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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0104

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203

KunstMeratur.

204

Muse darstellen wollen, die, dem Jrdischen abgewendet,
nur ihr hohes Ziel im Auge, den Wechsel der Zeiten
und Geschmacksrichtungen überdauern wird.

Aus der früheren Zeit des Künstlers stammt die
„Daphne", ein Bild von jener bescheidenen Farben-
gebnng, welche seine Arbeiten für Baron Schack kenn-
zeichnet, und von so goldigem Ton wie der „Pan im
Schilf" in der Münchener Pinakothck. Das Kolorit
ist minder glühend aber harmonischer, als in Bvcklins
neuercn Schiipfungen, und dieZeichnung strcnger, wenn-
gleich etwas verschwommen.

Den Rest der Ausstellung bilden Radirungen und
Photographien, meist aus der Schackschen Galerie, zwei
jedoch nach jüngeren Werken des Meisters. Diese
beiden rühren von einem geistesverwandten Künstler,
dem talentvollen Max Klinger, her, deffen raffinirte
Technik vermöge ihrer farbigen Eigenart die ad-
äguatcste Wiedergabe Bvcklinscher Bilder ermöglicht.
Von ungemein packender malerischer Wirkung ist die
„Burg am Mecr" mit ihrer gespcnstigen Beleuchtnng,
der unvergleichlichen Wiedergabe der dunkelblauen Flut
und der weißen Wcllenkämme, anziehender jcdvch und
von intimstem Reiz der „Sommertag". Wie hier die
glühende Sonnenhitze und zugleich die verlockende Kühle
des flimmernden Baches, die Lust der badcnden Knaben
geschildert ist, das läßt sich nicht beschreiben, nur em-
pfinden, nnd der Besucher der Ausstellung ist froh über-
rascht, gerade dies reizende Blättchen als Beigabe im
Katalog zu finden.

Soll ich nun noch ein Wort über das Publikum
sagen, dns ja eigentlich so nvtwendig zu einer Ans-
stellnng gehört wie die Bilder? Die überwiegende
Mehrzahl der Menschen steht Böcklins Farbengedichten
ratlos gegenüber. Man bespöttelt das tiefe Blau des
Meercs, die unerhörte Originalität der Seegeschöpse
nnd Kentanrcn oder kritisirt Verzcichnnngcn, wirkliche
und eingebildete. Jm besten Fall sind es gemischte
Empfindungen, mit denen man den Saal verläßt. —
Aber ich will damit keinen Vvrwurf gegen die Dres-
dencr lant werden lassen. Das Publikum als solches
ist sich hier wie dort so ziemlich gleich, und es sragt
sich sehr, ob eine geteilte, mit cin klein wenig Ärger
gemischte Bewunderung den Werken eines so eigen-
artigen Künstlers gegenüber nicht beffer sei, als die
bedingungslose Jdolatrie, die beispielsweise in den un-
berufensten Böotierkreisen Berlins mit Böcklin getrieben
wird. Alles -in allem gilt doch auch von seinen
Bildcrn das Wvrt dcs großcn Menschenkenners Fritz
Reuter:

„Wat den Einen sin Uhl is, is den Annern sin
Nachtigal".

Aunstlitteratur.

Melcker, Schillers Schädel und Totenmaske,
nebst Mitteilungen über Schädel und Totenmaske
Kants. Mit einem Titelbilde, 6 lithographirten
Tafeln und 29 in den Text eingedruckten Holz-
stichen. Braunschweig, Friedr. Vieweg L Sohn.
1883. VIII u. 160 S. 8°.

Das Welckersche Buch über Schillers Schädel,
dessen klare methodische Untersuchung und genaue fili-
granartige Arbeit ebenso anziehend wie überzeugend
wirken, hat leider zu einem unerfreulichen, vom Ver-
faffer selbst am wenigsten erwarteten Ergebnis ge-
führt, welches jeden Deutschen tief berührt: der 1826
aus der ursprünglichen Begräbnisstätte entnommene,
dann 1827 in der Fürstengruft beigesetzte Schiller-
schädel, von dem überall Abgüffe verbreitet sind, ist
unmöglich Schiller zugehörig gewesen! Es ist aber
hier weder der Passende Ort noch anch des Referenten
anatomische Kenntnis eingehend genug, die subtilen
anatomischcn Beweise, Messungen und Bevbachtungen,
die der Verfasser beibriugt, zu wiederholeu odcr zu be-
leuchten, — doch möchte ich in diescr Kunstzeitschrift
auf ctliche Puukte hinweisen, welche mir für die bilden-
den Künstler von besonderem Belang zu sein scheinen.
Zunächst aus eine thatsächliche Berichtiguug, welche die
sogen. Schwabe'sche Totenmaske Schillers betrifft, das
Original aller Gipsabgüffe, die sich zur Zeit in öffent-
lichen Sammlungen oder in Privathänden vorfinden:
dieses Origiual ist nicht ein Gipsabguß, sondern ein
lcichtgebrannter Abguß von Thon, welcher hier und
da ungleich geschwunden ist und daher die Verhält-
nisse des Schillerschen Kopfes nicht genau uud unge-
trübt wiedergiebt. Es ist Welckers Spüreifer gelungen,
auf Ler Bibliothek zu Weimar einen Gipsabguß (be-
zeichnet mit „200" in roter Farbe) aufzufinden, der
mit der Schwabe'schen Thonmaske aus derselben Form
stammt, aber genauer und unvcrfälscht die Maße und
Formen vonSchillers Kopfbewahrt hat: diese Weimarer
Maske mllßte fortan überall in Abgiissen verbreitet
werden und allen künftigen Bildungen von Schiller-
köpfen zu Grunde gelegt werden. Letzteres um so mehr,
als eine Vergleichung zwischen der Totenmaske —
sei es der Schwabe'schen, sei cs dem Weimarer Gips
„200" — und den Danneckerschen Büsten — von
denen die eine in Naturgröße und nach der Natur
gearbeitct, eine andere, die Koloffalbüste in der Stutt-
garter Kunstschule, weitaus die bekannteste und be-
liebteste Schillerbüste ist — eine solche Reihe von Ab-
weichungen in Kopfform und Prosillinie ergiebt, daß
von einer eigentlichen Porträtähnlichkeit dieser BUsten
! kaum gesprochen werden kann. So ist z. B. die Nase
f an der Totenmaske 8-förmig gebogen, an den BUsten
 
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