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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1929)
DOI Artikel:
Eberlein, Kurt Karl: Hundert Jahre Berliner Kunst
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8886#0248

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XXXXHALSkonve

HunderL Iahre Berlmer KunsL

Von KurL Karl Eberlein

ist eine alte und Lraurige Erfahrung, daß der Deutsche alles Fremde
^-Aieber kennt als das Eigene, daß jeder italienische oder holländische Künstler
ihm wichtiger erscheink, als seine Künstler, daß er die ausländischen Kunst-
sprachen besser beherrscht als die Dialekte deutscher Kunst. Er kennt seine
großen Meißer und glaubt schon die deutsche Kunst zu kennen, die so viel-
seitig und verworren ist. Die deutsche Kunstgeschichte hängk noch immer
an der alten hmnanistischen Rangordnung der Iahrhunderte. Wir haben es
miterlebt, wie sich langsam das 18. Iahrhundert, dann auch das 17. Gleich-
berechtigung mit den gcliebten Vorzeiken errang, und nun kommt auch endlich
das ig. Iahrhundert wieder zu Ehren, das schon unscre Großeltcrn besser
gekannt haben als wir. Kunstausstellungen und Museen haben für die
Erkenntnis der Kunst des ig. Iahrhunderts Entscheidendes geleistet —
ich erinnere nur an die von Museumsleuten zusammengebrachte Berliner
Jahrhundertausstellung von igc>6 —, und es ist bezeichnenderweise wieder eine
Kunstausstellung, nämlich die von Prof. Kern, Prof. Mackowsky und mir in
Berlin zusammengestellte historische Abteilung derAusstellung „Hundert Iahre
Bcrliner Kunst im Schaffen des Vereins Bcrliner Künstler", die nun die
vernachlässigte Berliner Künstlerschule in neuem Lichte zeigt und die Periode
vou 1829—192g überblickend klärt. Die Berliner Schule ist noch immer
ein Skiefkind der Kunstwissenschaft. Man hat die badische, die bayerische, die
württembergische Kunst des ig. Iahrhunderts erforscht, aber für die berliner
sind kaum einige Vorstudien gemachk. Wenn ich nun hier eine flüchtige Skizze
gebe, die gleichsam den Grundriß des Aufbaus zeigen soll, so denke ich nichk an
den Fachmann, soudern an den Gebildeken, der zwar Künstler wie Schadow,
Schinkel, Blechen, Menzel, Werner u. a. kennk, aber doch die Schule als
Ganzes in ihrer historischen Knüpfung noch nicht überschaut.

Als das Berlin Friedrichs des Großen, die kleine Residenz der preußischen
Könige, die Augen Europas auf sich zog, war seine Kunst troH der höfischen
Akademie dem feindlichen Paris verpflichtek, und der König dachke über die
deutsche Malerei ebenso wie über die deutsche Literatur. Unter dem I^ach-
folger Friedrich Wilhelm II. wurde es insofern besser, als die einheimischen
Künstler doch neue Aufgaben fanden und wenigstens in Architektur und Plastik
führend wurden. Der sparsame Friedrich Wilhelm lll., der das Elend
und die Berarumng der Franzosenzeik miterlebke, war nicht kunstverffändig,
aber doch mit seinem gesunden Pflichkgefühl kunfffreundlich. Unter seiner
langen Regierung blühte die gefährdete preußische Kunst wieder auf, und die
Berliner Akademie wurde durch Schadow eine gute Kunstschule, wenn auch

Julihefl 192g (XXXXII, 10)

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