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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (März - September)

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Nr. 32
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Schürer, Oskar: Kunst und Kultur der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.39787#0093

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Kunft und Kultur der Gegenwart

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fchaftung, fondern als Selbftzweck eines vereinigteren Tuns in allen Ge*
bieten fordert. Nach Hamann foll der Selbltwert des Geiltigen, das eben
heißt, die bisher nur als Mittel gewertete Wirtfchaft, ihren Zufammenhang
und logifche Ganzheit — Sozialifierung — zum Selbftzweck und Eigenbe*
deutung geiltigen Tuns, zu einem Sinn des Dafeins erheben.
Der neue Saint*Simonismus, als den man die fyndikaliftifche Bewegung
der Intellektuellen in Frankreich anfprechen muß, (teilt eine neue foziale Ka-
tegorie auf, den »Produci,eur«, die durch die gleiche pfychologifche Definition
begriffen wird, wie eine entfprechende bei Hamann, der künftlerifches und
wirtfchaffliches Produkt als Glieder derfelben Wertkatogorie erfaßt. Auch in
der franzöfifdhen Bewegung alfo die Schließung der zwifchen geiftig Schöpfe*
rifchem und genialem Praktiker künftlich aufgeriffenen Kluft durch die beiden
zugeßandene, allem Schaffen unerläßliche Intuition. Während (ich für die
franzöfifche Überlegung aus diefem Grundverhalt allen Wirkens, dem auch
Kunft nicht nur Geftaitungs*, fondern Erkenntnisprozeß werden muß — man
denkt zurück an die ganz gegenfätzlich bedingte, mittelalterliche »Claritas«
der Thomafifchen Kunfttheorie —, eine Möglichkeit, ja Notwendigkeit er*
fchließt beftimmte, durdi ein Syndikat zufammenfaßbare Reihen aufeinander
angewiefener Glieder, die die verfchiedenften Kulturfphären durchlaufen, zu
fchaffen, — bleibt Hamann in diefer keinem Zweck, fondern nur der Er*
kenntnis dienenden Schrift bei der Feltltellung eines gleichen Rhythmus ftehen,
der die getrennten Lager durchfchwingt und delfen Bewußtmachung nicht nur
die Trennung aufhebt, fondern die jeweilig geleiftete Arbeit felbftwertig zu
machen berufen ift. Doch durchfichtig genug fchimmert auch aus feinen Aus*
führungen überall der Wille zur Tiefenfchichtung hindurch, der dem Geiftes*
arbeiter den fozialen Unterbau gewähren und dem Handarbeiter die Not*
wendigkeit geiltiger, manchmal unfruchtbar erfcheinender Bemühungen deutlich
machen könnte. Stärkere Berührungspunkte weilt er hier allerdings mit Be*
ftrebungen auf, wie fie in einer Programmrede der deutfchen Studentenhilfe
auf deren letzter Tagung angeregt worden find, wonach der geiftige Arbeiter
fich den wirtlchaftlichen Unterbau durch eigene Handarbeit fchaffen foll. Ein
Abweichen von der in Frankreich verfolgten Linie zeigt fich noch deutlicher
bei Erörterung eines akuten Problems, der Volksbildung, die Hamann feiner
Grundeinftellung entfprechend refolut von allem Humaniftenballaft befreit und
auf Kenntnis des logilchen Sachverhalts eigener Arbeit, deren dadurch be*
wirkter Veredlung konzentriert willen will, während im traditionsfreudigen
Frankreich gerade Humaniora als Ausgleich und Gegenwirkung gegen ein*
feitige Berufsausbildung gefordert werden.
Hamanns hier eingenommener Standpunkt wird begreiflich aus der
zweiten von ihm aufgezeigten Grundidee der Moderne, der Objektivität oder
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