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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (März - September)

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Nr. 49/50
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Literatur / [Notizen] / Kunstmarkt
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832

Oswald Siren: Toskanifdie Maler im XIII. Jahrhundert'

LITERATUR
Oswald Siren, Toskanifdie Maler
im XIII. Jahrhundert. <Freie Über*
tragung aus dem Schwedifchen.) Verlag
Paul Caffirer in Berlin 1922,
Der Hauptzweck diefes Buches ift nach
den Worten feines Verfafl'ers »einfach der
gewefen, eine Darftellung der wihtigften
Erfcheinungen der lucchefifchen, der pifa*
nifchen und der florentinifchen Malerfchule
im 13. Jahrhundert zu geben«. Diefem
Satz geht ein Bekenntnis vorauf, das Stu*
diuni der italienifchen Malerei des Dugento
habe den Verfafl'er »allmählich zu der Er*
kenntnis geführt, daß die beiten Werke
der Duocentomalerei die intereffantefte und
reinfte Form religiöfer Malerei in Italien
darftellen«. Zur Begründung foldier Mei*
nung folgt dannn diefes: »Wenn eine folche
Wertung vielleicht als eine Überfchätzung
erfcheinen mag, fo fei zur Erklärung daran
erinnert, daß diefe Duocentomalerei nahe
Berührungspunkte mit den lebenskräftigften
Strömungen in der modernen Kunft, wie
auch mit der alten religiöfen Malerei in
China und Japan hat, die dem Herzen des
VerfalTers lehr nahe lieht«. Es ift gefähr*
lih, wenn W ertungen, d. h. Erkenntnifle,
die doh wohl wilfenfhaftlicher Art fein
wollen, aus dem eigenen Herzen gefchöpft
werden. Der Maßltab lieht dann von
vornherein feli, und die hiliorifhenBedingte
heiten, aus denen er doh erli gewonnen
werden füllte, werden auf dem Streckbett
eines Schlagwortes der vorgefaßten Meinung
angepaßt. Diefes Shlagwort heißt hier:
emotioneller Expreflionismus. — Der Ver*
faffer tritt an die Malerei des Dugento
heran mit der heute fo verbreiteten Be*
geilierung für das Primitive, zu deutfh
für das Urfprünglihe. Diefe Kunli ifi
aber alles andere als primitiv, obwohl es
dem erlien Blick fo fheinen möhte, Tie
ili auh niht einfach, fondern höhli kom*
pliziert, kunligefhihtlich das Ergebnis einer
niht leiht zu entwirrenden Stilmifchung,
in der ein wichtiger Beftandteil, das By*
zantinifhe, wiederum von allem Primitiven
fehr weit entfernt ift. Aus diefer Ein*
ftellung heraus erklärt es lieh auh, daß
der Verfaffer die Dugentomalerei fo weit*
gehend im Sinne eines emotionellen Ex*

preffionismus ausdeutet, eines Begriffes,
der, wie es fheint, für ihn identifh ift mit
religiöler Ausdrudcskraft, womit aber der
Begriffskomplex weder hinreihend erfüllt,
noh irgendwie erklärt wird. Daß im
befonderen für die Ausdruckskraft der Du*
gentomalerei, wie Siren fie verlieht, dem
Leben und der Lehre des hl. Franz ent*
fheidende Bedeutung beigemelfen wird,
kann niemanden erftaunen. Eine neue,
fruchtbare Erkenntnis vermag der Verfallet'
jedoh niht zu geben, er lägt niht viel
anderes, als was Thode (aus einer durhaus
romantifchen Einftellung zu diefen Dingen)
fehr viel belfer gefagt hatte, zumal T hode
diefes widerfprudisvolle Jahrhundert wahr*
lih freier und niht feiten in einem großen
Sinne überfhaute. Es muß immer wieder
daran erinnert werden, daß die flammende
Leidenfhaft der geifiigen Strömungen des
Dugento lieh auf andern geifiigen Gebieten
auslodert ,■ fofern diefe Kunft heißen, bleibt
für die bildende Kunft nur ein mattes
Nahglühen. — Was ift denn mit Sirens
Feftftellungen gewonnen, daß hier und dort
emotioneller Expreffionismus in mehr oder
weniger ftarkem Grade vorhanden fei ?
Man wünfhte den Inhalt diefes Begriffes
an der Malerei des Dugento rein und fcharf
definiert, das Befondere zu einem kiinft*
lerifchen Syftem gebunden zu fehen, erhält
aber immer wieder das fhillernde Schlag*
wort. Was in diefem Buhe Ulufionismus,
Naturalismus, Naturgefühl ufw. heißt,
wird begreifliherweife mit einer mitlei*
digen Abfheu behandelt, und als Vorzug
gerühmt, daß die Dugentomaler nah der*
gleichen verwerflichen Dingen niht geftrebt
hätten. Wie der Verfaffer das meint,
zeigen feine Worte: »fie gehen niht von
einer beftimmten idealifierenden Formauf*
faffung aus, wie die klaffifh gefhulten
Künftler und fie nehmen keine Rücklicht
auf linnliche Schönheit oder wiiTenfhaftlihe
Korrektheit, wie die Renailfancemaler, fon*
dern fie behandeln die künftlerifhe Form
als unmittelbares Symbol der religiöfen
Konzeption«. Lim niht in den Verdacht
zu geraten, ich hätte aus dem Zufammen*
hang gerilfene Stücke diefer tiefen Betrah*
tungen in ein fallches Liht geftellt, er*
innere ih daran, daß das Dugento in den
Jahren 1200 bis 1300 abläuft. Wir wißen
 
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