Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (März - September)

DOI Heft:
Nr. 28
DOI Artikel:
Kuhn, Alfred: Hans Thoma: anlässlich der Ausstellung in der Nationalgalerie
DOI Artikel:
Agastya: Indische Kunst und die Antike
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39787#0033

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Indifche Kunft und die Antike

455

Diefe Überwertung der Perfönlichkeit auf Koften der künftlerifchen Tat iß,
wenn man fo will, eine »Schwäche« der Deutfchen. Aber fie muß für den
Hifioriker als Tatfache hingenommen werden,- und wer wollte denn auch im
Ernfi fo eng fein, feinen fchulmeifierlichen Tadelfinn an der geifiigen Ge-
wachfenheit eines ganzen Volkes zu üben?

INDISCHE KUNST UND DIE ANTIKE1)
VON AGASTyA
DAS Studium der hellenifiifchen Kunfi und ihre Bewertung iß von größter
Bedeutung für die Erforfchung der gräko-buddhifiifchen Kunfi von Gan*
dhara und damit auch für das richtige Verfiändnis der Ideale und Ziele der
eigentlichen indifchen Kunfi. Diefe wurde bekanntlich beurteilt oder eher
mißverftanden auf der Grundlage des Maßfiabes, den die Gandhara^Skulp-
turen boten. Die Anfetzung diefes falfchen Maßfiabes hat nicht nur eine
vorurteilslofe Schätzung und ein wirkliches Verfiändnis der Ziele indifcher
Kunft verhindert, fondern fie hat auch für immer die Haltung einer Gruppe
von Forfchern beftimmt, die eine übertriebene Meinung von der Vollendung
helleniftifcher Kunfi hatten, unfähig zwilchen hellenifcher und helleniftilcher
Plaftik zu unterfcheiden. Indifche Archäologen fcheinen zu der fchmerzlich irr-
tümlichen Anficht gelangt zu fein, daß indifche Kunfi die Schülerin der grie^
chifchen gewefen und daß der geringe Wert, den fie befäße, von fremden Ein*
Hülfen abzuleiten fei, daß fie keine Urfprünglichkeit hätte und daß ihre beite
Zeit mit dem Verfall der Gandhara=Kunft zu Ende ginge. Der Idealtyp
des Buddha fei von Fremden gefdhaffen worden, und nach dem Jahre 300
n. Chr. verdiene indifche Plaftik kaum noch den Namen einer Kunft. Erft
nach der Entdeckung der Kunft des Fernen Oltens find die weltlichen Kenner
jn die Lage gekommen, den Wert griediifcher Kunft richtig einzufchätzen.
Erft kürzlich haben fie den Mut gefaßt, fich einzugeftehen, daß der Gipfel grie*
chifcher Kunft lange vor Phidias erreicht war und daß das, was man als
primitive griechifche Kunft anfah, eigentlich klaffifch genannt werden follte.
Als Fergusson <1876), Burgess <1882), Grünwedel <1893) und V. A. Smith
<1889) zum erften Male ihre Anfichten über indifche Kunft ausfpradien
und über ihre angebliche Abhängigkeit von der griechifchen, da hatte ein
kritifches Studium in der Beurteilung der griechifchen Kunft noch nicht ein*
1) Es fchien uns angebracht, dielen Auffatz eines indifchen Verfaflers, wenn auch in
gekürzter Form, hier zu bringen, da er gerade heute bei dem allgemeinen InterelTe für
die Kunlt des Fernen Oltens Aufmerkfamkeit verdient und die fchöne indifche Zeitfchrift
»Rupam«, der er entnommen ilt, wohl nur wenigen Deutfchen zu Gefleht kommen wird.
 
Annotationen