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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

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267

Kunstlitteratur.

268

halb dessen jede geschichtliche Darstellung sofort das
nötige Verständnis fand. Mit der modernen Berall-
gemeinerung des Wissens ist aber auch eine bedentende
Verflachung desselben eingetreten, und es ist schlechter-
dings von keinem Menschen zu verlangcn, einen
bestimmten, dargestellten Vorgang, wie z. B. die
Unterzeichnung des Pilsener Reverses durch die Wallen-
steinschen Offiziere, sofort als eben diesen zu er-
kennen. Jn den allermeisten Fällen wird unbemerkt
ein als Historienbild geplantes Gemälde zune Genre-
bild. Hinwiederum schlagen langatmige Erklärungen,
wie sie in den Katalogen mitunter angebracht werden,
wahrer Kunst geradezu ins Gesicht. Und schließlich,
wer kaust dann das Gemälde, wenn ein ^ünstler wirk-
lich, dem allgemeinen Drängen nachgebend, sich ent-
schlossen hat, seine besten Kräfte an die Bersinnbild-
lichung eines großen historischen Borganges zu setzen?
Ruhelos wandert es von Ausstellung zu Ausstellung,
und der Künstler muß indeffen Hunger leiden. Der
Vorwurf fällt also auf das vicl bcgehrende, aber nicht
kaufende Publikum zurück.

Jm einzelnen ist der Jnhalt in folgender Weise
angeordnet. Nach einer allgemein orientirenden Ein-
leitung über das Verhältnis der Kunst znr Wiffen-
schaft, znm Museumswesen und zum Publikum wird
mit der Architektur begonnen. Die rechtlichen und
sozialen Berhältnisse, wie dic Bildung der Baumeister,
werden eingehend erörtert, wobei dem Berfasser seine tief
eindringenden und sorgfältigen Studien, besonders über
das Mittelalter, sehr zu statten kommen. Darauf wird
gezeigt, in welcher Weise sie arbeiten und wie sie zu
arbeitcn haben; es werden die ltnterschiede in Dekvrativn
und Ornamentik, die verschiedenen Baustile auseinandcr-
gcsetzt, und schließlich wird das Kunstgewerbe behaiwclt,
und zwar Tischlerei, Goldschmiede-, Schlosserkunst,
Zinngießerei, Töpferei, Glasindustrie, Drechslerei, Rot-
gießerei nnd Buchbinderei. Die Abschnitte über die
Plastik nnd die Malerei bringen in gleicher Wcise zu-
nächst Mitteilungen über die Persvulichkeiten, sodann
über die Arbeitsweise der Künstler, um schließlich auf
die verschiedenen Arten der Technik näher einzugehen.
Es sind dies die Bildhanerarbeiten in Terrakvtta, Stein,
Holz, Elfenbein und Wachs, die Glyptik, der Siegel-
schnitt, das Treiben in Metall, der Münzen- und
Medaillenschnitt und der Metallguß. Und weiter die
Historienmalerei, die Porträt-, Genre-, Tier-, Still-
leben-, Landschafts- und Blumenmalerei; die Wand-
malerei, die Stickerei und Weberei der Wandteppiche,
die Miniaturen, die Pastell- und die Stafscleimalerei,
das Mosaik, die Glasmalerei, die gravirten Stein- und
Metallplattcn und das Niellv. Den vicrten Abschnitt
bilden die vervielfältigenden Künste: Holzschnitt, Schrot-
manier, Teigdruck, Grabstichelmanicr, Stich mit der

Nadel, die gepunzte und die pnnktirte Manier, die
Radirung, die Crayvn-, Tusch-, Aquatintamanier, die
Schabkunst, der ältere Farbendruck, der Stahlstich und
der Steindruck. Bei jedem einzelnen Punkte werden
die nötigen historischen und technischen Daten kurz und
verständlich gcgeben, so daß sie für denjenigen, der sich
nicht ganz speziell mit der Sache beschäftigen will, aus-
reichen. Den Beschluß bildet eine Darlegung über
die Bedürfnisse und Erforderniffe zuni Studium der
der Kunstgeschichte, die ganz besvnders eincm dringen-.
den Bedürfnis abhilft und hoffentlich wohlthätig
wirken wird.

Daß bei einer so umfangreichen nnd vielseitigen
Arbcit Versehen (z. B. 1l, S. 143 zu Figur 59) unter-
gelaufen sind, begreift sich leicht. Es macht sich
mitunter eine gewisse Flüchtigkeit in der Stilisirung,
wje in dcn einzelnen Angaben bemerkbar, die zu einer
Reihc rccht unangenehmer Mißverständnisse Anlaß ge-
gebcn hat. Jn einem Buche, wie dem vorliegenden,
das anf den weitesten Leserkreis berechnet ist, ist dic
peintichste Zuverlässigkeit und Gcnauigkeit eine der
Hanptbedingungen. Jm übrigen aber möge der Ver-
fasser versichert sein, daß es der Entschuldigung am
Ende des zweiten Bandes nicht erst bedurfte. Einem
Gelehrten, der ein so glänzendes und bahnbrechendes
Werk, wie das „Höfische Leben znr Zeit der Minne-
sänger", (trotz des unlängst veröfsentlichten absprechen-
dcn Urteils in der „Saturday Revicw") geschricben
hat, wird im Ernst niemand zutrauen, daß er Ghiberti
wirktich für dcn Erbaucr dcr Kolonnadcn vor dcr
Peterskirche in Rvm gehalten. Unter diesen Umständen
noch weiterc derartige Versehen hier anzuführcn, hat
keinen Sinn; in einer neuen Auflage werden sie sich
leicht bescitigen laffen. Wünschenswert wäre z. B. noch
ein Hinweis anf das Unkünstlerische und Unschöne der
Punktirmanier im Kupferstich. Und bei der Darstellung
der Umbildnng der Monumental- in die Kabinetsglas-
malerei hätte des schädlichen Einfluffcs der Erfindnng
dcr Glasemailmalerei gcdacht werden können.

Gcwichtigere Bedenken richten sich gegen die Ab-
bildungen. Unumgänglich notwcndig waren sie, aus
der anderen Seite svllte an dem einmal festgesetzten,
niedrigen Preise festgehaltcn werden: so ergab sich ein
Zwiespalt, dessen befriedigende Bcseitigung nian nicht
erreicht hat. Es ist schmerzlich, gerade in einem Buchc,
das für gute, solide Arbeit und gegen den Tages-
schwindel auftritt, Abbildungen zu begegnen, die durch-
ans fnlsch und irresührend sind und nicht einmal einen
angenehmen Eindruck gewähren. Selbstverständlich gilt
dies wenigcr vom ersten, als Vvm zwciten Bande. Es
ist eben trotz der ungeheurcn Fvrtschritte, die die Technik
in den letzten Jahren gemacht hat, auch heute noch
unmöglich, für dcn Gesamtpreis von einer Mark einem
 
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