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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (März - September)

DOI Heft:
Nr. 42/43
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Friedländer, Max J.: Zu Max Liebermanns 75. Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.39787#0275

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER:
CURT GLASER ■ GUSTAV KIRSTEIN - HANS TIETZE
VERANTWORTLICHE REDAKTION:
ALFRED KUHN
NR. 42/43 14./21. JULI 1922
Ein fendungs Helle für alle Manufkripte, außer Österreich und München: Dr.Aifred Kuhn,
Berlin W62, Kurfürltenitraße 126 ■ Für Öiterreich: Wiener Redaktion, Prof. Dr. H. Tietze,
Wien XIX, Armbruitergaffe 20 ■ Für München: Münchener Redaktion, Dr. Hans Rupe,
München,Widenmayerstraße39III • Verlag von E. A. Seemann,Leipzig,Hofpitalitraßella

ZU MAX LIEBERMANNS 75. GEBURTSTAG
VON MAX J. FRIEDLÄNDER
AM 20. Juli wird Max Liebermann 75 Jahre alt. Indem wir uns der großen
Schar der Gratulanten zugefellen, erfreuen wir uns am Anblick eines
Alterns, das nichts als ein Reifen ift. Noch ift diefem Meifter der Vorgang
organifdier Entfaltung nicht abgefthlolfen, und in ftetigem Wandel bewährt
lieh die lebende Gelfaltungskraft, die mit der Erfahrung aus fechzig Arbeits-
jahren höchfte Sicherheit mit letzter Freiheit vereinigt.
Ein Führer ift Liebermann heute noch, wenn auch nicht in demfelben
Sinne wie damals, als er der Jugend voranfehritt im Kampfe. Die Zeiten haben
fich gewandelt. Der Streit geht nicht mehr um das, wofür er gekämpft hat.
Aber: wie er gekämpft hat und wie er fich nach dem Siege verhalten hat,
damit bietet er ein vorbildliches Beifpiel rechter Künftlergefinnung — felbft
denen, die auf anderen Wegen als er vorwärtsdrängen. Liebermann ift zu
wohl vertraut mit der Relativität der Kunftgefetze, als daß er Gefolgfchaft
erwarten oder fordern würde von den Enkeln. Redliches Tun im Dienfte
der Aufgabe, die er fich felbft feiner Anlage nach ftellen muß: dies macht
den Künftler aus, nicht aber Dachkammer und Samtjacke und nicht einmal
das in fchönem Wahnftnn rollende Auge, alfo jene Züge, an denen der
Philifter den Künftler erkennt.
Als Liebermann die Präfidentfchaft der Berliner Akademie annahm, war
er fich ficherlich der Paradoxie diefes Schrittes bewußt,- vermutlich war fogar
diefe Paradoxie unter den Gründen, aus denen er dem Rufe folgte. Zwifdien
Freiheit und Organifation, Schöpfung und Tradition, Kunft und Akademie
herrfcht ewige Zwietracht. Gewißlich ift Liebermann nicht an die Spitze der
Akademie getreten mit der Abficht, wie nach einer erfolgreichen Revolution
ein neues Recht zu fchaffen und feiner Kunftform kanonifdie Geltung zu
verleihen. Vielmehr, wie Worte und Taten beweifen, geht fein Streben
dahin, den Fluß des Werdens nicht am Stauwerk einer neuen Norm auF
zuhalten. Er möchte den Kommenden jene Ungerechtigkeit erfparen, unter
 
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