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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

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Heft 9 [Juniheft 1929)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8886#0242

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Straße folgt geschmeidig dem welligen
Gelcmde in großzügigem Schwung. Nicht
Dergewaltigung der Natur hat hier die
Bodenkultur gebracht, sondern Durchfor-
mung im Sinn der Natur.
Brunnenstube auf der Kruken-
b u r g. Wir bieten hier ein schlechtes und
ein gutes Beispiel für die hausmäßige
Quellenfassung, die bald Wasserhebma-
schinen, bald Reservoire birgt. Schon im
harten Gegeneinander des horizontalen
Erdwalles und vertikalen Hauses ergibt
sich eine unangenehme, unvermittelte
Überschneidung, die durch die Diagonalen
geradezu schändlich wirkt. Den Mittel-
körper, der wie alles schlecht proportio-
niert ist, zerreißt im Umriß das klein-
liche Rahmenwerk; lächerlich in ihrem un-
getümen Aufwand erscheinen die Türbe-
schläge und die Bogenkrönung wie der
phcmtastische Zinnenkranz. Die posten-
gleichen Bäumchen sind im Maßstab
falsch und werden später die Gesamtform
noch weiter durchbrechen, statt sie zu bin-
den. Daö Ganze eine vollständig miß-
ratene Erinnerung an festungs- oder bur-
genmäßige Dorbilder.

Brunnenstube in Rostock. Hier
kommt das Behältermäßige im Jnneren
wie die spannige Umgrenzung im Auße-
ren gleich wirksam und schlicht zum Aus-
druck. Ausgezeichnet ist das Verhältnis
von Sockel, Wand und Dach. Markant
der Gegensatz des polygonen Körpers
zum kurvigen Dach, wie sein gemessener
Abschluß durch das einfache Gesimse und
den markigen Ansatz der Haube. Das
Ganze wie aus einem Guß und doch
lebendig gegliedert.

Was eine Brücke durch falsche Maßstäbe,
schlechte Einfügung ins Gelände, unpas-
sende Wahl des Werkstoffes, minderwer-
tige Gesamtform und Einzclbildung,
Mißverhältnis von Brückenkopf und
Brücke in der landschaftlichen wie bau-
lichen Umgebung llbles anzurichten ver-
mag, dessen ist ganz Europa von den
dreißiger und bis neunziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts voll an schmerz-
lichen Erweisen. Jn dieser schlimmen Zeit
wurden mehr Brücken erbaut als früher
in Jahrhunderten. Sie waren ällzulang
in der Hand der Nur-Techniker, doch ha-
ben auch die Architekten namentlich in
ihren Brückenköpfen schwer gesündigt.
Andererseits ist gerade von den neuzeit-
lichen Jngenieuren eine außerordentliche
Anregung auf die moderne Baukunft auS-

gegangen und werden solche Aufgaben
heute im Zusammenhang von Technikern
und Künstlern vielfach vorbildlich gelöst.
Die weniger guten Beispiele stammen
aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts,
da man Eisen, Beton und Eisenbeton
formal noch nicht genügend meisterte.
Schultze-Naumburg will beobachtet ha-
ben, daß „Eisenbrücken in der weiten
Ebene schön, in den Bergen oder Städten
häßlich wirken". So allgemein kann man
das wohl kaum behaupten und noch viel
weniger beweisen. Hier kommt eö ganz
und gar auf die Formgebung an, die
heute schon vortreffliche Beispiele für
jede Umgebung aufweist; ich erinnere nur
an die neueste Brücke bei Köln.
Prinzregentenbrücke in Mün-
ch e n. Architekt Theodor Fischer. Die
hier gewagte Spannweite von über 60 m
war damals etwas durchaus Neueö und
sehr Kühnes für eine Steinbrücke. Eö ist
eine sogenannte Gelenkbrücke, indem der
linke und rechte Teil sich in einem mitt-
leren Scharnier zusammenschließen, das
die Veranlassung zu einem bescheidenen
Schmuck gegeben. Ein edler Flachbogen
wölbt sich hier kühn über das weite Fluß-
bett und läßt den Blick auf die Ufer
frei, vermittelt zugleich einen glatten,
mühelosen Anschluß an die beiderseitigen
Straßen. DaS Naturbild wird so nicht
unangenehm beschwert oder durchschnit-
ten, vielmehr durch ein neues Element
bereichert und gesteigert.
Gitterbrücke bei Rumorn, zwi-
schen Livecpool und Crewe. Gut ist an
dieser Eisenbrücke der wandartige Zusam-
menschluß der Eisenstäbe, wodurch eine
körperhaftere Angleichung an die Stein-
pfeiler erreicht wird. Andererseits aber
wirkt ssch darin doch ein falsches
Prinzip aus: nämlich die Annäherung des
in allem so ganz anderen Eisenö an den
Stein; auch kommt die Elastizität dieses
Werkjtoffes nicht zur ästhetischen Entfal-
tung. Eine „englisch-steifleinene" Art, wie
Johannes Scherr sagen würde, ist dem
ganzen Gerüst eigen und zugleich eine Be-
lasturig, die diesem Metall widerspricht.
Eisenbrücke in St. Louis. Hier
spricht sich der Gegensatz von Eisen und
Stein klar aus, das Massige des letzte-
ren, das Dünne und Feine des ersteren,
das Blockmäßige von jenem, das Stab-
mäßige von diesem, das wesentlich auf
linear-dynamische Wirkungen ausgeht.
Wir besitzen in Deutschland heute ungleich

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