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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 42,2.1929

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Heft 10 (Juliheft 1929)
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Tribünne
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8886#0305

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Kirche, sondern von außerkirchlichem Geist geleistet rverden. Wohl aber glanben wir
an die Möglichkeit einer heute noch kaum abmeßbaren Erhöhnng katholischen Ein-
flusses. Nicht so sehr deshalb, weil der besreite Papst nun dem Fluß der Geschehnisse
der Welt zurüokgegeben ist und die Singularität seiner Person und seines Amtes als
eine Sensation in Bewacht kommt, gegen die heut keine andere „aktuelle" so leicht
aufzukommen vermag. Sondern weil diese Zeit dem Materialismus öer Massen
angehört; die Orgien urwergeistigter Materie aber den Geist gerade zu seinen toll-
kühnsten Gottsuchungen heraussordern und der unersetzliche Schöpsrmgswert von Ge-
staltungen und Dogmatisierungen, wie sie die katholische Kirche noch immer aufzu-
weisen hat, um so unwiderstehlicher ans Licht kommen müssen, je unversicherter sich
dieser Geist in sein ureigenstes Element, die gesährliche Zone des Gestaltlosen und
Ungewissen, hinauswagt. Das Heilskapital der Kirche ist unversehrt. Jhr hierarchi-
scher und organisatori'scher Apparat funktioni'ert tadelloser denn je. Der Gehorsam,
den ihr Priester- und Gläubigenschaft leisten, steht in seiner Freiwilligkeit und Unbe-
dmgtheit einzig da aus der Welt. Anlässe zu resormatorischen Experimenten aber
sehlen heut völlig. Es mag sreilich vielleicht noch Jahrhunderte dauern, bis die
Kirche den außerkirchlichen Geist als ihren „Bruder in Gott" erkannt haben wrrd.
Gleichviel! Aus dem Acker, den Kirche und Geist gemeinsam zur Ernte zu bringen
haben, verficht die Gefahr von Anbiederung, Schmeichelei, gar von „Submittierung"
nicht mehr. Hier gilt nur noch ein Recht und eine einzige Pflicht: zur tapferen Ein-
sicht in die Unzerreißbarkeit gottgesügter Zusammenhänge.

Ahnt dieü der Papst?

Die Messe ist zu Ende. Der Gveis wendet sich um. Das sieghaste Lächeln von
Jahrtausenden schwingt durch den Raum. „Its misss estl", rust eine glückliche
Stimme.

Draußen aber wartet das Auto. Ob sein Herr nun durch das tosende Rom in den
Batikan zurück, oder etwa nach Albano oder Ostia, oder gar in den nächsten
Hafen nach Amerika hinaus sahren will: surrend, Symbol natürlichster, lebendigster
Freiheit, wartet das Auto auf ihn. Den die Welt in der Tat erwartet. Und dem
alle Welt, gläubige und ungläubige, weiße und schwarze, ohne sich damit auch nur
das Geri'ngste zn vergeben, ihren Gruß und ihren Glückwnnsch >n der Tat mit den
Worten sagen darf: „Heiliger Vater!" Denn es ist natürlich barer Unsinn, zu meinen,
man müssc ein Tor, ein Provinzler oder gar ein „Papist" sein, um in diesem Herrn
über eine ganze Welt von Gestalt und von Richtmaß ein Werkzeug desselben Vaters
zu erkennen, dessen Kinder wir alle sind. A. T.

Umschau

Die Lebensfrage der Kunfs

ie lautet die Lebensfrage der Kunst?
Oder besser: Wie lautet die Ant-
wort aus die Lebenssrage der Kunst?
Sie lautet genau so wie beim Einzelmen-
schen: Ersülle öein Schicksal! Und das
gilt sür den Künstler so gut wie für den
Kunstfreund.

Was heißt das?

Es heißt zunächst: Erfülle dein Schick-
sal. Fliehe nicht vor deinen Lebensbe-
dingungen, auch nicht vor den Mängeln
deiner Lage, sondern lebe sie entschlossen
dnrch. Da ersüllt seit Jahrzehnten eine

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tolle Vielheit von Kunstmeinungen mit
Lärm unser Ohr. Warum auch nicht?
Es steht uns ja alles ossen, waö die
menschliche Kunst je und je geleistet hat.
Jahrhundert um Jahrhnndert erschließt
sich unsrem Blick; so können wir mit
Hilfe historischen Materials jede beliebige
Kunstmeinung stühen und beweisen. Aber
kommt es darauf an? Haben alle die
tausend Kunstmöglichkeiten, die di'e
Menschheit schon dnrchlebt hat, sür unö
irgendeinen Wert? Nein; denn aus das
Erfasscn der konkreten Augen-
b l i ck s l a g e kommt es an. Es kommt
geradezu darauf an, über die Vielheit der
 
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