DOI issue:
Nr. 33
DOI article:Glaser, Curt: Berliner Ausstellungen
DOI Page / Citation link: https://doi.org/10.11588/diglit.39787#0109
KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
BERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER REDAKTION: HANS TIETZE
NR. 33 12. MAI 1922
BERLINER AUSSTELLUNGEN
VON CURT GLASER
IN dem Berliner Aushellungswefen hat lieh während der letzten Jahre eine
Dezentralifation vollzogen, an die Stelle der wenigen großen treten zahl-
reiche kleine Kunltfalons, und aus dem Zentrum der Stadt rücken die Kunlt-
handlungen zufehends weiter der Peripherie entgegen. Eine Reihe neuer
Unternehmungen brachte allein der letzte Winter: die Eröffnung eines Aus-
hellungsbetriebes in der Kunlthandlung Goldfchmidt ® Wallerltein fowie
einer Berliner Filiale des Düfleldorfer Kunltfalons Alfred Flechtheim und
die Überfiedlung des bisher in einer Seitenftraße wenig beachteten Unter-
nehmens von Alfred Heller in einen Laden am Kurfürltendamm.
Man fah bei Heller zuerft eine Ausheilung von Werken Emil Noldes,
leider nicht die große Ausheilung, auf die man in Berlin feit langem wartet,
nachdem an vielen Stellen bereits die Werke diefes Künltlers gezeigt und
gefeiert wurden. Ein paar wirkungsvolle Aquarelle vermittelten kaum eine
zureichende Vorhellung. Man vermißte hier wie im vergangenen Jahre im
Kronprinzenpalais die entfeheidenden Werke, auf die feine Verehrer weifen,
wenn fie um die Rechtfertigung des Ruhmes, delfen fich Nolde erfreut, be-
fragt werden.
Wefentlicher war die Ausheilung neuer Arbeiten Schmidt-Rottluffs, die
folgte. Der Künftler ilt im Laufe der letzten Jahre zu einer überzeugenderen
Verwirklichung feiner Bildvorhellung gelangt, feine Farbe befitzt einen harken
Klang, feine Form eine ungewöhnliche Ausdruckskraft, lind es will Icheinen,
als fei der Bann einer theoretifchen Qberfpitzung, in die eine allzu harre
Logik zu führen fchien, in der jüngften Zeit glücklich gebrochen.
Die Ausheilung von Werken Schmidt-Rottluffs, die gleichzeitig bei Gold-
fchmidt ® Wallerhein zu fehen war, brachte einige ältere Werke, vermochte
aber dem Eindruck kaum Wefentliches hinzuzufügen. Es heißt die Dezen-
tralifation fchon weit treiben, wenn zur gleichen Zeit an zwei Stellen Sonder-
aushellungen eines Künltlers zu fehen find. Kunhpolitik mag ein notwendiges
Mittel fein, aber ein Zuviel kann ebenfo fchädlich wirken/ kann fogar ge-
fährlicher werden als ein Zuwenig. Tatfache ilt, daß die Mitglieder der ein-
higen »Brücken«-Gemeinfehaff heut die unumhrittene Führerfchaff im Berliner
Kunhleben erworben haben, daß man von Liebermann und Slevogt, deren
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
BERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER REDAKTION: HANS TIETZE
NR. 33 12. MAI 1922
BERLINER AUSSTELLUNGEN
VON CURT GLASER
IN dem Berliner Aushellungswefen hat lieh während der letzten Jahre eine
Dezentralifation vollzogen, an die Stelle der wenigen großen treten zahl-
reiche kleine Kunltfalons, und aus dem Zentrum der Stadt rücken die Kunlt-
handlungen zufehends weiter der Peripherie entgegen. Eine Reihe neuer
Unternehmungen brachte allein der letzte Winter: die Eröffnung eines Aus-
hellungsbetriebes in der Kunlthandlung Goldfchmidt ® Wallerltein fowie
einer Berliner Filiale des Düfleldorfer Kunltfalons Alfred Flechtheim und
die Überfiedlung des bisher in einer Seitenftraße wenig beachteten Unter-
nehmens von Alfred Heller in einen Laden am Kurfürltendamm.
Man fah bei Heller zuerft eine Ausheilung von Werken Emil Noldes,
leider nicht die große Ausheilung, auf die man in Berlin feit langem wartet,
nachdem an vielen Stellen bereits die Werke diefes Künltlers gezeigt und
gefeiert wurden. Ein paar wirkungsvolle Aquarelle vermittelten kaum eine
zureichende Vorhellung. Man vermißte hier wie im vergangenen Jahre im
Kronprinzenpalais die entfeheidenden Werke, auf die feine Verehrer weifen,
wenn fie um die Rechtfertigung des Ruhmes, delfen fich Nolde erfreut, be-
fragt werden.
Wefentlicher war die Ausheilung neuer Arbeiten Schmidt-Rottluffs, die
folgte. Der Künftler ilt im Laufe der letzten Jahre zu einer überzeugenderen
Verwirklichung feiner Bildvorhellung gelangt, feine Farbe befitzt einen harken
Klang, feine Form eine ungewöhnliche Ausdruckskraft, lind es will Icheinen,
als fei der Bann einer theoretifchen Qberfpitzung, in die eine allzu harre
Logik zu führen fchien, in der jüngften Zeit glücklich gebrochen.
Die Ausheilung von Werken Schmidt-Rottluffs, die gleichzeitig bei Gold-
fchmidt ® Wallerhein zu fehen war, brachte einige ältere Werke, vermochte
aber dem Eindruck kaum Wefentliches hinzuzufügen. Es heißt die Dezen-
tralifation fchon weit treiben, wenn zur gleichen Zeit an zwei Stellen Sonder-
aushellungen eines Künltlers zu fehen find. Kunhpolitik mag ein notwendiges
Mittel fein, aber ein Zuviel kann ebenfo fchädlich wirken/ kann fogar ge-
fährlicher werden als ein Zuwenig. Tatfache ilt, daß die Mitglieder der ein-
higen »Brücken«-Gemeinfehaff heut die unumhrittene Führerfchaff im Berliner
Kunhleben erworben haben, daß man von Liebermann und Slevogt, deren