Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (März - September)

DOI Heft:
Nr. 29/30
DOI Artikel:
Literatur / [Notizen] / Kunstmarkt
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.39787#0060

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
482 Einige Bemerkungen zu Pietro de Cortona


Abb. 2. Pietro da Cortona. Ascoli Piceno

wendig zugehörig empfindet und die es
doch find. Der eine Faktor ift das Lidit.
Für unter Auge ifi der cortoneske Raum
von S. Luca von gleichmäßig flutendem
Lichte erfüllt, das jeder Form zu tages-
heller Deutlichkeit verhilfi. Das nachrech-
nende Auge erlebt keine Überrafchungen,
wie bei Borromini, fondern fleht alles, wie
es ifi, So empfindet es wenigfiens der
moderne Befucher, wenn er den nüchternen
Raum von S. Luca betritt. Ein Rätfel
bleibt es, wie der Maler der barberinifchen
Decke oder gar der Galleria im Palazzo
Doria Pamphily an Piazza Navona fich mit
folchem Raum begnügen konnte. Die Zeich-
nung löft dies Rätfel, in dem fie den Ein-
druck, den unfer Auge heut hat, korrigiert.
Hier ifi kein gleichmäßiges Licht zu er-
kennen, Licht und Dunkelheiten fieigern
fich gegenteilig, und gewiß ifi es kein Zufall,
daß die Kerzen brennen und im Zugwinde
flackern. Der andere Faktor, mit dem Cor-
tona rechnete, ifi die raumbildende Kraft,
die von einer Menfchenmenge, die einen
Raum erfüllt, ausgehen kann. Man er-
kennt Kirchenräume, die man leer <oder.

was noch viel fchlimmer ifi, mit fefifiehenden
Kirchenbänken) im Gedächtnis hat, kaum
wieder, wenn Menfchen den Raum beleben.
Einen neuen Sinn aber erhalten Kirchen-
räume, wenn Zeremonien der katholifchen
Kirche in ihnen ftattfinden. Hier lebt noch
die Tradition, die, wie fie dem Priefter jede
Bewegung vorfchreibt, auch die Zufammen-
ballung oder Auflöfung von Gruppen, die
Ifolierung einer Hauptperfon in der gleichen
Weife verlangt, wie vor 200 Jahren. Wie
da Menfch und Raum zufammengefühlt
und zufammen- oder gegeneinander bewegt
wird, das ifi heut noch die gleiche Art,
wie im Barock Raum und Menfch auf der
Bühne geftaltet wurden. Im Grunde wird
ja wohl damit nichts Neues getagt; aber
es verdient doch hervorgehoben zu wer-
den, daß Cortona auf der Zeichnung in
Ascoli feinem fo kühlen Raum diefe reich
bewegte Menfchenmenge einfügte, die das
Raumbild fo vollkommen verändert. Es
fleht mit barocken Raumanlagen eben nicht
anders, als mit den Rokoko-Kirthenräumen
des 18. Jahrhunderts in Deutfchland. Grund-
rilfe diefer Räume ohne Einzeichnung von
 
Annotationen