daß dem notwendig Typischen nicht auch die Menge, die künst"
lerische »Plebs" des minder Lharakteristischen folgte: der große Zug
leidet noch unter einem Wirrwarr des Allzuvielen. Und grade an
den führenden Persönlichkeiten des Stückes zeigt sich's dann doch
wieder, daß es den Dichter immer noch stärker dahindrängt, seine Er-
fahrungen begrifflich zu deuten, als einen „Lebenssinn" künstlerisch
mit dem vollen Menschenwesen erfühlt wiederzugeben. Aber wenn
denn schon seine Helden stärker theoretisieren, als ihnen und dem
Charakterleben des Stückes zukommt, und manchmal auch bei Längen
und Wiederholungen weniger klar, als gut tut — welch ein Unter-
schied doch zwischen den ganz allgemein gehaltenen Ausführungen im
„Seekönig" und dem bestimmt gefärbten Lebensgehalte, den die »Welt--
anschauungen" hier je nach der besonderen Stellung ihrer Träger
gewinnen.
Marcantonio di Lando, der Iesuitengeneral, er konnte mit seiner
antikstolzen Seele nicht wohnen bleiben „in dem dunkeln Tale, wo
sich der kleine Menschenjammer spreizt"; in dem „weiten Aschenfeld"
der Zeit, wo nicht ein „Fünkchen Geistes", wo nicht eine der Ideen
mehr lebt, „die uns ein Gott in diese Welt gelegt, um Sterblichkeit
und namenloses Llend zu ertöten". Drum hat er sich von der „träg
gewordenen Masse" weg dahingewandt, wo ihn „der Geist magnetisch"
an sich zog. Der Idee Loyolas hat er sich ergeben, dem „kolossalen
Plan, „Kapazitätenfreimaurerei" zu schaffen und „die Welt wie einem
Gotte dem einen Manne in einem Gäßchen Roms" zu Füßen zu
legen. Er ist Iesuit geworden und der erste Rat des echten Fürsten,
des Großherzogs, um der Herrscherkraft „mit Freuden jeden Opfer-
dienst zu bringen, der sie veredeln kann zu reinrem Zwecke". Denn
„glaubt mir^, sagt er zu seinem „Gegenbilde", dem Grafen Uberti,
„Die Zeit verfällt, ein reiches Erbe,
In sichrer Folgenreih der Machtidee:
und schleppt ihr durch euer ganzes Leben
den lahmen Gang von euerm Rechtsprozeß,
Ihr streitet's ihr nicht ab.
Doch auch dieser, der als politischer Idealist einen Staat, eine
Gewaltmacht unter äußeren Gewalten, in innerer Freiheit erwecken
will, bleibt mit seinem Idealismus keineswegs im allgemeinen stecken.
Besonders wichtig aber erscheint er, der adlige Dichter und Denker,
weil seinen Außerungen über das Werden seines eigenen Charakters
und die Gründe seiner politischen Verzweiflung wohl auch persön«
liche Bekenntnisse Veltheims mit zugrunde liegen. Völlig gleichgesetzt
zwar wird er sich kaum mit dem Grafen Uberti haben, der das
Schicksal anklagt ob des „Erbgebrechens", das es ihm von seinen
Ahnen her überwies in dem „jähen Wechsel von Schwärmerei zum
Menschenhaß, von vollster Lebenskraft zu schlaffer Ruh, von Lust
zu Ekel"; und kaum wohl ganz mit dem Patrioten, der es als Spott
des Fatums empfindet, in einer Zeit leben zu müssen, die ihn mit
seinem Streben aus ihren Grenzen ausweist wie einen Bettelmann,
„im zerrissnen Mantel nichts als harte Rinden abgestandenen Kum-
mers," sodaß er unterliegend in ein Idyll der Kunst und der Natur
2. Aprilheft
67
lerische »Plebs" des minder Lharakteristischen folgte: der große Zug
leidet noch unter einem Wirrwarr des Allzuvielen. Und grade an
den führenden Persönlichkeiten des Stückes zeigt sich's dann doch
wieder, daß es den Dichter immer noch stärker dahindrängt, seine Er-
fahrungen begrifflich zu deuten, als einen „Lebenssinn" künstlerisch
mit dem vollen Menschenwesen erfühlt wiederzugeben. Aber wenn
denn schon seine Helden stärker theoretisieren, als ihnen und dem
Charakterleben des Stückes zukommt, und manchmal auch bei Längen
und Wiederholungen weniger klar, als gut tut — welch ein Unter-
schied doch zwischen den ganz allgemein gehaltenen Ausführungen im
„Seekönig" und dem bestimmt gefärbten Lebensgehalte, den die »Welt--
anschauungen" hier je nach der besonderen Stellung ihrer Träger
gewinnen.
Marcantonio di Lando, der Iesuitengeneral, er konnte mit seiner
antikstolzen Seele nicht wohnen bleiben „in dem dunkeln Tale, wo
sich der kleine Menschenjammer spreizt"; in dem „weiten Aschenfeld"
der Zeit, wo nicht ein „Fünkchen Geistes", wo nicht eine der Ideen
mehr lebt, „die uns ein Gott in diese Welt gelegt, um Sterblichkeit
und namenloses Llend zu ertöten". Drum hat er sich von der „träg
gewordenen Masse" weg dahingewandt, wo ihn „der Geist magnetisch"
an sich zog. Der Idee Loyolas hat er sich ergeben, dem „kolossalen
Plan, „Kapazitätenfreimaurerei" zu schaffen und „die Welt wie einem
Gotte dem einen Manne in einem Gäßchen Roms" zu Füßen zu
legen. Er ist Iesuit geworden und der erste Rat des echten Fürsten,
des Großherzogs, um der Herrscherkraft „mit Freuden jeden Opfer-
dienst zu bringen, der sie veredeln kann zu reinrem Zwecke". Denn
„glaubt mir^, sagt er zu seinem „Gegenbilde", dem Grafen Uberti,
„Die Zeit verfällt, ein reiches Erbe,
In sichrer Folgenreih der Machtidee:
und schleppt ihr durch euer ganzes Leben
den lahmen Gang von euerm Rechtsprozeß,
Ihr streitet's ihr nicht ab.
Doch auch dieser, der als politischer Idealist einen Staat, eine
Gewaltmacht unter äußeren Gewalten, in innerer Freiheit erwecken
will, bleibt mit seinem Idealismus keineswegs im allgemeinen stecken.
Besonders wichtig aber erscheint er, der adlige Dichter und Denker,
weil seinen Außerungen über das Werden seines eigenen Charakters
und die Gründe seiner politischen Verzweiflung wohl auch persön«
liche Bekenntnisse Veltheims mit zugrunde liegen. Völlig gleichgesetzt
zwar wird er sich kaum mit dem Grafen Uberti haben, der das
Schicksal anklagt ob des „Erbgebrechens", das es ihm von seinen
Ahnen her überwies in dem „jähen Wechsel von Schwärmerei zum
Menschenhaß, von vollster Lebenskraft zu schlaffer Ruh, von Lust
zu Ekel"; und kaum wohl ganz mit dem Patrioten, der es als Spott
des Fatums empfindet, in einer Zeit leben zu müssen, die ihn mit
seinem Streben aus ihren Grenzen ausweist wie einen Bettelmann,
„im zerrissnen Mantel nichts als harte Rinden abgestandenen Kum-
mers," sodaß er unterliegend in ein Idyll der Kunst und der Natur
2. Aprilheft
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