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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

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Heft 10 (Juliheft 1929)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8886#0315

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slowakei, deren Architektur westliche und
russi'sche Elemente bindet. An außer-
europäischer Architektur kommen nur Ruß-
land und Nordamerika in Frage; Ame-
rika lst für die Entwicklung neuer Kon-
struktionsmethoden durch die Größe sei-
ner Bauaufgaben das wichtigste Land,
Rußland hingegen bietet Deutschland und
den westlichen Ländern durch die bei
aller Sachlichkeit doch phantasievolle und
reiche Erfindung seiner Architekturen
starke Anregungen.

Hilberseimers Bildauswahl läßt diese Be-
ziehungsverhältnisse der neuen Architek-
tur klar erkennen. Ein gewisser Ein-
wand muß lediglich gegen die Einstreu-
ung und Mischung von ausgefuhrten
Bauten mit bloßen Entwürfen erhoben
werden. Soweit diese Entwurfzeichnun-
gen sich durch Art und Grad der Durch-
bildung als baureif zu erkenncn geben, ist
gegen ihre Aufnahme nichts zu sagen. Es
sind aber auch eine ganze Anzahl Studien,
in denen lediglichNhythmik undGliederung
von Baumassen erprobt sind, aufgenom-
men, Zeichnungen und Modelle, denen
man ansieht, daß sie bis zur endgültigen
Gestaltung noch manche Wandlung durch-
machen werden, schließlich auch einige Ent-
würfe, die sich als Ärchitekturphantasien
kennzeichnen und die Aufgabe selbst jen-
seits der heute realisierbaren Bauaufga-
ben suchen. Das verwirrt den Laien und
erschwert dem Heft seine Aufgabe, einer

breiteren Öffentlichkeit die neue Archi-
tektur nahezubringen.

Es ist auch zu fragen, vb das einzelne
Bild nicht durch das Wort hätte unter-
stützt werden sollen. Eine kurze Charak-
terisierung von Zweck und Konstruktion,
Material und künstlerischem Ziel unter
den Bildern würde den Laienbetrachter
das Heft nicht nur als eine Folge er-
regender, aber für ihn ungeklärker Ar-
chitektureindrücke rasch durchblättern las-
sen, sondern ihn beim einzelnen Objekt
festhalten und seine architektonische Vor-
stellungskraft und sein Verständnis für
den architektonischen Gestaltungsweg bil-
den helfen. Die strasfe Bildauswahl,
die nach objektiven Kriterien, den ein-
gangü angedeuteten Prinzipien der neuen
Architektur erfolgt ist, ja selbst die Ver-
mischung von Gebautem und Geplantem,
die bewußt der schärferen Herausarbei-
tung der ZieI setzung der neuen Archi-
tektur dient, beweist die Absicht, das
Derständnis für das Wescn der neuen
Architektur, die Fähigkeit der Unterschei-
dung zwischen wirklich aus dem neuen
Geist heraus empfundene Bauten und in
ihrer konstruktiven und formalen Durch-
bildung unklaren Nachahmungen zu
erwecken. Ein Buch also, daS nicht nur
die Kenntnis der neuen Architektur ver-
mittelt, sondern auch das architektonische
Urteil ;u klären und schärfen vermaa.

Justus Bier

Zu unseren Bildern und I^oLen

a ich diese Zeilen schreibe, ist mir die
Arbeit von Eberlein über die Berli-
ner Malerei noch nicht zu Gesicht gekom-
men. Möglich, daß wir in der Wertung
verschiedener Meinung sind. Das ist aber
kein Unglück, vielmehr interessant und für
den Draußenstehenden anregend; ühri-
gens auch in der Sache begreiflich: man
übersieht auS der Ferne daS Ganze schär-
fer und klarer, während der Näherste-
hende sich am Reichtum des einzelnen er-
freut und dieses genauer erkennt. Weiter-
hin ersteht aus der anderen Einstellung
des Nord- und Süddeutschen in man-
chem ein verschiedenes Urteil. Auch das ist
mehr ein Gewinn als Derlust, die Kunst
der verschiedenen deutschen Kunststätten
im Spiegel ihrer gegenseitigen Betrach-
tung zu sehen. So bin ich auch anderer
Meinung als Jos. Kern, der gewiß ein

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berufener Kenner diescr Zeit ist, wenn er
in seinem Katalogwort meint: „Seit den
60er und goer Jahren des vorigen Jahr-
hunderts hat unter der Leitung Max Lie-
hermanns Berlin die Führung der deut-
schen Kunst übernommen. Bei aller Wah-
rung ihrer Eigenart hat die Berliner
Kunst zuerst den Anschluß an die Welt-
kunst vollzogen und damit die Grenzen
gesprengt, die mit der rein nationalen
Einstellung verbunden sind". Jn den öoer
und goer Jahren war München noch
durchaus führend; es wirkte sich einerseits
die Anregung von Leibl auö, daneben hat-
ken wir die ausgezeichneteDiez-Schule, und
mit Uhde kamen der Pleinairismuö und
Jmpressionismus auf; Liebermann selbst
hat dort in solchem Sinn gewirkt. Jn
München erstand auch die erste Sezession,
nicht in Berlin. Dieses kam erst nach
 
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