Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

DOI Heft:
Heft 9 [Juniheft 1929)
DOI Artikel:
Bach, Rudolf: Von der Zukunft des dramatischen Stils
DOI Artikel:
Rang, Bernhard: Martin Andersen Nexö: zu seinem 60. Geburtstag
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8886#0196

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
gelten lassen wollen. Eine Entfernung kann den WerL einer Wanderung
habeu, vou der man reifer und gesammelker zurückkehrk. Und die Werke selbst?
Sollke es denen fchaden? Sie, deren Lebensdichke die skärkfte ist, gerieten in
die Gefahr der Verdunftung? Wer wollke das ernfklilh befürchken?

Lasse man, was da zu einem neuen „Skil" werden will, erft das Schwerste
finden: die eigene Konsequenz, die eigene Wahrheik. Bis alle Bezüge durch-
gearbeikck sind, bedarf es der Geduld. Es ift aber, wie ich glaube, der fchmale
Weg, der für das Theaker in die Zukunft führk. Ifk es so weik, dann werden
— das sei den Iüngeren unker uns gesagk — auch die ungeheuren Themaka,
welche dic Gegenwark gleichsam auf allen Skraßen ausftreuk, aufgegrisfen und
einbezogen werden in den Strom dramakifchen Lebens.

Markin Andersen N'exö

zu seinem 60. Geburtstag
Bon BernhardRang

'^^er große dänifche Arbeikerdichker, den wir füglich, nichk nur weil er unker
^>-^uns in Deutfchland lebk, sondern auch seinem besonderen Wesen und
seiner Gesinnung nach, zu den Unseren rechnen können, hak einmal selbst
mik dem Tikel, den er einer seiner Novellensammlungen gab: „Lobge-
sang aus der Tiefe", den Kernpunkt seines dichkerifchen Schaffens ge-
trosfen. Sein gesamkes epifches Werk ift ein solcher „Lobgescmg aus der
Tiefe", dieses Work sowohl in seiner grimmigen Ironie, seinem bikkeren,
aber unüberwindbaren Humor genommen, als auch in seiner idealen Wahr-
heik, seinem großen Ernft, seiner mikreißenden und begeifternden Krafk. Nrxös
eigenfke Prägung, die durchfchlagende Bildhafkigkeik seiner Sprache, seines
Stils, dic realiftifche Darftellungskraft, die sich vor keiner WirklichkeiL des
Lebens fürchkek, die zupackk, wie der Mann des Bolkes zupacken lernk, und die
doch viel mehr ift als bloßer Naturalismus, die um wesensmäßige Tiefen des
Menfcheu und der Menfchhcik weiß, die aus dem geheimen Born echker Iugend
und Kindheik immer wieder Kraft und Glauben gegen alles Elend, Leid, gegen
2lrmuk und Nvk zu fchöpfen vermag — kurz: die große Menfchlichkeik und
Tiefe dieses Dichkers liegk bcreiks iu diescm Worke, dieser Überfchrifk befchlossen
und ösfnek jedem, der auf ein echkes Work, auf eine wirkliche Menfchensprache
noch hinhört, das Berftändnis zu seinem Werk und seiner Welk.

Wie bei jedem echken Dichker enksprechen sich auch hicr Werk und Welt
aufs genauefte. Andersen Nexö verleugnek in keiner Weise seine Herkunfk, ja erst
dies, daß er seine prolekarifch-bäuerliche Herkunfk, daß er die Welk der Armen,
der Unkerdrückken, der Fifcher, Bauern, Arbeiker, der Werktäkigen aller Arken
und Nakionen, die er sclbft im Blute krägk, zu fchauen und zu geftalken lernk,
macht ihu zum wirklichen Dichker, der das Menfchliche in seiner Tiefe, seiner
Gebundenheik, seiner hinfälligen Kreakürlichkeik siehk, der es aber auch mik
den vom Geift und alker Tradition noch unbefchwerken Sinnen des Volkes
jung, barbarifch-jung aufgreifk und begreifk und auf diese Weise zum eigenk-
lichften Inkcrpreken des vierken und jüngften Skandes wird, des Prolekariaks
im weikeften Sinne des Workes. Andersen Nexö ift ein führender Arbeiker-
dichter geworden; aber so zenkral auch für ihn diese Sendung erfcheink, er ift
 
Annotationen