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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

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Heft 11 (Augustheft 1929)
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Schaeffer, Albrecht: Offene oder heidnische Form
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Popp, Joseph: Zum Werdegang der neuen Einrichtung und Wohnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8886#0352

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telalterlich anmukender Erschemung. Auch für sie gilt das Wort, das ich
eiugangs sagte: „Was er ist, darau wird sein Wille bekeiligk sein, aber auch
er entscheidet es nichk." So osk auch sein christlicher Wille zum Schließen
drängte, in all seinen größken Gedichten blieb er ossen und sich ersüllend mit
weiter strahlender Welk. IHcht aus zuchtvoller Sprache allein, sondern
aus welthalkiger, aus durch und durch transzendenter Sprache kam seine
Wirkung.

Zum Werdegang der neuen EinrlchLung und Wohnung

Von Ioseph Popp

^^ch möchte den in diesem Heft abgebildeten Möbeln und Zimmern eiue kurze
-^)überschau der Entwicklung mitgeben: unsere schnellebige Zeit kennt ihre
eigene Geschichte nichk mehr; und doch bezeugk sie gerade für unser Gebiet, wie
wir die letzten dreißig Iahre eine ganz folgerichkige Entwicklung gegangen, die,
durch den Krieg unterbrochen, jetzt mit neuer Energie und steigendem Ersolg
weitergeführt wird.

Wir mußken erst mik dem Alten aufräumen, das heute noch in Kopf und Herzen
gerade mancher Besitzeuden wie ein unausrotkbarer Bazillus wirksam ist. Das
historische Stilmöbel war in den 8oer und 90er Iahren des vorigen Iahr-
hunderts in seiner ausgiebigsten Blüke gestanden; nachdem wir vorher die goti-
sierenden Möbel und Tirolerstuben gepflegt haben, setzte nun die deutsche Re-
naissance ein. Die Münchener „Fliegenden Blätter", die eine unerschöpfliche und
amüsanke Kritik auf allen Gebieten des Lebens übten, brachten wiederholk Ne-
naissancezimmer, in denen sich niemand rühren konnte, weil die Möbiel
alle Bewegungsfreiheit im Raum hemmten; sie zeigten, wie man auf Leitern
und Stühlen die schweren Kästen und mächtigen Büfetts erklettern mußte.
2luch der Hausrat des einfachen Mannes war mit gedrechselten Säulen, rei-
chen Profilen und Aussätzen überdekoriert. Wir verstehen das heute nicht mehr;
damals aber verstand man nicht das Neue und sein Werden. Es wurde von
den „Fliegenden" ebcnso verulkt wie der Gebranch des Alten.

Die neue Einrichtung und Raumgestaltung wurde durch die gleichen Künstler,
meist Maler, in die Wege geleitet, die auch das neue Kunstgewerbe geschasfen.
Dcr Beginn fällt in die Mitte der 90er Iahre: es war der „Iugendstil", die
bewußke und gewollte Abkehr vom Alten, das als „Spiel des Lebens mit dem
Tod" bezeichnet wurde. Man erwies seine Originalität in möglichst frei er-
fundenen Formen, zumal des Ornamenkes; ja selbst die Kernform wurde in
dieses lianenhafte Geschlinge einbezogen; so erstanden die seltsamsten Gebilde,
die aus ihre Art nichk weniger unpraktisch waren als die bekämpsten. Als
Ganzes bedeuteten diese Arbeiten aber den Durchbruch nach einem Neuland
und waren in solchem Sinn eine bedeutsame, verdienstliche Tak. Einzelne Künst-
ler hakten schon damals das Zweckdienliche betont, das in den nächsten Iahren
immer mehr der Ausgangspnnkt alles neuen kunstgewerblichen Gestaltens ge-
worden; eines Gestaltens, das wesentlich das Einfache und Nuhige der Er-
scheinung erstrebte. Deshalb lehnke man sich anfangs an die Biedermeier-Möbel
an, wie man sie lcidenschaftlich sammelte. 2ln ihnen bildete sich der Sinn für
die schlichte, praktische Bürgerwohnung; auch erkannte man an ihrem kleine-

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