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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (März - September)

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Nr. 29/30
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Mayer, August Liebmann: Bayrische Kunstpolitik und Kunstpolitik des Münchner Herzens
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Literatur / [Notizen] / Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39787#0051

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Literatur

473

Es iß ja nichts Neues feit den Tagen Ludwigs I., daß den Münchnern
alles Gute erft aufgezwungen werden muß. Wie man fich heute damit ab»
gefunden hat, daß König Ludwig die Pinakothek »fo gar weit draußen vor
der Stadt« errichtete, und wie man auf das Prinzregententheater Itolz iß und
auf die Wagner-Fefifpiele, nachdem man einfi das Semperfche Wagnerhaus
vereitelt und Wagner felbß hinausgedrückt hat, fo wird fich das Münchner
Herz fpäter auch einmal über ein ßaatliches Kunfiausfiellungsgebäude im Bo»
tanifchen Garten freuen.

LITERATUR
Wilhelm von Bode, Studien über
Leonardo da Vinci. Mit 37 Ab*
bildungen. Berlin, G. Grotefche Ver»
lagsbuchhandlung, 1921.
Bode hat uns ein neues Leonardobuch
gegeben. Nach einer jahrzehntelangen,
nie ganz unterbrochenen Befchäftigung mit
dem Künltler, die in zahlreichen Artikeln
des In* und Auslandes ihren Niederfchlag
gefunden hat, tritt der verdiente Leonardo*
Forfcher noch einmal mit einem nicht eben
umfangreichen, aber defio inhaltsfdiwereren
Werke über den Künltler hervor, in dem
er Umfchau hält über alle jene vielen
Fragen, welche ihn und die Leonardo*
Forfchung fo manche Jahre in Atem ge»
halten, und in dem er im wefentlichen feine
früheren Refultate, die jeglicher Prüfung
fiandgehalten, beßätigen kann. Mit jener
einfachen, klaren Sprache, die einen fo
wohltuenden Kontra!! bildet zu der fchwülftig
anfpruchsvollen Ausdrucks weife der jüngern
Kunftliteratur, und mit einer Frifche, die
für den nun über 75 jährigen Forfcher ein
menfchlich beredtes Zeugnis ablegt, tritt
Bode an die ihm vertrauten Dinge heran
und läßt an Hand der in fireng chrono*
logifcher Reihenfolge behandelten Werke
des Künltlers Perfönlichkeit vor uns er-
flehen. Die polemifche Grundfiimmung,
die in manchen der früheren Auffätze nicht
gänzlich unterdrückt war, ift verfchwunden.
Mit einer Ruhe und Überlegenheit, welche
dem Forfcher einerfeits die Diflanz von
den Zeiten kleinlicher und hämifcher An-
griffe von zum Teil Unberufenen, ander-
feits aber das fichere Gefühl abfoluter Gel*
tung des perfönlichen Standpunktes gibt,
werden die Fragen abgehandelt. Die

Bilderanalyfen haben im Vergleich zu früher
zwar nicht an Umfang, aber an Prägnanz
der Formulierung, an Reichtum der Be-
obachtung und an Wärme des Ausdrucks,
in dem leife die Liebe zum Gegenffand
eines jahrelangen Verkehrs durchzittert,
gewonnen.
Die Art, wie Bode noch einmal die
Frage des Anteils Leonardos an der
Berliner Auferfiehung behandelt und die
Brillanz, mit welcher er unter einer er-
drückenden Fülle von Argumenten und
Beobachtungen feinen Beweis zu Ende
führt, hat, auch wenn man fich nicht in
allem mit dem Autoren einig weiß, etwas
Faszinierendes. Und ebenfo wird man
dem Abfchnitt über die Florabüfie mit
der Empfindung folgen, daß hier die
Ausführung von einer in Deutfchland
feltenen Kenntnis der italienilchen Kunfl
getragen ifl. Hier wächft die Darflellung
aus dem engbegrenzten Rahmen der Spe-
zialforfchung hinaus und erweitert fich zu
einer univerfellen Kunftbetrachtung, wo
dem Lefer einen Blick zu tun vergönnt
wird in den Jahrhunderte umfpannenden
Geltungsbereich eines Idealtypus, der
letzten Endes auf Leonardo als feinen
Schöpfer und Erfinder zurückgeht, Das
Wertvollfle des Buches aber wird im
Schlußwort geboten, in dem mit einer
fiaunenswerten Kenntnis Leonardos alle
die Quellen, aus denen feine Seele ge»
fpeifl, aufgedeckt, alle Triebkräfte feiner
wunderbaren Entwicklung angedeutet und
die verfchiedenen Seiten feines komplexen
Wefens in großzügiger Synthefe zufammen*
gefaßt werden.
Angefichts diefer von hoher Warte ge-
wonnenen Anfchauung Leonardos und

Nr. 29/30. 14./21. IV. 22
 
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