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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (März - September)

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Nr. 35
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Literatur / [Notizen] / Kunstmarkt
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Literatur

575

LITERATUR
Sir Martin Conway, The van Eycks
and their Followers. 529 Seiten.
London 1921.
Conways Buch hat vor allen früheren
Darfiellungen der altniederländifchen Ma-
lerei voraus, daß es das durch die Literatur
erfchloffene Bildermaterial umfaffend be»
rückfichtigt. Es enthält nicht nur, wie der
Titel vermuten laßen könnte, eine Gefchichte
der Anfänge, fondern der gefamten alt»
niederländifchen Malerei bis zum Tode
des Bauernbruegel, und wird damit zum
brauchbaren Handbuch über ein Gebiet,
das infolge zahlreicher, weitverßreuter Ein»
zelunterfuchungen fchon lange unüberficht»
lieh geworden war. Nachdem Friedländers
»Von Eyck bis Bruegel« zu erkennen ge»
geben hat, daß er fich über die von ihm
lange und erfolgreich erforfchte Zeit nur
in effayifiißher Form unter Vermeidung
von Wiederholungen äußern will, wird
man die Kompilation Conways dankbar
begrüßen.
Eine Kompilation iß das Buch und
es will nicht mehr fein. Wer die Literatur
der letzten Jahrzehnte verfolgt hat, wird
ohne dasfelbe auskommen können. Die
Beßheidenheit des Verfaffers, der mit einer
heutzutage in wißenßhafilichen Werken fei»
tenen Courtoifie vielen Freunden und Fach»
genoffen auf diefem Gebiete mehr Begabung
und Wißen zufpricht, als er felbß befitzt,
läßt eine von Einfeitigkeit freie, zutreffende
Zufammenfaffung des Erforßhten erwarten,
die das Buch in der Tat iß. Mit Genug»
tuung gewahrt man den beträchtlichen An-
teil, den Conway der deutßhen — vor»
wiegend fiilkritifchen — Arbeit an der
kritißhen Erforßhung zumißt. Es iß viel»
leicht das Bemerkenswerteße, daß Conway
fich von der Phantaßerei und Spitzfindig»
keit frei hält, mit der in vielen deutßhen
Veröffentlichungen die Stilkritik ange»
wendet worden iß.
Der Stoff iß in 32 Kapitel gegliedert,
deren größerer Teil einzelnen Künßlern ge-
widmet iß. Die Auswahl geßhah inner-
halb der Grenzen, die für die Brügger
Leihausfiellung von 1902 gezogen waren.
Die erßen Romanißen werden noch in den
Kreis der Betrachtung gezogen. Von den

folgenden Generationen, die das 'zweite
und dritte Viertel des Jahrhunderts mit
ihrer Tätigkeit beherrßhen und die fo gute
Maler wie Scorel, Floris und Mor zu den
ihren zählen, iß nur der Bauernbruegel
herausgegriffen und ausführlich befprochen
worden. Weitaus die meifien find nicht
einmal fummarißh gewürdigt. Der Vor-
wurf wiegt aber nicht ßhwer, weil faß die
gefamte Forßhung die gleiche willkürliche
Einfiellung bisher nicht zu überwinden ver»
mochte. Sie hängt eng mit der Verwerfung
des Romanismus als eines unheilvollen
Bruches mit der heimifchen Tradition zu»
fammen, eine Auffaffung, die im 19. Jahr-
hundert entßanden, heute noch herrßht,
obgleich das Phänomen Rubens fie ßhon
bei ihrer Entßehung hätte ad absurdum
führen können.
Dem Buche find 24 Tafeln mit etwa 100
Abbildungen beigegeben, die feiten unbe»
kannte, mehrfach aber an entlegener Stelle
reproduzierte Werke bringen: Jan van
Eycks Bildnis der Sammlung Johnfon, Ro-
giers Madonna der ehern. Sammlung Kann,
Bildnis bei Dreicer und Kreuzigung im
Escorial,- Goes' Anbetung des Kindes in
Halbfiguren aus Wilton Houfe, die Kirfchen»
madonna aus Ince Hall und ein männliches
Bildnis aus Worcester des Joos van Cleef,
das Gegenßück des weiblichen Bildniffes
von 1543 in Berlin vom fog. »sötte Cleef«1),
feit kurzem im Antwerpener Mufeum, ein
intereffantes Bild von Bruegel, »Der be-
trunkene Familienvater«, das aus dem Lon-
doner Kunßhandel in den Befitz einer
Berliner Firma übergegangen iß.
Einige Mißverßändniffe und Irrtümer
feien kurz aufgeklärt. Die Karlsruher Ma-
donna von Provost wird als Goffart ab-
gebildet, fein Jüngfies Gericht in Detroit
als Werk Engelbrechts bezeichnet. Orleys
Karl V. <Budapeß> geht ebenfalls fälßh-
licherweife als Goffart. Das Opfer einer
Verwechslung wurde Conway bei dem Bu-
dapefier Bild des tätigen Meilters der Mag»
daienenlegende, wohl einem älteren Zeit»
genoffen Orleys in Brüffel. Dies Bild führt
Conway unter dem Meißer von Alkmaar
auf, einem holländifihen Maler vom Ende

1) Er heißt Cornelis Cleef <1520—1567)
und ilt der Sohn des bekannten Joos v. Cleef.
 
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