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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (März - September)

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Nr. 40
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Nr. 41
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Das künstlerische Berlin von 1886
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Literatur / [Notizen] / Kunstmarkt
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Das kcinftlerifche Berlin von 1886 — Literatur

681

Es wimmelt dort von Eingeladenen. Man lieht unter anderen Moltke mit
feiner halb dänifch, halb englifchen Vornehmheit, den Hofmarfchall Graf Per-
poncher, einen hochgewachfenen Mann, mit aufgewichltem Zwickelbart/ auch
der berühmte bei Hofe in Ungnade gefallene Gefchichtsfchreiber Mommfen
ilt da/ er hat ein Gefleht wie ein alter Zauberer, fehr nervöfe Bewegungen,
fpricht ein ganz vorzügliches Franzöfifch und fagt einem gern etwas Schlechtes
über Durny1)/ der öfterreichifche Gefandte hat einen zu ftark parfümierten
Pelzmantel an, eine Reihermütze auf dem Kopfe und Quälten an feinen
Stiefeln,- ernlt fleht der türkifche Gefandte dabei, zuweilen ftreicht er fleh
über feinen Bart,- er ift der goldglitzerndfte von allen Gefandten und küßt
die Hand der Kaiferin mit unnachahmlicher Grazie. Noch hundert andere
find dort, unter ihnen auch zwei Maler: Anton von Werner, der Schöpfer
jenes Riefengemäldes: Die Kaiferproldamation in Verfailles, unabläffig verfolgt
er den Kronprinz Friedrich, ohne zu bemerken, daß er ihn bald zu Tode
langweilt, und Adolph Menzel, nicht größer als ein Küraffierftiefel, beladen
mit Ehrenketten und Orden,- wie ein Gnom fchaut er unter all den großen
Leuten aus, und fcheint das richtige enfant terrible unter allen Hlßorien-
malern.« (i, Buffet in de fa Vie artistique«, Paris, 1. Juni 1Q22J
1> Durny, Victor, franzöfifcher Gefchichtsfchreiber, geb. 1811, gelt. 1894.

LITERATUR
Paul Debo, Email. Kunltformen und
Technik. Verlag von F. A. Schütt vorm.
Chemie-Trult, Pforzheim 1922.
Zwar langfam, aber doch Itetig fetzt fidi
die fo notwendige Erkenntnis durch, daß
unfere indultriellen Produktionsformen von
der Zone der künfilerifchen Ausdrucks-
formen nicht mehr getrennt werden können.
Der Deutliche Werkbund tritt ja fchon feit
Jahren für die praktifche Zufammenarbeit
aller wirtlchaftlichen und künitlerilchen Kräfte
ein. Daß wir es hier nicht mit einer roman-
tifch gefärbten deutfihen Ideologie zu tun
haben, beweift am beiten das Ausland,
das ebenfalls den deutfehen Werkbundge-
danken übernommen hat. Aber diefe Er-
kenntnis allein, mag fie logilch noch fo fehr
begründet fein, genügt noch lange nicht.
Die indultriellen Unternehmungen müflen
felblt die Harken Hände reichen, auf daß
überzeugende Taten gefchehen können.
Von diefem Standpunkt aus gefehen ver-
dient das von der Firma F. A. Schütt
vormals Chemie-Trult herausgegebene

Buch »Debo, Email, Kunltformen und
Technik« eine erhöhte Bedeutung. Denn
es handelt fich hier nicht um eine Veröffent-
lichung irgend eines rührigen Kunfiverlages,
fondern um ein von einem indultriellen Lin-
ternehmen getragenes bedeutfames Werk.
Wenn es in Zukunft überhaupt noch mög-
lich ilt, auf dem einfi fo blühenden Felde
deutfdier Kunltlchriftfiellerei die hervor-
ragenden buchtechnifdien Leifiungen einer
glücklicheren Vorkriegszeit zu erreichen, fo
wird hier ein idealer Weg gezeigt, der frei-
lich für den eingefleifchten Nur-FIiltoriker
nicht gangbar fein wird, wohl aber für den,
der die Brücke fucht zwifchen Gewordenem
und Werdendem.
Die Ausfiattung des Buches der Firma
F. A. Schütt ilt wahrhaft multergültig:
allerbeites Kunltdruckpapier, eine klare,
edle Antiqua, Verwendung von Majus-
kellchrift für die termini technici, hervor-
ragend fchöne Abbildungen mit vier pracht*
vollen farbigen Tafeln Itempein diefes Buch
auch zu einem wünlchenswerten Objekt
bibliophiler Kreife.
 
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