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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (März - September)

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Nr. 37-38
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Winkler, Friedrich: Der Meister der Anna Selbdritt im Louvre
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Literatur / [Notizen] / Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39787#0197

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Der Meilter der Anna felbdritt im Louvre — Literatur 617
der hl. Sippe in Gent, der auch die »Perreal«=Madonna im Louvre <Nr. 1048)
ausgeführt hat1), fondern irgendwo in der Provinz tätig, zehrt er von den An*
regungen, die der wuchtige Menfchenfchlag Goes' vermittelte. Ähnlich wie
beim Meilter von Zwott (fälfchlidh »Zwoll« gelefen 2>, deflen Stiche nicht ohne
Rogiers Vorbild zu denken find, den der Meilter gelegentlich genau kopierte,
mifchen fich in feinem Wefen füdniederländifche mit fremden Zügen, bei unferem
franzöfifche, bei dem Stecher deutfche3).
Eine Frage war noch offen gelaflen worden. Sind die Zeichnungen
Originale oder Kopien? Für beide Annahmen gibt es Gründe. Keine von
ihnen hat auf das Ergebnis diefer Bemerkungen nennenswerten Einfluß. So
wie die Werke uns überliefert find, weifen fie auf einen gemeinfamen Ur»
fprung 4>. Bei unferer mangelhaften Kenntnis der künltlerifchen Tätigkeit jener
Zeit ilt das Grund genug, fie aus ihrer Verborgenheit hervorzuziehen.
1) Amtl. Ber. a. d. preuß. Kunitfammf. 1916, Januar.
2> E. Bock machte mich darauf aufmerkfam.
3> Richtige Bemerkungen über die Zufammenhänge des Meifters »Zwott« mit Goes
wie auch über die des fogenannten Franz von Bocholt zu füdniederländifchen Werken finde
ich bei R. Kahn <Die Graphik des L. v. Leiden S. 35 f.>, ohne daß freilich der Verbuch ge*
macht würde, die Folgen aus folchen Beobachtungen zu ziehen.
4) Die Taubere gleichmäßige aber fchwächliche Strichelung, das Fehlen jedes Hintergrundes
oder Fußbodens legen den Gedanken nahe, daß die — abgebifdeten — Zeichnungen Kopien
nach einem dritten Gemälde des unbekannten Meifters oder Kopien von ihm felbft nach einem
feiner Vorbilder find.

LITERATUR
Max Wingenroth, Vom Bodenfee
zumMain. C.F.Müller,Karlsruhe 1922.
Der VerfalTer hat unbegangene Wege
betreten, indem er es unternahm, der
Kunltmalerei auf den Höhen des Schwarz»
waldes nachzufpüren. Bedauerlich ilt es
nur, daß er fich wohl aus äußeren tech»
nifchen Gründen auf Baden hat befchrän»
ken müffen, eine territoriale Begrenzung,
die befonders bei diefem Lande untunlidi
ilt, das aus einem Konglomerat verlchie»
denltämmiger Länderfetzen befiehend, erlt
unter der Regierung Friedrichs I. zu einer
nationalen Einheit zufammengewachfen
ilt. Davon abgefehen, darf der Arbeit
Wingenroths durchaus Anerkennung ge-
zollt werden. Unentdeckte Genies hat er
nicht ans Licht gebracht, aber manche folide
Tüchtigkeit aufzeigen können. Da ilt Jofef
Mofer, geboren 1783 in Wolfach, der

Bauern von monumentaler Kantigkeit hin-
fiellt, weiter der »Bodenmüller«, von dem
nichts überliefert ilt, als daß er ein Por-
trät der Kreszentia Faller gemacht hat,
eine faubere liebevolle Arbeit aus der erfien
Hälfte des 19. Jahrhunderts. Gerade aus
der Zeit vor der Mitte des Säkulums,
die am intereflantelten ilt, hat Wingenroth
wenig Namen nur feltltellen können. Die
Bilder, die er vorführt, zeigen Künltler von
unbefangenItem Realismus, dabei jedoch
von ausgefprochenem Sinn für das Dauernde
in einer Perfönlichkeit. Alles Zufällige fehlt
in ihren Schöpfungen, überall ilt das Wefen
des Betreffenden einfach und ohne Ge»
fchwätz gegeben. Es find wortkarge, etwas
mißtrauische Bauern oder Handelsleute,
klare, weltkluge Männer mit viel Selblt»
gefühl, und etwas geduckte Ehefrauen.
Nach 1850 ilt die Überlieferung beffer.
Von Daniel Gefell, in Mannheim geboren,
dann über Freiburg in den Schwarzwald
 
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