Übrigcns: wenn man schon cinc ganzc Wcll»
anschauung ini Knopfloch daoonrragcn kann,
muß sie auch darnach sein. Und daher
kommt cs denn auch, daß wir uns heut-
zutage so viel herumsireiten; denn je billiger
die Weltanschauungen sind, desio leichter
können sie als Kanonen- und Handgranaten-
futter benutzt werden.
Jn Wien isi kürzlich ein junger Mann
vvn einem anderen getötet worden, weil er
cin Frisch-Fromm-Fröhlich-Frei-Zeichen aus
dcr Brusi trug, waö der andere sür ein
Hakcnkrcuz hielt.
Hättcn sich die beiden Herren dagegen in
eincm nctten Wiencr Cafe bci Schlag-
vbers zusammengcsetzt und zu disputieren an-
gefangcn, so hätten sie sich wahrscheinlich ein
bißchen ticfer aussprcchen müsscn und cs
hätte sich gczeigt, daß cine Weltanschauung
inS Knopfloch nicht gut zu oerstauen ist.
Sie hätten oielleicht erkannt, daß die Gründc
und Probleme einer Weltanschauung doch
ein bißchen tieser führen als daS Knopfloch,
und sie wären gewiß als Gentlemen oon-
einander geschieden, statt zum Messer zu
greifen.
Wie wärc cS, wenn wir wicder anfingon,
Blumcn inS Knopfloch zu stecken statt Welt-
anschauungcn? P. Th. H.
Laps'land-Klattg
l'c- in Lappenzelt, von drei Seiten umge-
^ ben oon Wasser, auf der oierten zusam-
menhängend mit der unendlichen Wcite der
Wildmark. Sein Bcsitzer ist Nils Nilsson
und 2li!i heißt scin Weib. Wir hausen darin
zu Drikt. Oraußcn schlagen auf dcm wcichcn
Boden kaum hörbar dic Hufe der Rene
auf. Hundegekläff umhütek sie. Unser Lebcn
hier ist so einfach Ivie daS unserer Vorväter
ovr Tauscnden von Jahren. Wir sorgen für
Essen und Feuer. Für nichtS sonsi. Unser
ganzcS käglichcS Tun hängk damit zusam-
men. Wir mclken die Rcnkühe, wir kochcn
Renntierfleisch, wir fangen Fische. ^ Wir
pflückcn auch Bcercn. Don cincr Schönheit
der Farbe und eincm paradiesischcn Aroma,
wie Gott sie nur dcn an seinem Herzen
Lebcndcn schcnkr. Hier — zwanzig Meilen
nördlich vom Polzirkel.
Ich wache auf und blicke in ein Wunder.
Die Berge stehen in eincr unerhörten Klar-
heit. Die Sonne schcint so lcuchtend, als
schicnen tausend Sonncn. Jn jedeni Tau-
tropfen hängt ein Skrahl. Um jeden Gip-
fel zucken sie wie blitzende Speere Di»
Pocsie der Wildmark strömt aus dcr Erde.
Sie stüczt sich in mich mit tausend Düften.
Sie fesselt und umspannt mich mit ihrer
Stille. Jch höre die Stille. Der Atcm
GotteS isi in ihr und die verschwundenen
Jahrmillionen.
Auf dem Zweig ciner kriechenden Weide
schläft eine weiße Fjäll-Eulc. RegloS, wie
aus Stein gcmeißelt. AlS hättc sie in Jahr-
tausenden so gesessen. Ein Adler gleitet und
vccschwindet hinter einem Gipfel. Über den
See ziehen Taucher und reißen mit lautem
Schrei einen Riß in die Stille.
Rils Nilsson zicht die Netze ein und in
unserm Bovt häufen sich weißglänzende zuk-
kende, fette Fische. Sie bilden unser Mor-
genmahl. Danach glbt es Kasfee. Söhr
siarken Kaffce, dcm Aili eine Prise Salz zu-
sctzt, um damik dcn letzten Rest von Aroma
aus dcn Bohnen zu ziehen. Dazu essen wir
Paltbrot. Bereitet auS Roggenmehl und
Rennticrblut.
DaS Essen isi daü leichtesie Tun hier oben.
DaS Schlafcn ist schon schwerer. Durch die
Zeltöfsnung dringt von oben der Schcin dcr
Mikternachtssonne. Im Zelt duftet cS nach
Wacholdcr, Kaffee und Ticrfellen. I Der
Gcisi der Wildmark ist mächtig. Er nimmt
cincn in seine Arme und flüstert, raunt und
crzählt. Die Stille isi übcrwältigend. Dic
Zcit hört auf hier oben, weil Zeit etwas
isi, daS die Menschen erfandcn. Und hier
wohnt Gotk. Manchmal teilt der Schrci
eincr Wildganü diesc Zeit in War, und
Wird. Man kriccht vorsichtig auS dem Zelt.
Zauber, den kein menschlichcS Wort er-
klären kann, umklammcrt mich. Gottcs 2lll-
macht und dicser Zauber rcißen an mir.
Jcder Blick, jeder Atcmzug, jcder Gedanke
isi ein wirreS Gcbet. Man wird aufge-
sogen von Luft, Erde und Himmel. Man
isi nicht mehr. . . Dicses Lcichte, daS Lic-
gen und Horchen und Starren in die Stille,
das ist das Schwcrsic hier. . .
An jedem neuen Morgen steigt dcr Rauch
unseres ZeltcS unwirklich blau zum blauen
Himmel. Und an jcdem ncuen Morgen
stcigcn die Bcrge in unglcichen Leitmotivcn
zu einem großen Einklang in dic klare Luft.
Die ist so klar, daß cS keine Begrisfe füc
Höhen und Entfernungen gibt. Zu Füßen
des Fjällü schcint ein zweiter Himmel auü-
gebreitet. Occhidccnfeldcr umsäumen in
Märchenbläuc den See. Königükerzen bren-
nen und leuchken. Fingcrhut und Blau-
glockcn glühen in fasi tropischer Farbcn-
pracht. Und Margeriken tragen in weißen
70
anschauung ini Knopfloch daoonrragcn kann,
muß sie auch darnach sein. Und daher
kommt cs denn auch, daß wir uns heut-
zutage so viel herumsireiten; denn je billiger
die Weltanschauungen sind, desio leichter
können sie als Kanonen- und Handgranaten-
futter benutzt werden.
Jn Wien isi kürzlich ein junger Mann
vvn einem anderen getötet worden, weil er
cin Frisch-Fromm-Fröhlich-Frei-Zeichen aus
dcr Brusi trug, waö der andere sür ein
Hakcnkrcuz hielt.
Hättcn sich die beiden Herren dagegen in
eincm nctten Wiencr Cafe bci Schlag-
vbers zusammengcsetzt und zu disputieren an-
gefangcn, so hätten sie sich wahrscheinlich ein
bißchen ticfer aussprcchen müsscn und cs
hätte sich gczeigt, daß cine Weltanschauung
inS Knopfloch nicht gut zu oerstauen ist.
Sie hätten oielleicht erkannt, daß die Gründc
und Probleme einer Weltanschauung doch
ein bißchen tieser führen als daS Knopfloch,
und sie wären gewiß als Gentlemen oon-
einander geschieden, statt zum Messer zu
greifen.
Wie wärc cS, wenn wir wicder anfingon,
Blumcn inS Knopfloch zu stecken statt Welt-
anschauungcn? P. Th. H.
Laps'land-Klattg
l'c- in Lappenzelt, von drei Seiten umge-
^ ben oon Wasser, auf der oierten zusam-
menhängend mit der unendlichen Wcite der
Wildmark. Sein Bcsitzer ist Nils Nilsson
und 2li!i heißt scin Weib. Wir hausen darin
zu Drikt. Oraußcn schlagen auf dcm wcichcn
Boden kaum hörbar dic Hufe der Rene
auf. Hundegekläff umhütek sie. Unser Lebcn
hier ist so einfach Ivie daS unserer Vorväter
ovr Tauscnden von Jahren. Wir sorgen für
Essen und Feuer. Für nichtS sonsi. Unser
ganzcS käglichcS Tun hängk damit zusam-
men. Wir mclken die Rcnkühe, wir kochcn
Renntierfleisch, wir fangen Fische. ^ Wir
pflückcn auch Bcercn. Don cincr Schönheit
der Farbe und eincm paradiesischcn Aroma,
wie Gott sie nur dcn an seinem Herzen
Lebcndcn schcnkr. Hier — zwanzig Meilen
nördlich vom Polzirkel.
Ich wache auf und blicke in ein Wunder.
Die Berge stehen in eincr unerhörten Klar-
heit. Die Sonne schcint so lcuchtend, als
schicnen tausend Sonncn. Jn jedeni Tau-
tropfen hängt ein Skrahl. Um jeden Gip-
fel zucken sie wie blitzende Speere Di»
Pocsie der Wildmark strömt aus dcr Erde.
Sie stüczt sich in mich mit tausend Düften.
Sie fesselt und umspannt mich mit ihrer
Stille. Jch höre die Stille. Der Atcm
GotteS isi in ihr und die verschwundenen
Jahrmillionen.
Auf dem Zweig ciner kriechenden Weide
schläft eine weiße Fjäll-Eulc. RegloS, wie
aus Stein gcmeißelt. AlS hättc sie in Jahr-
tausenden so gesessen. Ein Adler gleitet und
vccschwindet hinter einem Gipfel. Über den
See ziehen Taucher und reißen mit lautem
Schrei einen Riß in die Stille.
Rils Nilsson zicht die Netze ein und in
unserm Bovt häufen sich weißglänzende zuk-
kende, fette Fische. Sie bilden unser Mor-
genmahl. Danach glbt es Kasfee. Söhr
siarken Kaffce, dcm Aili eine Prise Salz zu-
sctzt, um damik dcn letzten Rest von Aroma
aus dcn Bohnen zu ziehen. Dazu essen wir
Paltbrot. Bereitet auS Roggenmehl und
Rennticrblut.
DaS Essen isi daü leichtesie Tun hier oben.
DaS Schlafcn ist schon schwerer. Durch die
Zeltöfsnung dringt von oben der Schcin dcr
Mikternachtssonne. Im Zelt duftet cS nach
Wacholdcr, Kaffee und Ticrfellen. I Der
Gcisi der Wildmark ist mächtig. Er nimmt
cincn in seine Arme und flüstert, raunt und
crzählt. Die Stille isi übcrwältigend. Dic
Zcit hört auf hier oben, weil Zeit etwas
isi, daS die Menschen erfandcn. Und hier
wohnt Gotk. Manchmal teilt der Schrci
eincr Wildganü diesc Zeit in War, und
Wird. Man kriccht vorsichtig auS dem Zelt.
Zauber, den kein menschlichcS Wort er-
klären kann, umklammcrt mich. Gottcs 2lll-
macht und dicser Zauber rcißen an mir.
Jcder Blick, jeder Atcmzug, jcder Gedanke
isi ein wirreS Gcbet. Man wird aufge-
sogen von Luft, Erde und Himmel. Man
isi nicht mehr. . . Dicses Lcichte, daS Lic-
gen und Horchen und Starren in die Stille,
das ist das Schwcrsic hier. . .
An jedem neuen Morgen steigt dcr Rauch
unseres ZeltcS unwirklich blau zum blauen
Himmel. Und an jcdem ncuen Morgen
stcigcn die Bcrge in unglcichen Leitmotivcn
zu einem großen Einklang in dic klare Luft.
Die ist so klar, daß cS keine Begrisfe füc
Höhen und Entfernungen gibt. Zu Füßen
des Fjällü schcint ein zweiter Himmel auü-
gebreitet. Occhidccnfeldcr umsäumen in
Märchenbläuc den See. Königükerzen bren-
nen und leuchken. Fingcrhut und Blau-
glockcn glühen in fasi tropischer Farbcn-
pracht. Und Margeriken tragen in weißen
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