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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 4.1869

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https://doi.org/10.11588/diglit.4914#0206

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dergegeben, alle diese Eigenschaftcn einer natnralistisch
gehaltenen Landschaft konunen auch dort in maßvoller
Weise zur Verwendung und umkleiden die strenge Schön-
hcit der Formen mit lebendigem, srischem Hauche. Umge-
kehrt lassen auch die anscheinend ziemlich getreu gehaltenen
Porträtlandschaften Schirmer's in der Haltung ihrer
Hanptmassen den großen Stilisten erkennen. Schirmer's
Richtung lebt in A. Weber (Dnsseldorf), Max Schmidt
u. A. fort. Jm Ganzen aber hat sich unsere Landschafts-
malerei der entgegengesetzten Aufgabe zugewandt, die
augenblickliche Erscheinung der Natur in ihrer beschränk-
teren, dafür aber auch desto unmittelbareren Wirkung
aufzufassen. Sieht man nun auf diese hier aufgestellten
Studien, so überrascht es wirklich, wie sie an Frische und
Naturwahrheit mit dem Besten sich messen können, was
die heutige, an Detailstudium reiche Landschaftsmalerei
hervorbringt. Auf einen umfänglichen Vorrath an Skizzen
durfte man wohl bei Schirmer gefaßt sein; aber ein so
in's Einzelne gehendes Studium, wie es hier sich osfen-
bart, ist erst recht geeignet, den Blick für die Schönheiten
seiner Bild er zu schärfen, die hohe Achtung vor ihrem
Meister, wenn es möglich, zu steigern. Jch spreche hier
zunächst von den Oelskizzen, und unter diesen scheinen mir
die oft an Ausdehnung geringen Vordergrundstudien die
bedeutendsten zu sein. Ein umgestürzter Baumstamm auf
Waldesgrunde, Farrenkräuter und Moos am feuchten Ge-
stein, ein Felsstück von Zweigen umgeben und dergleichen
höchst einfache Motive sind, — abgesehen von der Wahr-
heit des Details —, von einer Gesammthaltung, von einer
bereits so ansgesprochenen Stimmung, wie sie fast nur als
Wirkungen im Gefolge einer fertigen Landschaft aufzu-
treten pflegen. Ein Theil dieser Skizzen enthält die der
Hauptsache nach fertigen Kompositionen einzelner Land-
schaften; sie sind für die Eigenart des Künstlers bezeich-
nender und nnterscheiden sich nur durch die mindere Aus-
führung von seinen bekannten Bildern, und einzelne da-
runter enthalten biblische Staffage. Jnteressanter für das
Studimn des Künstlers aber sind die Kreidezeichnungen,
welche, gleichwie jene Oelskizzen, die einzelnen Bausteine
seiner Werke uns zeigen. Von den einfachsten Gegen-
ständen und bloßen Plananlagen schreiten sie dann fort
bis zu vollständig ausgeführten Blättern, in denen der
Künstler wiederum fertig uns entgegentritt. Der Zeit nach
datieren die Studien' schon von den ersten dreißiger Jahren
und reichen andererseits bis in die letzteZeit seines Schaf-
fens herunter. Unter den fünf fertigen Bildern befand
sich die bekannte „Grotte der Egeria"; sie ist nebst einem
andern Bilde bereits verkauft; unter den noch vorhandenen
(die sämmtlich 1863 datirt sind) ist das größte ein
„Sturm in der Campagna", vou mächtiger Linien-
wirkung und ebenso entschiedener Stimmung. Die land-
schaftlichcn Bestandtheile sind in großen Mafsen gehalten,
die Details mehr oder weniger nur angedeutet. Jn der

Farbe des Border- und Mittelgrundes herrscht ein war-
nies Brann, im Hintergrnnde das dem Meister eigen-
thümliche Blau. Die Landschaft ist mit einer vouReitern
aufgejagten Büffelheerde staffirt. Weniger alS dic Hälfte
der Fläche dieses Bildes bedecken die beiden andern, eine
„Schweizerlandschaft" (waldiger Höhenzug mit einem
altenThurm und Blick auf LlaueBerge) und eine „Wald-
partie", gleichfalls ausgebirgigerGegend. Dieseletztere
hat besonders schön gezeichnete Bäume und kommt in ihrem
Ausdrucke einer kleinen Zahl bekannterer Bilder am
nächsten, welche die innere Welt, das „Jnterieur", des
Laubwaldes wiedergeben. Doch gehört es der Kompo-
sition nach zu den einfachsten unter diesen, und auck die
Beleuchtung ist ruhiger, kälter, als auf manchen andern
von ähnlicher Haltung. Dem künstlerischen Werthc uach
stehen alle drei Bilder nicht auf derselbe Höhe, wie viele
unter den erwähnten Oelstudien. Jmmerhin aber ver-
dienen sie in hohem Grade Beachtung als nachgelasscne
Werke eines Meisters, von dem fertige Bilder nicht leicht
mehr auf den Markt kommen.

Zum Schluß wende ich mich noch zu zwei andern Bil-
dern, welche kürzlich in Sachse's Salon ausgestellt wurden
und vor den übrigen die Aufmerksamkeit zu fesseln geeig-
net sind. Das eine ist eine mächtige Alpenperspektive
(„Rosenlaui") von A. Jenny, einem Genfer Maler,
der hier zum ersten Male vertreten ist. Gebirgsbach,
Tannen, umgestürzte Stämme und Aussicht in die Gletscher
gehören freilich nicht mehr zu den ungewöhnlichen Dingen,
und selbst an wirklich virtuosen Darstellungen dieser Mo-
tive ist durchaus kein Mangel. Doch ein Bild wie dieses
wird stets seinen besondern Eindruck machen. Es zeigt
großen Wurf und namentlich feine Behandlung der Lüfte
und hat entschieden Manches, was an Calame erinnert,
wenngleich der Weg zu der Höhe, welche jener Name be-
zeichnet, in diesem Bilde noch nicht zurückgelegt ist. -—
Völlig andrer Art ist die noch größere Gebirgslandschaft
von Holzhalb (Zürich), eine Partie aus dem Rhonethale
nnt dem Städtchen Lenk im Mittelgrunde, dahinter die
Gipfel des Walliser Berglandes, welches nördlich das
Thal begränzt. Der Gegensatz dieses Bildes zu jencm
fällt nicht blos mit dem Unterschied von Thal und Hoch-
gebirge zusammen; dcr Künstler hat mit Hilfe der Lokal-
farbeder Felsen und der anmuthig ausgesprochenenArchi-
tektur durch die Beleuchtung seinem Bilde eincn wärmeren
kräftigeren Ton gegeben, als wir ihn an Schweizerlaud-
schaften gewohnt sind. Die Wirknng wird durch die Art
der Pinselführung auf das Beste unterstützt; manches
hätte noch kräftiger hervorgearbeitet werden können. Der
Gesammteiudruck ist ein wohlthuender, besonders des-
wegen, weil die Formen der Alpenwelt hier einmal durch
andere Mittel zu uns sprechen, als durch das vielfach nur
stereotyp anfgebaute Panorama blau-weiß-grüner Farben-
töne, welches gewöhnlich die Anfmerksamkeit und das blos
 
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