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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,1.1925-1926

DOI Heft:
Heft 2 (Novemberheft 1925)
DOI Artikel:
Trentini, Albert: "Bobenmatz"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7999#0111

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zu werdcn pflegen. Bis ins Schwarze treffend wird sich das Publiknm über diesen
Punkt allerdings kaum zu erklären vermögen; es ift aber offenbar davon überzeugt,
daß das, was Molo sagt, und, weil er es sagt, auch zu sein fcheint, echt deutfch ift;
und zwar, gewissermaßen, deshalb echt deutfch, weil eS eher norddeutfch als süd-
deutfch ift; daher ftrebender, zwingender, unerbittlicher, als das Süddeutfche sein
kann; und, wicder daher, lebenswichtiger für daö deutfche Wesen, — aufbauender,
seele-, volk-, nnd ftaatfchasfender als jenes. Mit einem aushelfenden Worte: der
Durchfchnitt des Publikums, daS Molo verehrt und liebt, hält ihn für den Dichter
des kategorifchen Jmperativs preußifcher Prägung; und liebt und verehrt ihn, weil
es ihn hiefür hält. Bei Molo, so sagt eS sich, ift m'chts fchwächlich; nichts ver-
schwommen; nnd nichts halb. Die Form faft soldatifch-asketifch. Die Glieder seiner
logifchen Folgen eine gehorsame Miliz. Der Ausdruck kommandohaft-telegramma-
tifch. Der Jnhalt katechismifch, wenn nicht gar gesetzhaft; und zwar durchaus im
positivcn Sinne; ja positiv bis zum tollkühnen Bersprechen eines Walhall für den
zähnezusammenbeißenden Befolger seines kategorifchen Jmperativö. Zu all dieser
Kürze, dieser unwehleidigen Stärke und diesem optimiftifchen Glauben, so sagt sich
das Publikum weiter, kommt aber erft noch, daß Molo die deutfchen Helden zu
verehrcn und zu befchwören weiß. Jft es also zu viel gesagt, daß bei solcher Ein-
ftellung deü Publikums Molo geradezu der „gekrönte Dichter" eincö offiziellen
Deutfchlands der vorkriegerifchen Personenkulte und eines inoffiziellen der nach-
kriegerifchen Heroenanbctung werden konnte, — wenn nicht gar, schr wider scinen
Willen, wurde?

Dennoch ift Molos Geheimnis mit solchen Durchfchnittsausdeutungen nicht im
geringften schon bloßgelegt! Gewiß ift er biü auf die Knochen deutfch. Ohne Zweifel
(und zwar gerade, weil er süddeutfchen und zu ein paar Unzen auch italifchen Blutes
ift) mit besonderen Sympathien für den norddeutfchen Charakter begabt. Ebenso
unverkennbar scine ethifche, oft sogar moralisierende, und faft immer und überall
didaktifche Absicht. Jhm ift der Wille, daö Wollen, das Streben nach noch nicht
Erreichtem mehr als das Erreichte des glücklichften Augenblicks; die Fordernng des
Menfchen an sich selbft mehr als der ruhend unangeförderte Menfch; daö Jndivi-
duum mehr als die GattungSmasse; und überdies das sozial gerichtete Jndividuum
mehr als das egozentrifche,"das einzig nach eigener Selbftvollendung ftrebt. Jn all
diesen Derftanden also hat Vaü deutfche Publikum, mit seiner Empfindung vollkom-
men recht: Molo lebt kategorische Jmperative; Molo geftaltet sohin kategorische
Jmperative; und er verfügt dabei über eine Form, die mit ihrer Pfeilfchärfe, ihrer
Schützenkürze, und ihrer oft lutherhaft derb dreinfchlagenden Dialektik diesem kategori-
fchen Wollen aufs Genauefte angepaßt ift.

Aber mit all diesen Elementen seineS Gebautseins und Könnens ift scin „Geheimniö"
keineswegs erfchöpft. Niemals noch hat sich das Format cines Künftlerö nach dem
Format der „Jdeale" beftimmt, an denen er sich und vermittelft welcher er seine
Empfänger entzündct; vielmehr immer und überall einzig und allein nach den
Maßen seineö eigenen Formates! D

Welches aber ift Molos eigenes Format? . , -

Ein kurzer Blick auf den Prozeß der Entwicklung im Schöpferifchen, den Molo
durchgemacht hat, wird es erweisen. r,-

Don der erften Zeile an, die Molo fchrieb, war — ob auch der Umfang seiner
Begabung, die Tragfähigkeit seines Könnens und die Triebkraft seineS Schaffens-
geiftes noch nicht klar bloßlagen — doch Eineö offenbar: hier sitzt, in einem kern-
gesunden Mannsleibe, in einer ftrotzend männlichcn Natur, und von einer schmieg-
samen nnd überdies ruhelosen Jntelligenz bedient, ein unerbittlicher Willei 'Wille
wonach? Danach, sich in die Schar der Geifter e m p o r z u r i n;g e n,

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