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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

DOI issue:
Heft 7 (Aprilheft 1929)
DOI article:
Trentini, Albert: "Protestantismus und Wirklichkeit"
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.8886#0019

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tes?'', „Prokestankischer Glaube", „Predigt und IDort Gottes" und „Bibel
und Kirche". Von der „Wirklichkeit" aber, und zwar als einem GegensaH zu
„moderncm Geisi" und „heutigem Protesiantismus", handeln auch jene, die
dieses Wort im Titel nicht enthalten.

Was isi nun aber diese „Wirklichkeik" ? Jlntwork: aufgegeben isi uns allen
die heutige Situation, die Gogarten also umschreibt: „Eine geseHlos gewordene
Welt rufr nach GeseH, eine unwirklich gewordene Welt hungert nach Wirk-
lichkeit." Wer aber kann diesen Hunger stillen, jenen Ruf i'rhören? Der
„modernc Geisi"? Nein! Der „heutige Protesiantismus?" Äuch nicht! Diese
beiden seien es ja, die die Welk geseHlos und unwirklich gemacht haben; weil
sie, in völliger Verkennung der Wahrheik, „daß Gott den Mcnfchen nicht als
eine freie Persönlichkeik, sondern als einen Gebundenen gefchaffen hat, über den
bereits, von Gotk selbsi, verfügt ist", den Kern der menfchlichen Wirklichkeit
in der „Freiheit und Jchhaftigkeit dcr auf sich selbsi gesiellken Persönlichkeit"
gegeben erkennen. So könne denn heute nur noch ein Driktes helfen: wirklicher,
und das heißt, an jenem der Reformatoren orienkierter Protesiantismus! Mit
anderen Worten: eben jcne Gogartensche W irklichkeiL, die ich in der
Besprechung vom Mai 1927 versiändlich zu machen trachtete, und deren Grund-
wesenheiten sind: der Glaube an den dreieinigen Gott; der Glanbe an Gottes
Wort, dessen ganzen Inhalt das „GeseH" („Liebe den Herrn, deinen Gokt,
mit deiner ganzen Seelc...!" und „Liebe deincn Rkächsten wie dich selbsi!")
und das „Evangelium" („das Wort davon, daß dies GeseH, dessen Erfüllung
uns unmöglich isi, durch Iesum Chrisium erfüllt isi")bilden; das Sprechen und
das Hören dieses Worts als eines talo gusle — d. h., wie es historifch im
„äußerlichen Wort" der Bibel überliefert isi — gültigen; und die protesiantifche
Kirche als die Gemeinfchaft dieser Sprecher und Hörer.

Ich kann hier nur den roten Faden aufzeigen, der das ganze Buch durchzieht:
die Anklage, die Gogarten namens seiner „Wirklichkeit" gegen den „modernen
Geisi" und den von ihm verseuchten „heutigen Prokesiantisnms" erhebk.

Von diesen beiden llnwirklrchkeiten sagt er ungefähr so aus: Der
moderne Geisi fchwört auf die Autonomie der freien Persönlichkeit und ver-
absolutiert deren Ich. Ihm gilt einzig das Subjekt, alles Objekt aber — selbsi
Gott — nur als Material für den fchöpferifchen Drang des Subjekts, diese
Objekte in Inhalte seiner Innerlichkeit umzuwandeln. Der Reame dieses
Grundverhälknisses des modernen Geisies heißt „Eros", d. i. die Sucht, das
Objekt zum Gefchöpf, ja zur Sache des Subjekts zu machen. RÜatürlich ver-
ficht dieser moderne Geisi auch die volle persönliche Autonomie gegenüber den
„Ordnungen" des Rechts, des Staates, der Familie, der Ehe, der Schule, der
Erzichung, der Kirche und der Religion; und er fchafft auch die neueri „Gemcin-
fchaften", die er formt, als Gebilde rcin individualisiifcher Tendenz. Kirchen-
feindlich von Haus aus, privatisiert er so die Gläubigkeit auch innerhalb der
Gemeinfchaft: jedem ihrer Glieder soll einzrg dazu verholfen werden, „ganz
er selber zu sein,"... zu eincm „Gottsuchen im eigenen Fühlen, Denken, Er-
leben und Wollen" gelangcn zu können. Der Glaube dieses modernen Geistes
aber isi, selbsi wo er sich als Gottesglauben behauptet, ausfchließlich Glaube
an den Menschen! 2lls solcher aber fchon deshalb Aberglaube, weil er
durchaus auf eine Wirklichkeit bezogen erfcheint, deren Herr der Mcnfch isi;
 
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