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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

DOI Heft:
Heft 8 (Maiheft 1929)
DOI Artikel:
Bernhart, Joseph: Buch und Leser: Rede zum Tag des Buches in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.8886#0090

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XXXXU.

Buch und Leser

Von Joscph BernharL

Rede zum Tag deS Duches in München

^^IsH'ein Thema: Buch und Leser. Das grenzenlose Spiel von innerer Be-
^gegnung.

Wer begegnek sich? Geist und Gcist, Gerst und Ungeist, Ilngeist und Ilngeist.
Es bcgegnen sich Mensch und Mensch, und das will sagen: über Buch nnd
Leser walkek das geheimnisvollste GeseH des Daseins: das GeseH der Liebe.
Also das GeseH von Anziehung und Abstoßung, von Berstehen und Nüchk
verstehen.

Der Leser ist ein Schicksal dem Buche, aber das Buch kann Schicksal auch dem
Leser scin.

I.

Aller Geist wird heuke verschleppL — verschleppL über seine eigene Grenze in
den fremden Raum der WirkschasL, und hier verhängL man auch, was
Schicksal der Bücher heißk. Man schwenkk die Fahne des Geistes, auch wo
der Geist das LeHLe ist, um was es gehk. Man sagk Bibel, und Baumwolle
meint man. Oder man legL die Maske ab und sagt einsach, ehrlich, scham^
los: dsst-sollor.

2lber daran hat der gute Römer m seinem Spruche nicht gedachk: Imbont suu
kata libolli. Er meink das Schicksal des Buches anders. Er denkt nicht an die
Leuke, die lauk die Schelle schwingen: LeseL Bücher, leset Bücher! (als
wäre mik dem Alleslesen alles Heil schon ausgerichket); er denkk mrch nichk
an das besondere Glück, das ein Buch der Trommel verdankt, um die Wekte
geschlagen mit der Trommel für eine Seife, einen Skrumpf. Er häkke leichker
wohl einen 2lukor verstanden, der bescheiden hinlegt, was er geschrieben hak,
aber dazu schweigk in dem Stolze: ich will nichk, ich kann nichk mit mir
selbst hausieren gehen, ich weiß, wer ich bin, und ich weiß, daß ein LichL, wenn
es zum Brennen berufen ist, am Ende auch durch den Schesfel brennk und
der Schesfel mit ihm.

pro asptu loctoris babont sua kata libolli.

Ganzwie derLeser sie aufnimmt, haben die Bücher ihr Schicksal.
Buch und Leser prallen oft im ersten 2lugenblick schon auseinandcr. Und ge
schiehk die kiefere Begcgnung, so ist es selten, daß sie ganz im LeHken einig
werden. Mancher Lrestliche Mensch hat ein tresfliches Buch rn der Hand,
dennoch kommen sie nie zusammen. Das ist nun weiker gar nichk Lraurig,
denn jener Leser wird anderswo seine Freude haben, und jenes Buch wird
anderswo seine Liebe sinden.

Malheft 192g (XXXXII, 8)

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