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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

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Heft 12 (Septemberheft 1929)
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Ullmann, Hermann: Heimkehr nach Europa
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Petzet, Wolfgang: Zum Drama der Gegenwart: Betrachtungen bei einigen Stücken jüngster deutscher Dramatik
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https://doi.org/10.11588/diglit.8886#0423

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Das wird sich vielleicht bald in einer europäischen Krise zeigen, deren
Ausgang letzten Endes außerhalb Europas entschieden wcrden wird. Und es
isl nicht ausgcschlossen, daß babei entscheidend sein wird, wie die europäischen
Länder sich in eine neue Rolle gegenüber den „neuen" Ländern hineinfinden.
Die alte werden sie nicht beibehalten können. Ob aber der Wechsel der bis-
herigen Rolle einen llntergang dcs Abendlandes bedeuten wird oder eine neue
Art der Zusammenarbcit mit der „neuen" Welt — das hängt von Europa
selbst und davon ab, welche seiner Völker und in welcher Weise sie zur
Wirkung gelangen. Ob in Europa selbst sich neue Gruppierungen bilden
können, die der „neuen" Welt gegenüber verhandlungsfähig sind, ohne durch
ihre koloniale politische Vergangenheit verdächtig zu sein, wie England und
Frankreich. Qb Deutschland vor allem mit dem Südosten und Osten in
eine Zusammenarbeit kommt, die es wirtschaftlich kräftig genug macht, der
„neuen" Welt als Arbeitspartiier entgegenzutreken und seine Konsumkraft
wirtfchaftspolitifch zu verwerten.

Der Blick auf dcn außereuropäischen Westen muß den gcschichklich geschulten
und unbefangen bcobachtenden Deutfchen um so mehr auf die eigentümlich
deutfchen Lebensbedingungen zurückweisen. Und wenn Europas Schicksal
durch außercuropäifche Entwicklungen cntfchieden wird, wird die Richtung
dieser Entscheidung doch davon abhängen, in welchem Zustand die europäischcn
Völker ihr cntgegengehen.

Zum Drama der Gegenwart

Bctrachtungen bei einigen Stücken jüngster deutscher

Dramatik
Von Wolfgang PeHet

cv^>enn hier vom dcutschen Drama der Gegenwart gesprochen werden soll,
so nicht, um mit einigen, rasch fertigen Begriffen die Grenzen eines neuen
Stiles abzuftecken. Ein Theaterkritiker von Rang hat cinmal seiner Ver-
zweiflung etwa den Ausdruck gegeben, daß nach dem Ende des Expressionis-
mus die Unfähigkcit an sich zum Stile gcworden zu sein fcheinc. Man könntc
aber die Blässe, die tastenden Versuche und die rohe Stofflichkeit unsercr
jüngsten dramatischen Literatur auch noch anders bewcrten. Die Namen-
gcbung durch den Kritiker ist ein Akt der Hinrichtung; was benannt, in einen
Begriff eingesargt werden kann, ist schon tok. Jn der jüngsten Vergangcn-
hcit war die Zagd einer Überzahl von kritischen Geistern auf die paar we-
nigcn fchaffenden Künftler, deren Stil man psychologifch, ästhetifch, soziolo-
gifch. womöglich noch geschichtsphilosophifch analysieren wolltc, bevor cr übcr-
haupt noch ausgereift war, ein ebenso bezeichnendes, wie erschreckcndcs Schau-
spiel. Stil wächst und kann — auch in unseren Tagen — nichk beschleunigt
werden; nur die Mode. Es könnte sein, daß vielleicht gerade darum Stil
kommt, weil wir ihn nicht sehen, weil er sich — gleichsam durch Erfah-
rung klug geworden — dem tötenden Zugriffe des analysierenden LiLerakcn
entzieht. „Skil dcr Stille", ,Meue Sachlichkeit": fchlagwortartige Prä-
gungen von Begriffen in alke Form, aber nn'L dem Iuhalt der Inhaltlosigkcit;
uneingeftandcne Eingeständnisse, daß es mit der Mächt dcr wissenschaftlichen

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