meisten Fällen an. Aber die Be-
scheidung als Ausdruck echter Vor--
nehmheit scheint heutzutage zu dem
Allerseltensten und Schwierigsten zu
gehören.
Die Kolonnade wird schön, wenn
sie in gute Hände kommt, sonst wird
sie schlimm. Es ist darum nicht zu
begreifen, warum die Stadt nicht
den Weg der künstlerischen Preis-
ausschreibung betritt und sich von
vornherein anerkannter Künstler
als Iuroren versichert, wie Theo--
dor Fischer, Gabriel von Seidl,
Schultze-Naumburg, Hermann Mu-
thesius, F. Ohmann und als Ken-
ner Salzburgs Drobny. Wird die
Stadtverwaltung dem Rat folgen?
Es gibt wenige Städte, bei denen
ein so köstliches Erbe an Schön-
heit zu verwalten ist, wie bei dieser.
Zieht aber nicht bald eine andre
Baupolitik ins Rathaus ein, so
werden die alten Schönheiten bald
von Häßlichkeiten umsponnen und
überwuchert sein. And wenn die
Mehrheit der Salzburger Bürger
selbst gleichgültig dagegen wäre,
liegt ihnen denn nicht wenigstens
als Bewohner der Fremdenstadt
Salzburg an ihrem Rufe?
Ioseph Aug. Lux
W Es wird weiter freigelegt
auch in Hamburg, so scheint es.
Leider erfahren wir erst heut, daß
schon im Dezember v. I. der Ham-
burger Senat die Bürgerschaft um
ihre Zustimmung zum Ankauf einer
Anzahl von Grundstücken rund um
die abgebrannte Michaeliskirche er-
sucht hat. Sie sind mitabgebrannt
und sollen nicht wieder aufgebaut
werden. Denn: „Erst die Beseiti-
gung der vielen kleinen Gebäude
wird später den schönen Kirchenbau
allseitig zur Geltung kommen lassen,"
so berichten ehrfürchtig die Zeitun-
gen. Erinnern sich unsere Leser des
Kallmorgenschen Bildes der Michae-
liskirche (Kw. XIX, 23)? Wenn
wir nicht irren, ist es gerade auch
diese Ecke mit dem freundlichen
kleinen Wohnhause in Fachwerk und
vorgekragten Geschossen, die der
neuen Kirche „im Wege" sein soll.
Und da reden und schreiben die
besten Köpfe unter den Künstlern
und Kunstgelehrten nun seit Iahr-
zehnten über den Unsug der „Frei-
legungen", da geht man in einzel-
nen Städten einsichtig daran, die
freigelegten Dome wieder hübsch
warm einzubauen, da beschließt
Hamburg, die Kirche so gut es
geht, in der alten Form wieder
aufzubauen, so daß man meinen
sollte, zum mindesten könne nicht
viel verdorben werden. Nein, der
Zeitgeist liegt auf der Lauer und
nimmt sich die „Freiheit" so weit
er sie kriegen kann. Die kleine
Viertelmillion, die sie wohl kosten
wird, kann Hamburg schon bezahlen,
und so wird dafür gesorgt werden,
daß an Stelle des alten, traulichen
Gedränges eine neue Nüchternheit
entsteht, zwischen der die korrektest
wiederaufgebaute Michaeliskirche
doch wie ein kaltes und fremdes
Ding dastehen wird.
Anna AmalienS ^
hundertster Todestag hat den An-
laß zu allerhand Aufsätzen gegeben,
von denen uns der Alexanders von
Gleichen-Rußwurm in der „Frkf.
Ztg." am besten gefallen hat. Aus
den Anschauungen eines Mannes
heraus, der gleichsam durch Fami-
lientradition mit der großen Zeit
Weimars verbunden ist, enthält er
so feine wie zutreffende Betrach-
tungen insbesondere über die Ge°
selligkeit von damals und von heute.
„Ein unbefangener, fröhlicher Dilet-
tantismus, wie er in den Zeiten
der Renaissance und noch einmal
im (8. Iahrhundert herrschte, ist
unbedingt nötig für interessanten
Verkehr. Alles liebevoll versuchen,
s. Maiheft 1907
scheidung als Ausdruck echter Vor--
nehmheit scheint heutzutage zu dem
Allerseltensten und Schwierigsten zu
gehören.
Die Kolonnade wird schön, wenn
sie in gute Hände kommt, sonst wird
sie schlimm. Es ist darum nicht zu
begreifen, warum die Stadt nicht
den Weg der künstlerischen Preis-
ausschreibung betritt und sich von
vornherein anerkannter Künstler
als Iuroren versichert, wie Theo--
dor Fischer, Gabriel von Seidl,
Schultze-Naumburg, Hermann Mu-
thesius, F. Ohmann und als Ken-
ner Salzburgs Drobny. Wird die
Stadtverwaltung dem Rat folgen?
Es gibt wenige Städte, bei denen
ein so köstliches Erbe an Schön-
heit zu verwalten ist, wie bei dieser.
Zieht aber nicht bald eine andre
Baupolitik ins Rathaus ein, so
werden die alten Schönheiten bald
von Häßlichkeiten umsponnen und
überwuchert sein. And wenn die
Mehrheit der Salzburger Bürger
selbst gleichgültig dagegen wäre,
liegt ihnen denn nicht wenigstens
als Bewohner der Fremdenstadt
Salzburg an ihrem Rufe?
Ioseph Aug. Lux
W Es wird weiter freigelegt
auch in Hamburg, so scheint es.
Leider erfahren wir erst heut, daß
schon im Dezember v. I. der Ham-
burger Senat die Bürgerschaft um
ihre Zustimmung zum Ankauf einer
Anzahl von Grundstücken rund um
die abgebrannte Michaeliskirche er-
sucht hat. Sie sind mitabgebrannt
und sollen nicht wieder aufgebaut
werden. Denn: „Erst die Beseiti-
gung der vielen kleinen Gebäude
wird später den schönen Kirchenbau
allseitig zur Geltung kommen lassen,"
so berichten ehrfürchtig die Zeitun-
gen. Erinnern sich unsere Leser des
Kallmorgenschen Bildes der Michae-
liskirche (Kw. XIX, 23)? Wenn
wir nicht irren, ist es gerade auch
diese Ecke mit dem freundlichen
kleinen Wohnhause in Fachwerk und
vorgekragten Geschossen, die der
neuen Kirche „im Wege" sein soll.
Und da reden und schreiben die
besten Köpfe unter den Künstlern
und Kunstgelehrten nun seit Iahr-
zehnten über den Unsug der „Frei-
legungen", da geht man in einzel-
nen Städten einsichtig daran, die
freigelegten Dome wieder hübsch
warm einzubauen, da beschließt
Hamburg, die Kirche so gut es
geht, in der alten Form wieder
aufzubauen, so daß man meinen
sollte, zum mindesten könne nicht
viel verdorben werden. Nein, der
Zeitgeist liegt auf der Lauer und
nimmt sich die „Freiheit" so weit
er sie kriegen kann. Die kleine
Viertelmillion, die sie wohl kosten
wird, kann Hamburg schon bezahlen,
und so wird dafür gesorgt werden,
daß an Stelle des alten, traulichen
Gedränges eine neue Nüchternheit
entsteht, zwischen der die korrektest
wiederaufgebaute Michaeliskirche
doch wie ein kaltes und fremdes
Ding dastehen wird.
Anna AmalienS ^
hundertster Todestag hat den An-
laß zu allerhand Aufsätzen gegeben,
von denen uns der Alexanders von
Gleichen-Rußwurm in der „Frkf.
Ztg." am besten gefallen hat. Aus
den Anschauungen eines Mannes
heraus, der gleichsam durch Fami-
lientradition mit der großen Zeit
Weimars verbunden ist, enthält er
so feine wie zutreffende Betrach-
tungen insbesondere über die Ge°
selligkeit von damals und von heute.
„Ein unbefangener, fröhlicher Dilet-
tantismus, wie er in den Zeiten
der Renaissance und noch einmal
im (8. Iahrhundert herrschte, ist
unbedingt nötig für interessanten
Verkehr. Alles liebevoll versuchen,
s. Maiheft 1907