Opfcrschalcn das Gclb ihrcr klcinen Son-
ncn. . . Kurz wie cin Traum ist diescr
Wundcrsommcr. . .
Hinter mir im Zelt sitzr Ailh das klcinc
Weib, mit der Morgenpfcifc im Mundwin-
kel. Sie hockt an der Feuerstclle in der
Mittc des ZeltcS und murmclt unbegreif-
lichc Worte. Sie spriiht mit dcm Feucr,
um es zu hellem ZZrcnnen zu entflammen.
Zwischen Mli und mir lagcn anfangs Jahr-
tauscnde. DaS Gcfühl dcr Mütterlichkeit
war daS Einzige, in dem wir uns begcg-
neten. Und die Sorge um die Wohnlichkeit
deS ZelteS und das Esscnbereiten. Aber ich
fühle, wic unü jetzt schon AndcrcS vcrbin-
dct. Dcr Glaube an geheimnisvolle Kräfte
in unS selbsi und an solchc, die unS um-
gebcn. Die auS Stcin, Erde und Lust zu
unü strömen. Ich folge ihrem Märchentum
nicht nur mchr aufmerksam und neugicrig,
sondcrn gläubig. Sie lchrt mich fremde
Kräfte frci machcn und fesseln. Jch nehmc
Besitz von ihrcm Heidcntum, und ihr Heiden-
lum grcift nach mir. Aili isi Chrisiin. Abcr
ihr Christentum isi hicr zu wenig. Es vcr-
bindck sic nicht mit Stcin und Baum, mit
Wasscr und Luft. Es hilft ihr nicht gcgcn
die Unterirdischcn und nicht gcgcn dcn böscn
Zauber, dcr oon Lebcndigem auügeht.
Chrisientum isi eben hinreichend . für die
wcnigen Male im Jahrc, an dencn ihre
Herde einc Kirche sircift. Es isi ihr wie
cine gutc Stubc, die man nur seltcn be-
trikt.
Ich liebc Nils und Arli. Ich bin nicht
„Tourist" für sic. Ach bin ihr Gast und ihr
Frcund. Ich war eü sosort, ohnc viel
Wortc. Man spricht hier obcn kcin un-
nötigeü Wort. Nicht von sich vor allcm.
Einer sucht rncht dcs andercn Wcsen. Es
tcilt sich cincm nüt. Hier oben gibt cs
keinc Hindcrnissc von Mcnsch zu Mcnsch.
Man hat hier kcine Bcdcutung. Es hak
kcinc Bedcutung, ob man gut oder böse isi.
Man ist nicht mchr alü cine Pflanze, cin
Baum odcr cin Ticr, daS für sein Lcbcn
kämpft. Und wächst man so Jcmandcm zu
seincr Hükte hinein, in sein Zelt, so gchörk
man zu ihm. Man teilt sein Lcben und
scin Schasfen. Bald auch scin Jnncnlcben.
Man denkt am Ende nichtü andcrcS wic
sie. Und darum schweigt man. Man isi so
miteinandcr vcrbundcn, daß man sich mit
Worten nichts mchr zu sagen hat.
Sie sind alle groß hier, die Mcnschcn, groß
in der engen Begrenztheit ihrer Alltäglich-
keit. Groß in ihrcm Fühlen und Dcnken.
Auch ihre Gastfreundschaft isi groß, weil
sie so selbsiverfiändlich ist. Jn einfachen,
großen Linien, den Linien ihrcr Berge gleich,
bewcgt sich ihr Leben, das längcr währt als
cin Leben in Zivilisation, weil man nur
scin Leben, sein Schicksal lebk. Es isi weit
wie die uncndlichen Moore und kicf wie ihre
Wälder. Klar und hell wic ihr Sommer,
und dunkeldräucnd wie ihr Winter.
Doch ich will kein unnützer Gasi scin.
Zwifchenher hackc ich Wacholdcrzweigc in
Stückchen und streue sic über dcn Zeltbodcn.
Jch breite die Fcllc in dcr Sonne auü und
putze den kupfcrncn Kaffcckcsscl. Jch schneide
manierlichc Scheibcn vom Rennticrschinken,
wozu Aili lächclt. Käsc machen wir auch.
Essen mag ich ihn nur, wenn er schr alt isi.
Wie ein Fest isi cü unS, wcnn wir ckwas
tun, was nicht nur Kochcn und Fcucrn
hcißk. Danu hämmcrt Nils an cincm breitcn
Silberringe sür mich, dcn er schmückt mit
winzig kleinen Ringcn. Sie hängen und
klappern und blitzen wie Stcine. ^sn jcdcm
Ninglcin dicscS Ringeü ist ein Wunsch fcst-
gckcttet. Auch Aili und ich habcn Feststun-
den, wcnn wir mit buntem Garn, in eincm
Kirchdorf gekauft, und Nadcln aus Rcnn-
tierknochcn hcrrlichc Kanten auf Festklcider
sticken. Jch versuche, Nils bcim Lösfel-
schnitzcn zu helfcn, abcr er lächelt mich aus.
So wie er damals lächcltc, alü ich das crste
Mal dcn Lasso nach cincm Ncnkalbc warf.
Jch fragc Nilü und Aili, ob sic sich jcmals
gczankt habcn. Sic schcn crstaunt anf mich.
Und schcn cinandcr ernst und fragcnd an.
Sie habeu nüch nicht vcrstanden.
Einmal muß ich wicdcr fort oon hier. Abcr
ich mag nicht daran denkcn. Noch zicht dic
Hcrde nach Nordcn. Und ich nüt ihr.
Jch wciß nicht, wic ich es schaffcn soll, wie-
dcr nüt tauscnd unbcdcutcndcn Dingcn fcrtig
zu wcrdcn, die in dcr Wclt untcn Gcwicht
habcn. Jch kann nicht daran dcnken. Jch
gehe immcr noch dcr Sonne cntgegcn. Abcr
dunkcl und böse kcimt in nür cin Haß gegen
diesc Wclt im Südcn. In dcr man sich
stößt, und die sich an mir stoßen wird. Un-
ten ist dic Welt. Aber hier ist dcr Dorhof
zum Jcnscitü. Schon Ewigkeit.
L o t < c M i t k c n d o r f - W ° l f f
ncn. . . Kurz wie cin Traum ist diescr
Wundcrsommcr. . .
Hinter mir im Zelt sitzr Ailh das klcinc
Weib, mit der Morgenpfcifc im Mundwin-
kel. Sie hockt an der Feuerstclle in der
Mittc des ZeltcS und murmclt unbegreif-
lichc Worte. Sie spriiht mit dcm Feucr,
um es zu hellem ZZrcnnen zu entflammen.
Zwischen Mli und mir lagcn anfangs Jahr-
tauscnde. DaS Gcfühl dcr Mütterlichkeit
war daS Einzige, in dem wir uns begcg-
neten. Und die Sorge um die Wohnlichkeit
deS ZelteS und das Esscnbereiten. Aber ich
fühle, wic unü jetzt schon AndcrcS vcrbin-
dct. Dcr Glaube an geheimnisvolle Kräfte
in unS selbsi und an solchc, die unS um-
gebcn. Die auS Stcin, Erde und Lust zu
unü strömen. Ich folge ihrem Märchentum
nicht nur mchr aufmerksam und neugicrig,
sondcrn gläubig. Sie lchrt mich fremde
Kräfte frci machcn und fesseln. Jch nehmc
Besitz von ihrcm Heidcntum, und ihr Heiden-
lum grcift nach mir. Aili isi Chrisiin. Abcr
ihr Christentum isi hicr zu wenig. Es vcr-
bindck sic nicht mit Stcin und Baum, mit
Wasscr und Luft. Es hilft ihr nicht gcgcn
die Unterirdischcn und nicht gcgcn dcn böscn
Zauber, dcr oon Lebcndigem auügeht.
Chrisientum isi eben hinreichend . für die
wcnigen Male im Jahrc, an dencn ihre
Herde einc Kirche sircift. Es isi ihr wie
cine gutc Stubc, die man nur seltcn be-
trikt.
Ich liebc Nils und Arli. Ich bin nicht
„Tourist" für sic. Ach bin ihr Gast und ihr
Frcund. Ich war eü sosort, ohnc viel
Wortc. Man spricht hier obcn kcin un-
nötigeü Wort. Nicht von sich vor allcm.
Einer sucht rncht dcs andercn Wcsen. Es
tcilt sich cincm nüt. Hier oben gibt cs
keinc Hindcrnissc von Mcnsch zu Mcnsch.
Man hat hier kcine Bcdcutung. Es hak
kcinc Bedcutung, ob man gut oder böse isi.
Man ist nicht mchr alü cine Pflanze, cin
Baum odcr cin Ticr, daS für sein Lcbcn
kämpft. Und wächst man so Jcmandcm zu
seincr Hükte hinein, in sein Zelt, so gchörk
man zu ihm. Man teilt sein Lcben und
scin Schasfen. Bald auch scin Jnncnlcben.
Man denkt am Ende nichtü andcrcS wic
sie. Und darum schweigt man. Man isi so
miteinandcr vcrbundcn, daß man sich mit
Worten nichts mchr zu sagen hat.
Sie sind alle groß hier, die Mcnschcn, groß
in der engen Begrenztheit ihrer Alltäglich-
keit. Groß in ihrcm Fühlen und Dcnken.
Auch ihre Gastfreundschaft isi groß, weil
sie so selbsiverfiändlich ist. Jn einfachen,
großen Linien, den Linien ihrcr Berge gleich,
bewcgt sich ihr Leben, das längcr währt als
cin Leben in Zivilisation, weil man nur
scin Leben, sein Schicksal lebk. Es isi weit
wie die uncndlichen Moore und kicf wie ihre
Wälder. Klar und hell wic ihr Sommer,
und dunkeldräucnd wie ihr Winter.
Doch ich will kein unnützer Gasi scin.
Zwifchenher hackc ich Wacholdcrzweigc in
Stückchen und streue sic über dcn Zeltbodcn.
Jch breite die Fcllc in dcr Sonne auü und
putze den kupfcrncn Kaffcckcsscl. Jch schneide
manierlichc Scheibcn vom Rennticrschinken,
wozu Aili lächclt. Käsc machen wir auch.
Essen mag ich ihn nur, wenn er schr alt isi.
Wie ein Fest isi cü unS, wcnn wir ckwas
tun, was nicht nur Kochcn und Fcucrn
hcißk. Danu hämmcrt Nils an cincm breitcn
Silberringe sür mich, dcn er schmückt mit
winzig kleinen Ringcn. Sie hängen und
klappern und blitzen wie Stcine. ^sn jcdcm
Ninglcin dicscS Ringeü ist ein Wunsch fcst-
gckcttet. Auch Aili und ich habcn Feststun-
den, wcnn wir mit buntem Garn, in eincm
Kirchdorf gekauft, und Nadcln aus Rcnn-
tierknochcn hcrrlichc Kanten auf Festklcider
sticken. Jch versuche, Nils bcim Lösfel-
schnitzcn zu helfcn, abcr er lächelt mich aus.
So wie er damals lächcltc, alü ich das crste
Mal dcn Lasso nach cincm Ncnkalbc warf.
Jch fragc Nilü und Aili, ob sic sich jcmals
gczankt habcn. Sic schcn crstaunt anf mich.
Und schcn cinandcr ernst und fragcnd an.
Sie habeu nüch nicht vcrstanden.
Einmal muß ich wicdcr fort oon hier. Abcr
ich mag nicht daran denkcn. Noch zicht dic
Hcrde nach Nordcn. Und ich nüt ihr.
Jch wciß nicht, wic ich es schaffcn soll, wie-
dcr nüt tauscnd unbcdcutcndcn Dingcn fcrtig
zu wcrdcn, die in dcr Wclt untcn Gcwicht
habcn. Jch kann nicht daran dcnken. Jch
gehe immcr noch dcr Sonne cntgegcn. Abcr
dunkcl und böse kcimt in nür cin Haß gegen
diesc Wclt im Südcn. In dcr man sich
stößt, und die sich an mir stoßen wird. Un-
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