Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

DOI article:
Verschiedenes / Inserate
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0056

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
107

Korrespondenz aus Stuttgart.

108

Haltung der Darstellungen höchst anregend zu Ver-
gleichen mit den frnhesten Holzschnitten nnd nament-
lich wichtig für die Geschichte der rheinischen Maler-
schule, deren Bilder laut einer Notiz im Vorworte in
Holzschnittkopien aus vielen Kirchen und Klöstern in
der — gleichfalls vorhandenen — niedersächsischen
Bibel (Köln, Nikvlaus Götz um 1474) auftreten. Leider
wechseln die echten Miniaturen vielfach mit etwa um
die Mitte unseres Jahrhunderts eingemalten, zum Teil
sehr geschickten Fälschungen, die man Lisher nicht er-
kannt zu haben scheint, obgleich z. B. Mvtive aus der
späteren Renaissance, ja Anklänge an Rocoeo darin
vorkommen. Unter den hier auch nicht annäherungs-
weise ihrem Werte gemäß zu besprechenden Prachtwerken
scheint uns die Lübecker Bibel (Steffen Arndes 1494),
mit kostbaren, wohl zweifellos unter niederländischen
Einflüsten entstandenen Holzschnitten, und die bekannte
niit Holzschnitten von Virgil Solis versehene (Frank-
furt 1560) um der vom Meister selbst ausgeführten
Kolorirung willen von besvnderem kunstgeschichtlichen
Jnteresse zu seiu. An bisher nicht bekannten Mono-
grammen und ältesten Holzschnitten dllrfte sich hier
manchcs finden, was bisher unseren Sammlern nicht
zugänglich war.

Noch eiuen Blick auf die Ausstellung des
sächsischen Kunstvereins, in welchem ein vortreff-
liches neues Porträt des bekannten Historienmalers
Gonne von Leon Pohle sich befindet; der Kvpf ist
in Halbprofil, mit schwarzem Filzhut bedeckt, dazu
schwarzer Tuchrock und schwarzer Shlips. Das Ganze
anspruchslos, einfach, aber mit großer Meisterschaft
breit und sicher gemalt, tief und farbig, trotz der Ein-
tönigkeit des Beiwerkes, der Kopf von ebenso frappiren-
der Wahrheit und Kraft in der Modellirung wie von
kecker sicherer Pinselführung, — vielleicht eines Ler
flottesten Werke des liebenswiirdigen Meistcrs und als
solches fllr mich den letzten, in kälterer, glätterer Manier
gemalten Bildern vorzuziehen.

Eine historische Landschaft Vvn Ludwig Richter,
„Genoveva", ein älteres, mit all jener Liebe und Sorg-
falt und jenem poetischen Reiz, welcher dem Altmeister
der Dresdener Schule eigen ist, ausgestattetes Wald-
innere, scheint zum Zweck einer Vergleichung mit dem
gegenüber stehenden Bilde von Prvf. Hofmann, „Leda
mit dem Schwan" auSgestellt zu sein. Dieser Künstler
befindet sich noch in der Behandlung der duftigen Ferne,
der Vertiefung iu das Detail in der etwas sentimen-
talen Auffassung der Natur auf dem von Richter vor-
gezeichneten Gebiete; die nackte, mit vielem Fleiß, doch in
zu blllhender Farbe gemalte, an sich höchst anmutige
weibliche Figur deutet an, wo die Grenzen dieses Gebietes
zu sinden sind. 0. 6.

Stuttgart, im November 1883.

Zum Beginn des Wintersemesters haben der neue,
Direktor derKunstschule, Herr Claudius Schraudolph
sowie Professor Keller, beide bisher in MUnchen
domizilirt, ihre Stellen angetreten. Man darf hoffen,
daß diese gediegenen Kräfte der Schule wieder neue
Lebenskraft einhauchen werden, welche seit dem Rück-
tritt ihres langjährigeu Vorstandes v. Neher etwas er-
lahmt war. Mit Ausnahme des Prof. v. Nustige,
welcher zugleich die Stelle eines Galerie-Jnspektors be-
kleidet und schon seit 1845 an der Schule wirkt, ist
das ganze Lehrerpersonal erneuert und zählt jetzt, außer
den Hilfslehrern für wiffenschaftliche Fächer, einen Direk-
tor und sechs Professoren, während srüher nur vier
ordentliche Professoren eiuschließlich des Direktors an-
gestellt waren.

Unsere vielfach bemängelten Kunstzustände haben
sich dagegen nicht gebessert, und der vor einigen Jahren
gegründete Verein zur Hebung der Kunst hat schon
lange nichts mehr von sich hören laffen. Obgleich die
beiden permanenten Kunstausstellungen, sowie die königl.
Galerieinspektion es sich recht angelegcn sein lassen,
gute Bilder zur Anschauung zu bringen und diese
Ausstellungen auch immer fleißig besucht sind, fehlt
doch das wahre Kunstinteresse, zumal ein solches,
welches auch gerne eiu Opfer für die Kunst bringt und
sich eine Ausgabe gestattet.

Erfreulich ist dagegen der immer größere Auf-
schwung, welchen die Baukunst hier nimmt. Der
Prachtbau der Bibliothek kommt erst jetzt, nachdem das
alte Gebäude entfernt ist, zur vollen Geltung; die
Fundamente fllr den Mittelbau mit der Haupttreppe
werden eben gelegt. Ein weiteres Staatsgebäude für
das zweite Gymnasium ist im Bau begriffen; ebenso
ist der Bau einer neuen Kaserne beschlossen und eine
weitere Kirche für den Stadtteil gegen Cannstatt hin
projektirt. — Der große Bau, welchen ein Kvnsortium
von Kapitalisten an Stelle der Legionskaserne herstellen
wollte und der, neben den Räumlichkeiten für das
Gewerbemuseum und der königl. Centralstelle für
Handel und Gewerbe, namentlich auch eineu großen
Saal sllr Kunstausstellungszwecke aufnehmen sollte, hat
leider die staatliche Genehmigung nicht erhalten.

Der Richtung der Zeit entsprechend, hat man auch
hier sich der Restauration alter Baudenkmale zuge-
wendet. Nachdem schon vor 40 Jahren unter Heide-
loff die altehrwürdige Stiftskirche eine durchgreifende
Restauration ersahren, hat man jetzt auch den Chor,
welcher dieGrabdenkmälerdes württembergischenFürsten-
hauses bewahrt, trefflich erneuert. Die kahlen Wände
erhielten eine stilgemäße Bemalung und die ganze
Ausstattung, Altar, Gestühl, Beleuchtung wurden durch-
weg neu gefertigt, so daß das Ganze jetzt einen höchst
 
Annotationen