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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 20,2.1907

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Heft 19 (1. Juliheft 1907)
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Avenarius, Ferdinand; Schumann, Paul: Marken und Münzen: zu dem Preisausschreiben des Dürerbundes
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https://doi.org/10.11588/diglit.8626#0423

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sozusagen auf dem Verordnungswege. Weißt d u etwa, Leser, wer
die verbreitetsten deutschen Kleinknnstwerke, die den stolzen Namen
des Reiches führen, gestaltet hat? Der Franzose weiß es von seinen
Marken und Münzen: Wänner, die er unter seinen besten Künstlern
nennt. Aber wir in Deutschland? Rnsre Münzen und Marken — o,
sie nebeln aus undurchsichtigen Höhen gelegentlich auf uns herab,
ohne daß irgendwer von uns gewöhnlichen Staatsbürgern vor dem
Fall von ihren Urhebern wüßte. Selbst wenn sie da sind, erfährt
höchstens bei den Münzen einmal der eifrig Forschende Bescheid, bei
den Briefmarken bleibt des Lrfinders großer Name in ein wohl--
tätiges Dunkel gehüllt. Denn daß man z. B. für die jetzigen Marken
aus dem Reichspostamt um die Lcke zum nächsten Geschäftsmarken--
laden geschickt habe, ist eine unerwiesene Behauptung, geeignet, einen
tüchtigen Ladeninhaber in der Leipzigerstraße zu diskreditieren.

Der Scherz verletze nicht! Die Schuld trifft nicht einzelne
Menschen, sie trifst eine Einrichtung, die*hier Männer zwingt, über
künstlerische Fragen zu entscheiden, die weit ab von ihren eigentlichen
Arbeiten liegen. Vielleicht spielen auch noch andre Faktoren mit
hinein — was hätt' es für Zweck, von ihnen zu sprechen, wenn es
nicht Vorwürfe und ärgerlich Blut zu machen, wenn es zu bessern
gilt? Wollen wir endlich Marken und Münzen bekommen, die des
neuen Reiches Herrlichkeit würdig sind, so muß man vor allem sehen,
wie solche sein könnten. An der Anschauung wird der Wille er--
starken, hierin nicht länger selbst hinter kleinen LLndern zurückzustehn.
Und hat man den Willen lebendig und ernst, so findet man nach
dem alten Spruch auch den Weg.

Aus solchen Erwägungen heraus schreibt der Dürerbund jetzt
einen Ideen-Wettbewerb um Lntwürfe für deutsche Briesmarken und
Geldmünzen aus. Seinem Zwecke entsprechend ist das Ausschreiben
in jeder Hinsicht so frei gehalten, wie uns irgend möglich schien.
Es soll den Künstlern im deutschen Volke den weitesten Spielraum
lassen, zu zeigen, »wie sie sich's denken". Auf, beginnen wir nun mit
dieser Vorarbeit zu einer künstlerischen Münz- und Marken-
Reform! A

Preisausschreiben für reichsdeutsche Münzen und Briefmarken

Es gibt keinen Gegenstand öffentlicher Kunst, der auch nur annähernd
in gleichem Maße milliardenfach hergestelltes Allgemeingut wäre, wie
die Briefmarken und die Münzen. Sie kommen täglich, fast darf man
sagen: in jede Hand. Und während die Münze ihren Umlauf im
wesentlichen immerhin auf das Reich beschränkt, wandert die Briefmarke
außerdem noch zu Millionen in alle Welt. Die Augen des ganzen
eigenen Volkes üben ihren Geschmack, ohne sich dessen bewußt zn werden,
tagtäglich an Münzen und Marken, für das Ausland aber bildet den
ersten und nächstliegenden Anhalt zur Beurteilung der künstlerischen Kultur
eines fremden Landes seine Briefmarke. Wie viele Länder haben trotz--
dem schönere Briefmarken als unser Vaterland! Amd wie viel schöner
sind z. B. die französischen Münzen als die unsern! Aber trotzdem ist
noch nie der Versuch gemacht worden, unsre Künstler zu dem Wettbewerb
aufzurufen: zeigt, wie unsre Münzen und Marken sein könnten!

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