Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 19.1884

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5805#0193

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
381

382

Sammlunqen und Ausstellunqen,

Meister, zu deren Vorsührung ja der Salon jedes Jahr Ge-
lsgenheit bietet, hätte wohl gestattet, die Lücken zu füllen,
ois sich bei der Beschränktheit des verfügbaren Raumes nun
w den Reihen der verstorbenen Meister finden; trotzdem
bietet dio Ausstellung auch in der hierdurch bedingten Un-
vollständigkeit großon Reichtum und viel Jnteresse für das
Studium der französischen Kunst vom Beginn unseres Jahr-
hunderts an, — Die Anordnung ist, soweit möglich, in chrono-
logischer Reihe durchgeführt, Der Kunst des 18, Zahr-
hunderts gehören an — und hätten wohl wegbleiben können,
da sie sich in ihrer jetzigen Nmgebung als Anachronismen
ausnehmen — einige interessants Pastellporträts Latours,
einige Greuze, eine Reihe reizender Jllustrationen zu Lafon-
taine's Fabeln und einige andere Skizzen von Fragonard
und zwei Frauenköpfe von Lepeintre, — Erst mit L, David
stehen wir eigentlich auf dem historischen Boden der modernen
Kunst Frankreichs. Er ist ourch eine große Reihe von
Studien, Skizzen und mehr oder weniger ausgeführten
Zeichnungen zu seinen grotzen Gemttlden sowohl, als zu
seinen Bildnissen vertreten. Wir nennen als hervorragendste
die Skizzen zu den „Horatiern" und zu „Hektors Abschied", die
nusgeführte Zeichnung zum „Schwur im Ballsaal", um so
interessanter, da das Gemälde selbst nie vollendet wurde,
mehrere Studien zu den Porträts dieses Bildes, sowie den
Bildnissen Pius' VII., Mr. de Caulaincourts, der Mnrschallin
Soult, Mme, de Valette's u, a, m. Davids unmittelbare
Schüler Girodet, Gsrard und Gros sind nur durch wenige
Nummern ungenügend vorgeführt, um so vielseitiger und
vollständiger dagegen mit fast 40 Nummern Jngres. Wir
finden darunter die Entwürfe zum „Heil. Symphorianus"
zur „Apotheose Napoleons", zur „Verlobung Raffaels" und
einige andere seiner Kompositionen; sodann eine zahlreiche
Folge von Bleistiftporträts, in denen sich die feine Beob-
achtungsgabe, die sorgfältige Zeichnung und scharfs Charak-
teristik des Meisters mehr als in seinen historischen Gemäl-
den zeigt, und von denen wir als die trefflichsten nur jene
der Familie Stamaty, M. und Mme. Bertins, Paganini's,
Mme. de Haussonville's, M. und Mme. Marcotte's erwähnen

— Fast ebensogut ist Delaroche durch eine grotze An-
zahl Studien zu seinen historischen Gemälden repräsentirt,
weniger reich Leop. Robert, Ary Scheffer, Heß und
H. Flandrin, Jn einer zahlreichen Suite von Zeichnungen
mit der Feder, Bleistift, Sepia, dem Pinsel, wird uns
Prud'hon vorgeführt; von seinen Meisterwerken sehen wir
die Entwürfe zur „Entführung Psyche's", „Venus", „Hymen
und Amor", Unschuld und Liebe", „Die Nemesis", „Die
beiden Genien", die Skizzen der Jllustrationen zur „Kunst
zu lieben", zahlreiche Porträtstudien u. a. m, Von Gleyre,
der Prud'hon in vielem ähnelt, aber nicht so gut wie er ver-
treten ist, fehen wir die Kartons zur „Religion", „Spinnerin"
und dem „Forgeron", den seither untergegangenen Fresken
im Schloß Dampierre, Arbeiten seiner ersten Epoche; dann
aus seiner reifen Zeit Studien zur „Omphale", „Eva", dem
„Bad", „Der ruhenden Bacchantin" und „Jeanne d'Arc",
Göricault, der erste und weitaus genialste Vorkämpfer der
romantischen Schule, ist durch eine chohlgewählte und zahl-
reiche Reihe von Arbeiten repräsentirt: die großen Kompo-
sitionen zum „Rindermarkt", und Eourss äs ellsvaux lidrss,
Studien und Zeichnungen zum „Kampf eines Pferdes mit
einem Löwen", „Neger zu Pferd", „Wütende Stiere" und
zum „Schisfbruch der Medusa". Von Delacroix, dessen
Schwäche seine Zeichnungen, dessen Stärke seine Farbenskizzen
iind, wird uns leider nur eine einzige der letzteren vorge-
gesührt, von Decamps drei Aquarellen, aber leider gar keine
seiner großartigen Zeichnungsn, Von Barye sehen wir Ent-
würse zu seinen berühmten Tiergruppen, von Jacquemart
und Regnault reizende Aquarelle, Skizzen von Rousseau
und Corot, die für die Bedeutung der beiden Meister nicht
genügen, Zeichnungen von Brascassat, Bonnington,
Millet, Marilhat, Chasssriau und Fromentin, Kari-
katurskizzen von Daumier und Gavarni, Soldatenskizzen
von Charlet, Raffet, Bellangv, endlich von Architektur-
zeichnungen reizende Aquarelle Dubans und Viollet-le-
Ducs grotzartige Restauration des Theaters von Taormina,

— Von lebenden Meistern nimmt Meissonier mit einer
Menge Zeichnungen das meiste Jnteresse für sich in Anspruch,
oie einen ausgeführte Kompositionen, dis anderen Studien
und Skizzen, die den Weg vom ersten Gedanken bis zum

vollendeten Bilds bezeichnen. — Durch eine Publikation, die
im Verlage von Baschet erscheint und neben phototypischen
Nachbildungen einen biographischen und erklärenden Text aus
der Feder Roger-Balu's bringt, wird die Erinnerung an die
interessante Ausstellung bewahrt bleiben.

V. L, Das Gcmäldc von Hcnri Sicmiradzki, „Die Ver-
brennung des Leichnams eines russischen Häuptlings im
10. Jahrhundert", welchss gegenwäbttg tn Berlin im Kunst-
salon von Emil Ph. Meyer >L Co, ausgestellt ist, wird seittöit
definitiven Platz im historischen Museum in Moskau erhalten,
wo es aber nicht einen Ausstellungsgegenstand bilden, son-
dern, in eine Wand eingelassen, einen dekorativen Zweck er-
füllen soll. Mit Rücksicht auf diesen ist das Gemälde zu be-
urteilen. Da die Wand von einem gegenüber befindlichen
Fenster ein grelles Licht empfüngt, hat der Maler, um die
störende Wirkung der Reflexe etwas zu mildern, daS Bild
in matten Wachsfarben ausgeführt und sich dadurch der Vor-
teile begeben, welche er bisher stets durch sein glänzendes,
saftiges Kolorit erzielt hat, Die koloristische Wirkung des
Bildes ist also außerhalb seines architektonischen Rahmens
und seiner eigentümlichen Beleuchtungsverhältnifse eine wenig
günstige. Auch eine andere Eigenart der Siemiradzki'schen
Kunst, der Reiz des nackten weiblichen Körpers, ist durch
den Gegenstand ausgeschlossen, Mithin ist diese Arbeit so recht
ein Prüfstein für die geistige Kraft des Künstlers, zu welcher
man bisher kein großes Vertrauen gehegt hatte. Dieselbe
offenbart sich zunächst in der Komposition, welche durch ihren
kühnen Aufbau zumeist überrascht, dann aber, wenn man
den Eindruck des Fremdartigen und Abstoßenden über-
wunden hat. fesselt und zur Anerkennung zwingt, Nach einer
brieflichen Mitteilung des Künstlers' ist das „östliche Ruß-
land", also wohl eine Gegend des Wolgagebietes, als Schnu-
platz des Vorganges zu denken, für welchen ihm der arabische
Schriftsteller Jbn Fozlan die ethnographischen Details ge-
liefert hat. Ein am Rande mit altslavischen Ornamenten
bemaltes, mit phantastischem Bugspriet versehenes Fahrzeug
ist auf das Land gezogen und auf einen aus Baumftämmen
errichteten Holzstoß gehoben worden. Auf dem Hinterteile
thront die Leiche des greisen Häuptlings, in gelben Ge-
wändern und von rötlichgelben Decken umgeben. All seine
lebende und tote Habe ist um ihn gruppirt, um von den
Flammen verzehrt zu werden. Auf dem Holzstoßs liegen ge-
schlachtete Pferde und Rinder, und über ihnen erhsbt die
junge Frau des Toten, welche geopfert werden soll, ver-
zweifelnd die Hände. Auf dem Verdecke stehen die grausen
Vollzieher der Opferhandlung, ein wilder Mann und eine
alte Hexs, vermutlich eine Priesterin, mit Beil und Giftbecher.
um die Widerstrsbende zur Ruhe zu bringen. Auf der Erde
sieht man rechts eine Gruppe von drei Klageweibern und
linrs einige Krieger, die sich niedergeworfen haben, und
einen greisen Sänger mit ausgestochenen Augen, welcher die
Saiten seiner Harfe schlägt, Jm Mittelgrunde links bilden
Priester mit Götzenbildern und ein Volkshaufen die Zuschauer.
Vor ihnen steht ein nackter Mann mit einer brennenden
Fackel, der nächste Verwandte des Toten, welcher nach der
Sitte dsn Scheiterhaufen anzünden mutz. Seine Haltung
scheint auszudrücken, datz er nur mit Widerstreben seiner
traurigen Pfiicht folgt. Die Komposition ist von unbestreit-
barer Wirkung, und auch in den einzelnen Gruppen offen-
bart sich eine große Energie der Charakteristik. Aber der
widerwärtige Stoff, welcher der Neigung des Künstlers nur
zu sehr entspricht, verhindert den vollen Genuß dieser Vor-
züge, zumal die Ausführung, namentlich in den nackten Ober-
körpern der Krieger, flüchtiger und roher ist, als es selbst
der dekorative Zweck des Bildes gestattet,

.-V, L. Aus Gurlitts Kunstsälon in Bcrlin. Trotz der
kurzen Zeit ihres Bestehens hat diess permanente Ausstellung
eines strebsamen Kunsthändlers schon zum sechsten Male mit
ihrem Bestande wechseln können, Die Spezialität derselben
ist Arnold Böcklin, dessen neueste Arbeiten stets bei Gurlitt
zu sehen sind. Sie bilden auch neben einigen Bildern aus
der Münchener Ausstellung, welche als bekannt vorauszusetzen
sind („Die Anbetung der Hirten" von W. Diez, „Der Leier-
kastenmann" und „Die Tambourübung" von Fritz Uhde,
„Die Taufe" von dem Neapolitaner G. de Chirico), das
Hauptinteresse der neuen Ausstellung. Es sind diesmal zwei
Gemälde von mittlerem Umfange, deren eines, „Die Toten-
insel", die glänzenden Vorzüge des Meisters — und nur
 
Annotationen