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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (März - September)

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Nr. 39
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Voss, Hermann: Die Ausstellung der italienischen Seicento- und Settecento-Malerei in Florenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.39787#0211

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTEIN
BERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER REDAKTION: HANS TIETZE
NR. 39 23. JUNI 1922

DIE AUSSTELLUNG DER ITALIENISCHEN
SEICENTO» UND SETTECENTO-MALEREI IN FLORENZ
VON HERMANN VOSS
DER Nutzen retrofpektiver Kunftausftellungen ift zu bekannt, als daß es
für die von der Stadt Florenz veranltaltete »Mostra della pittura ita»
liana del Sei e Settecento« einer befonderen Begründung bedürfte. Die ita»
lienifche Malerei feit Raffael und Tizian war in gleicher Weife bei den Hi»
ftorikern wie bei den Liebhabern in Vergeflenheit geraten, und die darüber
gewohnheitsmäßig gefällten Urteile beruhten fo offenkundig auf mangelnder
Kenntnis oder mangelnder Luit zur Einteilung, daß fie im Lauf der letzten
Jahrzehnte in immer weiteren Kreifen iihren Kredit eingebüßt hatten. Überall
konnte man daher auf Verfuche treffen, das »Wefen« der vielverkannten
Epoche befler zu begreifen, ihre innere Entwicklung tiefer zu verliehen, das
Werk der führenden Meifter fdiärfer zu begrenzen. Diefe Tendenz zur
Auflichtung führte in Deutfchland zu einer Reihe z. T. intereffanter entwich»
lungsgefchichtlicher Studien, denen überwiegend eine philofophifch-abftrahierende
Note anhaftete, in der modernen italienifchen Forfdhung dagegen zu mehr
empirifch orientierten Beltrebungen, die namentlich für den Caravaggio-Kreis
im weiteften Sinne, die Neapolitaner und fpäten’Venezianer vieles pofitiv Neue
und Überrafchende ergaben. Es wäre entfchieden zu wünfchen, daß die
deutfche Seicento» und Settecentoforfchung, foweit es die Zeiten und Um»
ftände geftatten, heb mehr dem Empirifch »Tatfä etlichen zuwendete und be»
ftimmte Strecken des ungeheuren Gebietes urbar zu machen fuchte, wie es
übrigens bei uns in einzelnen Fällen neuerdings erfolgreich gefchehen ift.
Die Florentiner Ausheilung ift ein klarer Spiegel der Eigenart der ita»
lienifchen Seicentoforfchung; fie läßt deutlich erkennen, welche Meifter, Strö-
mungen und Gefchmacksrichtungen von der heutigen italienifchen Kennerfchaft
bevorzugt und welche geringer eingefchätzt werden. Es wird niemanden
überrafchen, der die Literatur verfolgt hat, wenn Caravaggio und die ge»
famte realiftifch und fpezififdi malerifch eingeftellte Malerei des Seicento, wie
Strozzi, Feti, Cavallino, Castelli u. a., wenn ferner die venezianifchen Meifter
der Spätzeit, vor allem Tiepolo und Guardi, dominieren und wenn die
Carracci und ihre bolognefifchen und römifchen Nachfolger, die Reni, Do»
menichino, Albani, Cantarini ufw. ftark in den Hintergrund treten. Einige
 
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