hat, nur >venn er sich entschieden hat, ver-
mag der Philosoph eine Antlvort zn
geben auf die Frage: WaS ist der Mensch?
Oiese Antwort ist nicht bloß eine Fest-
stellung, sondern sie ist als Entscheidung
zugleich eine Forderung. Seine eigene
Entscheidung ift der Grund seines Wis-
sens um den Menschen, und Philosophie
ift nur die Entsaltung dieseS Wissens.
Sie kann daher nicht mit Denkmitteln
bewiesen oder widerlegt werden, sondern
sie kann sich nur bewähren.
Das Material der Philosophie ist ein
Bild deS Menschen, daS nicht Gegenstand
und nicht Ergebnis der Philosophie ist,
sondern ihr zugrunde liegt. Es liegt im
Grunde des Selbstverständlichen, womit
jedoch noch nicht gesagt ist, daß jede
Selbftverständlichkeit schon das Material
einer Philosophie bildet. Es heißt nnr,
daß eS außerhalb des Zugriffg deg Be-
wußtseinS und des Willens liegt; im
übrigen kommt es darauf an, was dem
Philosophen selbstverständlich ist. Der
Satz, daß die Philosophie, die einer hat,
davon abhängt, was er sür ein Mensch
ist, dars nicht so verstanden werden, als
werde die Philosophie dadurch in Zu-
sammenhang mit der bloß empirischen,
psychologischen oder soziologischen Exi-
stenz des Menschen gebracht, sondern er
sührt die Philosophie auf ihren letzten
Grund zurück.
HermannHerrigel
Bücherschau
c^-arbige Dekorationen. Bei-
Ospicle oelorativer Wandmalerei vom
Altertum bis zur Mitte öes ig. ^sahr-
hunderts. Mil Erläuterungen von Hel-
muth Th. Bossert. (Berlag Ernst Was-
muth, Berlin.)
Der fünfte Band aus Wasmuths Werk-
kunst-Bücherei bringt 22Z Farbendrucke
dekorativer Wandmalerei sür Künstler,
Kunsthandwerker, Kunstfreunde, geschickt
und fleißig zusammengestellt, mit einem
Vorwort und aufklärenden Erläuterun-
gen. Die anonyme Flächenkunst der de-
korativen Wandmalerei — nicht die zu-
meist figurale Monumentalmalerei —
aller Zeiten und Völker wird hier in gu-
ten Beispielen typenartig dargestellt und
der internationale Charakter der orna-
mentalen Farbkraft deutlich gemacht.
Nicht ohne Neid sieht man, wie reich
und selbständig diese schmuckfreudige,
lebenskräftige Phantasie war, und wie
der Geist jeder Kultur schon in der Far-
bigkeit und Aufteilung der architektoni-
schen Fläche, in dem Abstand zu Natur
und Zweck offenbar wird. Zugleich er-
kennt man, wo eS heute fehlt und warum
wir weder eine eigene Ornamentik noch
eine architektonische Farbensprache haben
trotz aller Bersuche und Ansätze zu einer
konstruktiven abstrakten DekorationSma-
lerei. Das schöne Buch hat bei allen Dor-
zügen die eine Gefahr, daß es wi'e sein
älteres Vorbild — E. Ewald: Farbige
Dekorationen — zum Musterbuch und
zur Dorlage für die geistig Armen wird
und so ins Antiquarische, Abgelebte zu-
rückleitet. Wer die Dual hat, hat noch
nicht dic Wahl! Wcnn aber dies Buch
dazu hilft, Geist und Mut zum Eigenen
zu beleben, die Pracht der Flächenfarbe
ornamental zu gliedern und der Archi-
tcktur dienstbar zu machen, so ist schon
viel geleistet. Solange wir nur die Farbe
der Baustosfe lieben und der Wand nur
einfachen Flächenwert gönnen, solange
unser Ornament nur das technische Orna-
ment ist und das Licht für die architekto-
nifche Form die Funktion der Farbe über-
nimmt, ist für farbige Dekoration noch
nicht der Tag gekommen, zumal die
wahre Keimzelle der Dekoration der Geist
der Eesellschaft oder Gemeinschaft ist, der
bindend und schaffend gleichsam sich selbst
auf die Wand spiegelt.
Karl Neumann, JacobBurck-
hardt (Verlag F. Bruckmann, Mün-
chen). Oer Heidelberger Ordinarius Carl
Neumann, der bekannte Kunsthistoriker
und Jnterpret Rembrandts, der das Glück
hatte, den Basler „Koebi" zu kennen und
zu erleben, bietet seine wertvollen zer-
streuten Aufsätze und Beiträge zur Burck-
hardtforschung in umgearbeiteter, berei-
cherter Form zusammenfassend in einem
Bande dar. Hier wird nicht nur in ver-
ehrender Kraft die große Gestalt des
Schweizer Geschichtsphilosophen aus rei-
fer Kenntnis und Erkenntnis beschworen,
sondern es ist auch der ganze Umkreis
der Zeitfragen und Forschungsprobleme
aus gelassener, gehtreicher Einsicht darge-
ftellt. Wir empfehlen dies meisterliche
Buch um so lieber, als der klügste, ge-
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mag der Philosoph eine Antlvort zn
geben auf die Frage: WaS ist der Mensch?
Oiese Antwort ist nicht bloß eine Fest-
stellung, sondern sie ist als Entscheidung
zugleich eine Forderung. Seine eigene
Entscheidung ift der Grund seines Wis-
sens um den Menschen, und Philosophie
ift nur die Entsaltung dieseS Wissens.
Sie kann daher nicht mit Denkmitteln
bewiesen oder widerlegt werden, sondern
sie kann sich nur bewähren.
Das Material der Philosophie ist ein
Bild deS Menschen, daS nicht Gegenstand
und nicht Ergebnis der Philosophie ist,
sondern ihr zugrunde liegt. Es liegt im
Grunde des Selbstverständlichen, womit
jedoch noch nicht gesagt ist, daß jede
Selbftverständlichkeit schon das Material
einer Philosophie bildet. Es heißt nnr,
daß eS außerhalb des Zugriffg deg Be-
wußtseinS und des Willens liegt; im
übrigen kommt es darauf an, was dem
Philosophen selbstverständlich ist. Der
Satz, daß die Philosophie, die einer hat,
davon abhängt, was er sür ein Mensch
ist, dars nicht so verstanden werden, als
werde die Philosophie dadurch in Zu-
sammenhang mit der bloß empirischen,
psychologischen oder soziologischen Exi-
stenz des Menschen gebracht, sondern er
sührt die Philosophie auf ihren letzten
Grund zurück.
HermannHerrigel
Bücherschau
c^-arbige Dekorationen. Bei-
Ospicle oelorativer Wandmalerei vom
Altertum bis zur Mitte öes ig. ^sahr-
hunderts. Mil Erläuterungen von Hel-
muth Th. Bossert. (Berlag Ernst Was-
muth, Berlin.)
Der fünfte Band aus Wasmuths Werk-
kunst-Bücherei bringt 22Z Farbendrucke
dekorativer Wandmalerei sür Künstler,
Kunsthandwerker, Kunstfreunde, geschickt
und fleißig zusammengestellt, mit einem
Vorwort und aufklärenden Erläuterun-
gen. Die anonyme Flächenkunst der de-
korativen Wandmalerei — nicht die zu-
meist figurale Monumentalmalerei —
aller Zeiten und Völker wird hier in gu-
ten Beispielen typenartig dargestellt und
der internationale Charakter der orna-
mentalen Farbkraft deutlich gemacht.
Nicht ohne Neid sieht man, wie reich
und selbständig diese schmuckfreudige,
lebenskräftige Phantasie war, und wie
der Geist jeder Kultur schon in der Far-
bigkeit und Aufteilung der architektoni-
schen Fläche, in dem Abstand zu Natur
und Zweck offenbar wird. Zugleich er-
kennt man, wo eS heute fehlt und warum
wir weder eine eigene Ornamentik noch
eine architektonische Farbensprache haben
trotz aller Bersuche und Ansätze zu einer
konstruktiven abstrakten DekorationSma-
lerei. Das schöne Buch hat bei allen Dor-
zügen die eine Gefahr, daß es wi'e sein
älteres Vorbild — E. Ewald: Farbige
Dekorationen — zum Musterbuch und
zur Dorlage für die geistig Armen wird
und so ins Antiquarische, Abgelebte zu-
rückleitet. Wer die Dual hat, hat noch
nicht dic Wahl! Wcnn aber dies Buch
dazu hilft, Geist und Mut zum Eigenen
zu beleben, die Pracht der Flächenfarbe
ornamental zu gliedern und der Archi-
tcktur dienstbar zu machen, so ist schon
viel geleistet. Solange wir nur die Farbe
der Baustosfe lieben und der Wand nur
einfachen Flächenwert gönnen, solange
unser Ornament nur das technische Orna-
ment ist und das Licht für die architekto-
nifche Form die Funktion der Farbe über-
nimmt, ist für farbige Dekoration noch
nicht der Tag gekommen, zumal die
wahre Keimzelle der Dekoration der Geist
der Eesellschaft oder Gemeinschaft ist, der
bindend und schaffend gleichsam sich selbst
auf die Wand spiegelt.
Karl Neumann, JacobBurck-
hardt (Verlag F. Bruckmann, Mün-
chen). Oer Heidelberger Ordinarius Carl
Neumann, der bekannte Kunsthistoriker
und Jnterpret Rembrandts, der das Glück
hatte, den Basler „Koebi" zu kennen und
zu erleben, bietet seine wertvollen zer-
streuten Aufsätze und Beiträge zur Burck-
hardtforschung in umgearbeiteter, berei-
cherter Form zusammenfassend in einem
Bande dar. Hier wird nicht nur in ver-
ehrender Kraft die große Gestalt des
Schweizer Geschichtsphilosophen aus rei-
fer Kenntnis und Erkenntnis beschworen,
sondern es ist auch der ganze Umkreis
der Zeitfragen und Forschungsprobleme
aus gelassener, gehtreicher Einsicht darge-
ftellt. Wir empfehlen dies meisterliche
Buch um so lieber, als der klügste, ge-
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