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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 57.1921/​1922 (März - September)

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Nr. 33
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Literatur / [Notizen] / Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.39787#0116

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538

Literatur — Nekrologe’

urkundlich belegt. Außerhalb Italiens fehlt
einmal die »Himmlifche und irdifche Liebe«
des Kaifer-Friedrich-Mufeums, ein Bild, das
Baglione S. 136 unter den frühen Bildern
unzweideutig erwähnt: amore divino che
sommettava il profano. Es war nidit direkt
für den Marchese Giustiniani gearbeitet,
wie der etwas fpätere »Cupido a sedere«,
ebenfalls in Berlin, wurde aber von ihm
erworben. Weder ftiliftifch, noch quellen»
kritifch ift an diefem Bild zu zweifeln, das
noch manche manieriftifchen Einfehläge ent»
hält, die für die Frühzeit Caravaggios, wie
auch Longhi konftatiert, diarakterifiifch find.
Falt noch feltfamer ifi es <wenn es nicht
aus Verfehen gefchehen), daß V. ein fo
berühmtes und dreifach belegtes Gemälde,
wie die »Wahrfagende Zigeunerin« fort»
läßt. Das Exemplar in Paris, das zum
alten Befiand des Louvre gehört, dürfte
dabei wohl den Vorzug vor dem der
kapitolinilchen Sammlung haben. Schließ»
lidi halte ich auch den »Liegenden Bachus«
des Städelfchen Inftituts zu Frankfurt a. M.
für ein quellenmäßig gefiebertes Werk
Caravaggios <zum mindeften der Kom-
pofition nach). Zwar ifi die Zufchreibung
an Caravaggio von Benkard fcharf und
mit fehwerem ftiliftifihen Gefihütz ange»
griffen worden. Ich glaube jedoch, neue
Gründe dafür beibringen zu können, daß
Benkard fich hierin geirrt hat. Darüber
an anderer Stelle. <Übrigens fcheint V.
diefen methodifth fehr wichtigen Auffatz
Benkards in der »Zeitfchrift für bildende
Kunft 1919« überfehen zu haben, da er
ihn in dem fonft forgfältigen Literatur»
Verzeichnis nicht aufführt).
In der kurzen Einleitung führt Venturi
das künfilerilche Wefen Caravaggios auf
»semplificazione« und »rivelazione« zurück
— auf Vereinfachung und Unmittelbarkeit
der Vifion, Ich glaube, daß er damit
Wefentliches von diefem fogenannten
»Naturaliften« ausgefagt hat. Eine nach
jeder Hinficht kunfikritifdie Biographie
Caravaggios bleibt noch immer eine der
dringendften Defiderata der Kunftgefihichte.
Vielleicht fteht es zu hoffen, daß Lionello
Venturi, der (chon feit fo langer Zeit fich
mit diefem Meifier befihäfiigt und auch in
feinem »Giorgionismo« die Brücke zu dem
jungen Caravaggio fihlug, feine Studien

in äfthetifchem wie bildgefthichtlichem Sinne
zufammenfaßt. W. Triedfaetider, Treißurg
NEKROLOGE
Oswald von Kutfchera-Woborsky f
Oswald von Kutfthera — Offi, wie ihn
feine Freunde nannten, die den über»
fihlanken und nervenfeinen Epheben der
Studienjahre auch in dem gereiften Manne
niemals vergeffen konnten — hat feine
lange Leidenszeit überftanden ,• dem von
tückilcher Zuckerkrankheit Ausgehöhlten
ifi endlich der Friede zuteil geworden.
Ein vielverfprechendes Leben ifi Brudi»
fiück geblieben,- von den 34 Jahren, die
Kutfchera zugemeflen waren, hat er die
zwei letzten, die reifften, durch einen
qualvollen Todeskampf verloren. Menfth-
lich ifi dem kleinen Kreife von Freunden,
die dem fiillen Märtyrer — der vordem
ein fehr fiiller Menich gewefen war —
näher kommen durften, viel genommen
worden,- hier geziemt es fich nur von dem
Verluftzu fprechen, den unfere Wiffenfchaft
durch diefen Todesfall erleidet.
Es ziemt fich um fo mehr davon zu
fprechen, als er auch feine wifienlchaftliche
Ernte nicht einzubringen vermochte,- was
er veröffentlicht hat, find Abfälle von
groß angelegten Arbeiten, von denen kaum
ein brauchbarer Refi im Nachlaß Kutfcheras
zu finden fein dürfte. Es hängt dies mit
feiner Perfön]ichkeit und feiner Arbeits»
methode zufammen. Ein Schüler Max
Dvoräks, an dem er zeitlebens mit ver»
ehrender Liebe gehangen war, hat er viel
von defien doppeltem Streben nach Breite
und Tiefe zugleich geerbt,- was aber bei
feinem Lehrer auf zwei deutlich gefthiedene
Lebensperioden verteilt gewefen war, ifi
in Kutfcheras noch dichter gedrängter Pro»
duktivität Einheit gewefen. Er hatte einen
ungeheuren Hunger nach Tatfachen und
gleichzeitig eine tiefe Sehnfucht, die letzten
Urfachen zu erkennen,- ein gewaltiger Lefer,
ein unermüdlicher llrkundenforfcher, ein
Kenner von weitefier Monumentenkennt»
nis, hat er doch wieder erft in der Ver-
knüpfung diefer Tatfachenmengen mit
der geifiesgefihichtlichen Entwicklung das
eigentliche Ziel feines Strebens gefehen.
Sein Geifi befaß die unerfättliche Neu»
gierde, die fich niemals befriedigen läßt.

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