erfunden, aber zu blaß und schwächlich
in der Farbc. Dieser Mangel einer gesättigteren nnd
reicheren Farbenempfindnng macht sich überhaupt in den
ornamentalen und kunstgewerblichen Leistungen der Mün-
chener Schule noch immer in empsindlicher Wsise geltend-
Die Kritik hat schon wiederholt darauf hingewiesen und
die Muster aus alter und neuer Zeit namhaft gemacht.
Aber der Sinn dafür scheint hier noch zu schlummern.
Auch was am Aeußeren einzelner Münchener Neubauten
an farbiger Dekoration sich sindet, zeigt mit wenigen Aus-
nahmen immer wieder die alten herben und kalten Töne,
denen jeder Glanz und Schmelz der Wirkung abgeht.

(Schluß solgt.)
 
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