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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (März - September)

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Nr. 32
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Literatur / [Notizen] / Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39787#0097

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Literatur

519

wird. »Damit tritt nun auch das Problem
Speier unabweisbar in den Vordergrund
unferes Intereffes. Der näcbfte und letzte
Abfdmitt unlerer Unterfuchungen muß die
Auffchrift führen: Mainz, Lund — und
Speier«.
Als Kernpunkt der Unterfuchungen der
letzten Jahrzehnte über das Problem Speier
läßt fich die Frage herausfihälen: i(t der
Wölbungsumbau in die Zeit Heinrichs IV.
zu fetzen oder erft in das 12. oder 13. Jahr»
hundert? Im erfteren Fall, zu dem fich
Kautzlch entfcheidet, »Hand die rheinifche
Baukunft in der Zeit von 1050—1100
ebenbürtig neben der Baukunft an der
Loire und in der Normandie in der Füh»
rungdereuropäifchen Entwickelung — ohne
freilich ibrerfeits auf Gotik abzuzielen«.
Die Baugelchichte Hellt fich in großen
Zügen folgendermaßen dar: Unter Kon»
rad II. und Heinrich III. (etwa 1030 bis
1065) werden zunädhlt die Oltteile mit
der Krypta, das Querfchiff und die Seiten»
fchiffmauern erbaut, während für den
Gottesdienlt noch das alte Langhaus zur
Verfügung (teilt: dann wird der Gottes»
dienlt in die neuen Oltteile verlegt, das
flachgedeckte Mittelfchiff errichtet und die
Seitenfchiffe eingewölbt. Wie der Dom
danach 1065 ausfah, zeigt der Längsfchnitt
auf Abb. 2. Der Umbau unter Heinrich IV.
<1085—1106) ummantelt die Krypta, er»
richtet Aplis und Langchor neu, erneuert
das Querhaus, verftärkt die Hauptpfeiler
des Langhaufes und überwölbt Quer»
haus und Mittelfchiff. Nach der Kata»
(tropfte von 1159 endlich wird eine Neu»
Wölbung von Langhaus und Querhaus
nötig,- mit der Erhöhung der Mittelfchiff»
wände werden die Galerien des Langhaufes
und die oberen Galerien am Langchor
errichtet unter Benutzung von einigen
älteren Kapitellen und unter teilweifer
Wiederverwendung des alten Haupt-
geftmfes.
Diefe Baufolge wird nun mit einer Fülle
von Beweilen fo eindringlich belegt, daß
jeder Zweifel ausgefchloflen erfcheint, und
ein architekturgefchichtliches Problem »von
europäifcher Bedeutung« feine endgültige
Löfung findet- Das Interefle konzentriert
fich auf die Periode unter Heinrich IV.
Es wird nachgewiefen, daß auch hier, wie

beim Mainzer Ofichor die Quellen in
Oberitalien zu fuchen find, und daß fich
dort im 3. Viertel des 11, Jahrhunderts
alles im einzelnen vorgebildet findet, was
in Speier zum großartigen Gefamtwerk
vereinigt i(t. Die Ornamentik in Speier
läßt fich in drei zeitlich aufeinanderfolgende
Gruppen trennen, von denen auch die
dritte fich im letzten Viertel des Jahr»
hunderts in Oberitalien vorgebildet findet,
während die oberitalienifche Ornamentik
um 1150 bereits ganz anders ausfieht.
Aber auch in Deutfchland find, wie zum
Teil bereits in den früheren Auffätzen
nachgewiefen i(t, Architekturformen wie
Dekoration um 1100 an zahlreichen Bauten
nachweisbar, nicht nur im Zufammenhang
mit diefer mittelrheinifchen Gruppe, fondern
auch unabhängig davon, in Quedlinburg
oder am Niederrhein. Schließlich fetzen die
Oltteile des Doms von Lund Mainz und
Speier voraus, bilden eine Synthefe beider,-
befonders die dritte Speierer Dekorations»
Gruppe i(t in Lund fehr reich vertreten.
Die in Frage kommenden Teile in Lund
müden rund zwifchen 1110 und 1146 ent»
(landen fein. Die letzten Zweifel aber
werden durch den Ausgrabungsbefund
anläßlich der Aufdeckung des Speierer
Königschores im Augufi 1900 befeitigt.
Die Entftehung und allmähliche Erweite»
rung der Grabanlage läßt (ich danach
fo genau verfolgen, daß die Errichtung
der Verftärkungen der Hauptpfeiler für
die Einwölbung des Mittelfihiffs und der
im dritten Speierer Dekorationsltii reich or-
namentierten Sedhseckfenfier in der Krypta-
weltwand im Zufammenhang mit der Bau-
tätigkeit Heinrichs IV, zur unumfiößlichen
Tatfache wird. Auch die ganze (chriftliche
Überlieferung, die in Heinrich IV. un»
eingefchränkt den Erbauer des Doms
fieht und wiederholt den reichen Schmuck
des Baues rühmt, deckt fich mit diefer
Baugefchichte. Und fchließlich zeigt fich
noch, daß der Stützenapparat des Quer»
fchiffs nicht zu den heutigen Gewölben
mit fchweren, kantigen Rippen <die »vor*
trefflich in die Zeit um 1160 paffen«)
(timmt, fondern auf Gratgewölbe, die
ihnen vorausgegangen fein müflen, be-
rechnet ilt. Das grätige Kreuzgewölbe
im öftlichlten Mitteifchiffjoch <das einzige
 
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