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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

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Heft 9 [Juniheft 1929)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8886#0241

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Man gehi zwischen Gräbern und isr plötz-
lich verschwunöen. Es ist alles wie ein
Spaziergang über dem Gräberhügel.

Es ist schwer, gerecht zu sein gegen sei'n
Schicksal. Wer nach der Mutter schlägt,
ist eln dummes Kind.

Zuweilen schläft auch dle Parze. Dann
schnciden wir uns mit der Götterschere
Träume zurecht.

Vielleicht hieß Faust in seiner Jugend:
Mephisto?

Nach den goldenen Tischen sehnen, wenn
man Tränen trinkt. — Das i'st es!

Als dcr verlorene Sohn weinte, war er
schon zuhause. Aber die Schweine merk-
ten es nichk.

Wer die Blumenvase versteht, weiß schon
alles: Ein kurzes blühendes Beieinander
in einem tiefen Rund.

Das Wasser spielt in der Landschaft die
Rolle des Goldgrundes im Bilde. Es
stellt alles vor ein Zeitloses und trennt
wie ein schimmernder Jntervall vom
Diesseits.

Das Ki'nd ist ein epilogischer Prolog zu
dem Eheroman der Eltern.

Dieö ist das Shakespearische im Alter,
daß die Komik so nabe bei der Tragik
lebt.

Wenn man Badende wieder in Kleidern
sieht, versteht man die Welttragödie der
Antike besser.

Jeder Tag ist eine neue Buchseite. Das
Datum ist nur die Seitenzahl. Schreiben
und Lesen sind die beiden Wunder, durch
die wir die Welt sehen.

Alles Unbewußte wirkt auch erotisch. Wer
das Vogellied belauscht, ist ein Satyr.

Man muß die Hunde von hinten gehen
sehen, die Menschen von der Seite, die
Katzen von vorn. Die Physiognomik hal
wechselnde mimische Fassaden. Das i8.
Jahrhundert sah alles im Prvfil, das 19.
sah alles von vorn, das 20. scheintalles
von hinten sehen zu wollen.

Groß nennen wir die Zeit, deren Gesicht
zur Maske wächst. Dutzendkvpf und
Larve sind der Januskopf unserer Zeit.

Erst wenn das Schloß wächst, blühen die
Sterne im Grase.

Kurt Karl Eberlein

Zu unseren Bilderu unb N'oten

cZH^ir bringen aus der jüngsten Auf-
^^lage der „Kulturarbeiten", deren je-
der Banö einzeln käuflich ist, einige Stich-
proben. Lehrern und Erziehern aller Art,
jedem, der Sinn für künstlerische Kultur
hat, bietet sich hier ein überaus reicher
Anschauungsstoff mit viel grundsätzlicher
Belehrung; insbesondere wird der Sinn
für die Beziehung von Landschaft und
Architektur wcitgehend erschlossen. Um
zugleich Schultze-Naumburgs Methode
der guten und schlechten Beispiele zu ver-
anschaulichen, haben wir die Bilderaus-
wahl auch in diesem Sinne oorgenom-
men.

Johannistal bei Eisenach. Ein
Beispiel aus der Zeit, da unseren Land-
schaftsgärtnern und Straßenhauern noch
nicht der künstlerische Sinn aufgegangen
ir»ar; cin Beispiel, das sich heute noch in
vielen Kurorten wiederholt. „Hier fügt
sich der Weg weder dem Rhythmus der
Landschaft ein, noch verleiht er ihr gar
irgendwclchen verstärkenden Klang. Im
Gegcnteil — für jeden, der mit dem Ge-
fühl auf Sichtbares auch nur einiger-

maßen reagiert, wird diese Wegführung
sich zur unerträglichen Disharmonie stei-
gern, die noch verstärkt wird durch die Er-
wägung, daß solche Wege nicht irgend-
wohin führen, sondern wie Betrunkene
ziellos hin- und herschwanken" (Sch.-N.).
Gebirgsstraße im Kaukasus.
Wie anders folgt hier die Straße dem
wechselvollen Zug der Berge! Sie be-
einträchtigt nicht nur die Natur nicht,
sie gibt ihr gerade durch die Art und
Weise, wie sie diese Welt zugänglich
macht, einen eigentümlichen Zauber der
Kultivierung; sich ein- und unterordnend,
schafft sie dem Naturbild einen neuen
Reiz.

Der Hohenstaufen vom Rech-
berg aus (Württemberg). Es handelt
sich hier nicht so fast um den panoramen-
haften Weitblick über bewegtes Land,
sondern darum, wie zwischen den Feldern
noch Raine, Hecken, Buschwerk, einzelne
Bäume und Baumgruppen den Höhen
und Senkungen sich anpassen, sie gliedern
und beleben, ohne daß die landwirtschaft-
liche Ausnützung darunter leidet; auch die

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